Geschrieben von Sylvia Montag, 13 April 2009 23:32
Anneke van Giersbergen, Antimatter, Monochrome Creeks & Lisa Cuthbert - Venlo / Perron 55
Pic by Peter Blok
12.04.2009 - Das Osterwochenende ist mir immer höchst Willkommen. Für mich ist dieses Wochenende, bei passendem Wetter, der psychische Beginn des Frühlings und die Laune verbessert sich schlagartig. Somit begebe ich mich am späten Nachmittag des Ostersonntags, gestärkt von Sonne und ausgestattet mit bester Laune, auf die 130 km lange Fahrt nach Venlo an der niederländisch-deutschen Grenze.
Kurz nach Befahren niederländischen Bodens bin ich auch schon am Live-Club „Poppodium Perron 55" in der Nähe des Venloer Bahnhofs. Zum Glück ist auf einen gewissen Online-Routenplaner auch im Ausland Verlass. Ich parke mein Auto, besorge mir meinen liebsten niederländischen Spezialsnack und warte auf den Einlass. Vor dem Perron 55 tut sich wenig - nur ein paar Nasen, Deutsche wie Niederländer, finden zum Einlass um 19.30 Uhr den Weg zum Veranstaltungsort.
Der Saal im Perron 55 ist klein, aber gemütlich. Eine kleine Bar und eine kleine Bühne begrenzen den Zuschauerraum, der von mehr oder weniger gemütlich anmutenden Sitzgelegenheiten umrandet wird. Viel ist um 20.15 Uhr noch nicht los, als die Irin LISA CUTHBERT die Bühne betritt und hinter einem Keyboard Platz nimmt. Ihr gehören für die nächsten 20 Minuten alle anwesenden Ohren. Die unbekannte Künstlerin besticht durch ruhige, melodiöse Kompositionen, die sie mit ihrer ausdrucksstarken Stimme verfeinert. Hochkonzentriert bringt sie vier Songs allein am Keyboard dar. Das auch Newcomern aufgeschlossene Publikum lauscht gebannt und spendet zwischen den Songs eifrig Applaus. LISA CUTHBERT scheint froh zu sein, auch mal außerhalb der Grenzen ihres Heimatlandes zu spielen, denn jeden Applaus quittiert sie mit einem überrascht wirkenden Lächeln. Eine wirklich sympathische Künstlerin, die hoffentlich auch über die Grenzen Irlands bekannter wird. Das Potential wäre durch aus vorhanden.
MONOCHROME CREEKS haben wohl, nach eigener Aussage, den schwersten Stand an diesem Abend. Nach LISA CUTHBERT und vor ANNEKE VAN GIERSBERGEN / ANTIMATTER zu spielen, scheint ihnen nicht zu behagen. Als Duo sähen weder gut aus, noch könnten sie ihre Instrumente richtig spielen. Aber Humor haben sie. Und Sänger Masi Kriegs, welcher maßgeblich hinter MC steht, weiß auch die Antwort auf die Frage, wie man als Deutscher die letzte Barriere zu einem aufgeschlossenen Niederländer bricht - man beginnt den Gig mit Ansagen auf Niederländisch. Unterstützt wird er vom DUST OF EVERYDAY-Bandkollegen Peter Veld an der E-Gitarre.
Irgendwie passen die Worte Akustikkonzert und E-Gitarre in meiner Welt nicht zusammen. Daher bin ich schon gespannt, wie die Songs klingen werden. Der Gig passt aber durchweg in die Stimmung des Abends. Die E-Gitarre ist eine pure Ergänzung zur von Masi Kriegs liebevoll bearbeiteten Akustikgitarre. Neben humorvollen Ansagen empfehlen gefühlvolle Songs und mit intensivem Bass-Bariton dargebrachte Lyrics auch MONOCHROME CREEKS für weitere Konzerte. Die Barriere zwischen den deutschen Musikern und dem größtenteils niederländischen Publikum fallen zwar schon nach der ersten Ansage und dem ersten Song, aber die letzten, noch zu vergebenen Sympathiepunkte erntet Masi Kriegs beim finalen Song, einem sicher dargebrachtem Cover des bei unseren Nachbarn durchaus beliebten Songs „Het Is Een Nacht" von GUUS MEEUWIS.
Nach einer kurzen Pause wird es dann Zeit für die Hauptacts dieses Abends. Eigentlich dachte ich, dass ANNEKE VAN GIERSBERGEN den Reigen weiterführen würde und ANTIMATTER die Headliner geben. In Anbetracht der Location hat man sich wohl auf einen Rollentausch geeinigt. Pünktlich um 21.15 Uhr betreten zunächst Mick Moss und Duncan Patterson die Bühne. Mick Moss strahlt alles andere als pure Fitness und Freude aus. Ein ausgewachsener Kater ist der Grund dafür, wie er mir am Anschluss an das Konzert erzählt. Am Abend vorher spielte die Band in Amsterdam, und er landete im Anschluss in einer Schwulendisco. Den Fakt, herausfordernd von einem Mann angetanzt zu werden und die Erinnerung daran musste er wohl betäuben.
Aber allen Nachwehen zum Trotz nehmen die zwei Platz, nehmen noch einen letzten Schluck ihres Drinks und beginnen ihre einstündige Gitarrenzauberei mit einer Version des BEATLES - Klassikers „Eleanor Rigby", bevor sie eine Reihe eigener Kompositionen und ANATHEMA-Stücke spielen. Bei einigen Songs des Sets steuert LISA CUTHBERT am Keyboard gefühlvolle Teppiche bei, ansonsten beschränkt man sich, wie gewohnt, auf präzises Saitengezupfe, gepaart mit der herausragenden Stimme von Mick Moss. Das mittlerweile zahlreicher anwesende Publikum lauscht gebannt den Akkorden und den Lyrics - keine Zwischenrufe stören bei den Songs. Dafür ist der Applaus im Nachhinein umso stürmischer. Die Zeit von 21.15 bis 22.15 Uhr ist geprägt von einer stillen, aber intensiven und tiefen Chemie zwischen Publikum und Musikern. Und auch wenn Mick Moss diesen Gig höchstens als solide aber nicht als gut bezeichnen würde, an Flair hat es nicht gefehlt und der gebannten Zuschauerschaft außerordentlich gut gefallen.
Die letzte Stunde des Abends bestreitet jetzt mit ANNEKE VAN GIERSBERGEN die stimmliche Ikone des letzten Jahrzehnts. Als vor einiger Zeit ihr Ausstieg bei THE GATHERING verkündet wurde, schrie eine ganze Szene auf. Verständlich, denn Mevrouw van Giersbergen hat nicht nur eine überirdische, auf Klassik und Jazz geschulte, ausdrucksstarke Stimme, sondern auch noch eine Ausstrahlung, von der so manch eine Frontfrau im Rock- / Metalbereich nicht mal zu Träumen wagt. Fast schon schüchtern betritt sie, angemessen beklatscht, die Bühne und nimmt am Keyboard Platz. Die nächste Stunde gehört allein ihr und ihrer Musik. Und das weiß sie. Mit verschmitztem und zauberhaftem Lächeln sitzt sie, einer talentierten Newcommerin gleich, auf ihrem Hocker und freut sich über jedes noch so leise Geklatsche. Zunächst solo am Keyboard, anschließen solo mit der Akustikgitarre versprüht die zierliche Person mit der kraftvollen Stimme eine Magie im Konzertraum, die ihresgleichen sucht. Sie verzaubert die Audienz nicht nur mit eigenen Songs, sondern auch mit Coverversionen von MOONSPELL („Scorpion Flower"), Dolly Parton („Jolene") und FRANKIE GOES TO HOLLYWOOD („The Power Of Love"), den sie, genau wie ANTIMATTER, auf sehr angenehme Weise entstaubt.
Auch Mick Moss hat noch keinen Feierabend - für die Darbietung von „The Blower's Daughter" betritt er ein weiteres Mal die Bühne und begleitet Anneke auf stimmlich höchstem Level.
Nach den Zugaben - inklusive „My Electricity" von THE GATHERING - verlässt ANNEKE VAN GIERSBERGEN sichtlich zufrieden die Bühne. Das weiter fordernde Publikum ist aber nicht minder zufrieden.
Fazit: An diesem Abend gibt es keinen Zeitdruck - jeder einzelne Act nimmt sich selbige, um den mitgereisten Bands seinen Dank auszusprechen und das Publikum mit seinen, auch teilweise lehrreichen, Ansagen zu unterhalten. Die Chemie zwischen Musikern und Publikum suchte an diesem Abend ihresgleichen und es war, ganz ohne technischen Schnickschnack oder aufwendige Lightshow, ein ganz besonderer Abend.
Was ist das dünnste Buch der Welt? Das über den deutschen Humor.
Het was een nacht!
Die Setlists
Anitmatter
Eleanor Rigby
Flowers
Over Your Shoulder
Mr. White
Feel
The Last Laugh
Going Nowhere
The Power Of Love
The Wight Of The World
Empty
Lost Control
Anneke van Giersbergen
Lost And Found
Day After Yesterday
Longest Day
Nu Nog (Hugo Claus)
Trail Of Grief
Beautiful One
She Is Only Happy In The Sun
Not The Most Pretty Girl
Sunny Side Up
Scorpion Flower
Jolene
Power Of Love
The Blower's Daughter (mit Mick Moss)
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