Feiertagswochenende bei 33 Grad – gefühlt ganz Heidelberg grillt auf Balkonen, im Garten oder sitzt am Neckarufer zusammen. Doch ein guter Teil hat für den Abend des Pfingstsonntags den gleichen Plan wie ich: MOTORPSYCHO und KADAVAR in der Halle 02 anzusehen, d.h. virtuos verzerrte Gitarren, 70er Jahre Vibes und eine ordentliche Portion Psychedelic Rock!
Pünktlich um 21 Uhr entern die drei Musiker von KADAVAR, wie mittels einer Zeitmaschine aus den 70er Jahren kommend (in Wahrheit waren sie im Van mitsamt Anhänger für dieses eine Konzert von Berlin nach Heidelberg gefahren), die Bühne der bereits gut gefüllten, tropisch warmen Halle. Mit einem kühlen Getränk in der Hand steht man im Bühnenbereich trotz der großen Menge Publikums nicht beengt, was den längeren Aufenthalt in der Halle erst möglich macht.
Die Psychedelic/Stoner Rock Band spielt vor dem noch verdeckten Equipment von MOTORPSYCHO, hat jedoch genug Platz, um ihr schweißtreibendes 50-minütiges Set zu entfesseln. Dazu ist Drummer Christoph „Tiger" Bartelt durch die Positionierung der Musiker nebeneinander die ganze Zeit über zu sehen – ihm bei seinem energetischen Spielen zuzuschauen, lässt die Hitze im Raum gefühlt noch einmal steigen.
Der Opener„Liquid Dream" zeigt mit von Anfang an gutem Sound, dass die Atmosphäre der live eingespielten Alben auch auf den Bühnenbrettern rüberkommt. Der Gesang von Christoph „Lupus" Lindemann ist absolut auf der Höhe und die Musiker haben merklich Spaß. Viel gesprochen wird zwar nicht – mit Verweis auf die kurze Spielzeit von „Lupus" entschuldigt – spätestens beim dritten Song und meinem persönlichen Highlight „Doomsday Machine" fällt das jedoch nicht mehr ins Gewicht. Die letzte Hitze-Trägheit ist überwunden und das Publikum geht gut mit. Auch das verboten groovige „All Our Thoughts" und „Goddess Of Dawn", das sich durch ein tolles Riffing auszeichnet, zeigen KADAVAR schon fast in Headlinerqualität ihr Set zocken. Das dynamische „Creature Of The Demon" von ihrem selbstbetitelten Debütalbum von 2012 markiert das Ende des ersten Teils des Abends, wobei der Abgang der Band von vielen Zugabe-Rufen begleitet wird.
Nach einer längeren Umbaupause von etwa 45 Minuten entern die norwegischen Experten für eigenwillige Soundexperimente von MOTORPSYCHO mit ihrem nunmehr 26. Studioalbum „Behind The Sun" (2014) im Gepäck die Bühne.
Nicht nur ich hatte die Umbaupause genutzt, um ein wenig frische Luft im großzügigen Außenbereich der Halle zu tanken und erste Eindrücke auszutauschen. So bedurfte es eigentlich etwas Überwindung, wieder in die Schwüle der Halle zu gehen – aber die Band, die in diesem Jahr ihr 25-jähriges Bestehen feiert, wusste das Publikum mit dem komplexen „Un Chien D´Espace", das sich erst ausbreitet, verdichtet, um dann in ein ungeahntes Tempo gesteigert zu werden, wieder zurück vor die Bühne zu locken. Vor allem die erst nach einem längeren Instrumentalpart einsetzende, zerbrechliche Stimme von Bent Saether und die schließlich einsetzenden, an Walgesänge erinnernden Effekte rund um ein akzentuierendes, helles Riffing und „Schlagzeugwirbel", zeichnen das Programm des restlichen Abends charakteristisch vor.
Zwar hatte es in der Umbaupause bereits ein wenig Schwund im Publikum gegeben, dennoch findet sich eine ansehnliche Menge zusammen, um den "krachenden Gitarren, rauchenden Bässen und Drumexzessen", wie der Sound von MOTORPSYCHO im Vorfeld treffend von den Veranstaltern beschrieben wurde, zu fröhnen.
Nun folgt auch der schwierigste Teil meines Berichts, denn ein MOTORPSYCHO-Konzert in seinen Feinheiten zu beschreiben, ist in der Theorie einfach ... Nach dem Erlebnis eines solchen Abends, an dem man jegliches Zeitgefühl verliert und, auch aufgrund der Hitze, ohne jegliche Formen von Acid in tranceartige Zustände gerät, genau das Gegenteil in der Praxis. Auch die Band schreibt in ihren Notizen zum Konzert, dass sie von der Hitze, die Heidelberg ihnen serviert habe, mehr als geplättet gewesen sei: „The Motorpsychos went into inner space for this one, reacting to the circumstances by going epic and slow. No oxygen anywhere from before the first note meant the band entered a somewhat hallucinogenic collective state before long, and a surreal vibe permeated the whole thing. Truly weird ..."
Die Bühne, die neben der Standard-Bühnenbeleuchtung zusätzlich von mehreren großen Lampen mit wärmeren Lichteffekten beleuchtet wurde, wurde Schauplatz eines sich auf über zwei Stunden erstreckenden Sets mit einem „elektronischen" und einem „akustischen" Teil. An das ältere „Chien D´Espace" schließen sich in jenem ersten Part Songs wie das groovige und 70er Jahre-Feeling verströmende „Cloudwalker (A Darker Blue)" vom aktuellen Album, das leichte „Serpentine" (2002) sowie „The Other Fool" (2000) an, welches mein erster ohrwurmhafter Höreindruck von MOTORPSYCHO war und live viel Bewegung in die Menge bringt.
Das Acoustic-Set startet mit „With Trixeene Through The Mirror, I Dream With Open Eyes" (2006) und lotet etwa mit „Starmelt/Lovelight" (1997), dessen Gitarrenmelodie auf Akkustikgitarren gespielt dem Song noch einmal mehr Zauber gibt, in der Hitze der Halle noch einmal musikalische Höhen aus. In diese Kerbe haut auch die nachdenkliche Zugabe „Fools Gold", die ich persönlich nach diesem außerordentlich langen Set und bei der Luft in der Halle nicht mehr ganz so genießen konnte.
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