Geschrieben von Kai Dienstag, 26 August 2014 18:02
Goodtime Boys, Deceits, Iron Wolf - Münster, Baracke
Baracke, Münster – Meine Güte, das war vermutlich die verklemmteste Sauna, die ich mir vorstellen kann. Bis auf zwei Menschen hat sich keiner auch nur irgendwas ausgezogen. Aber Moment, ist Bier üblich in einer Sauna? Oder Gitarren? Ich muss mich wohl irgendwie vertan haben, denn dieser tropische Raum war dann doch wohl ein Konzertgelände. Aber mit gefühlten 50 Grad war das eben nicht mehr ganz so einfach zu unterscheiden. Und vor allem die GOODTIME BOYS aus England sollten das zu spüren bekommen.
Aber begonnen wurde der Abend mit kleinen Sitzgruppen am Aasee, Menschen auf Couchen außerhalb der Baracke und ein paar Feierabendbier. Die erste Band des Abends war IRON WOLF aus Düsseldorf, die Hardcore mit dreckigem Rock N Roll spielen. Von der Idee und den Riffs toll, aber irgendwie hatte die Soundanlage bereits mit der Hitze zu kämpfen und so war das alles etwas „leise" – na ja. Aber das passte leider auch zum Auftritt der Band, da sie zwar gut aber eben nicht mitreißend waren. Dafür passierte auf der Bühne einfach zu wenig, waren die Mienen zu angespannt und die Band einfach zu sehr auf Nummer Sicher bedacht. Musikalisch hat mir das zwar gefallen, aber das Ganze wirkte noch ein wenig wackelig. Grade weil die Musik so rotzig und breitbeinig (gerne mit dicken Soli) war, konnte die Performance der Band leider nicht mithalten.
Dann war es höchste Zeit an die Luft zu kommen, weil der heiße Sommertag nicht ansatzweise so warm war, wie das innere der Baracke. Nach einer kurzen Pause ging es dann aber auch schon zurück in den Hexenkessel, um DECEITS aus Bochum zu sehen. Dieses Quintett passte schon eher in die Sparte „Moderner Hardcore", wobei die Bochumer sehr viel Wert auf cleane Gitarren und Atmosphäre legten und die Songs großteils im Midtempo vor sich her meanderten – und dennoch sehr mitreißend waren. Das konnte man hier sowohl vom Sound, vom Songwriting und auch von der Performance sagen. Zwar haben mir zwischendurch auch mal ein paar schnellere Momente gefehlt, aber das machten die Jungs mit der Atmosphäre wieder weg. Eine echt schöne Show von einer Band, die ich vorher so gar nicht auf dem Zettel hatte.
Danach dann schnell wieder auf eine Kippe, draußen abkühlen gehen – ohne zu ahnen, dass jetzt der Overkill kommen würde. Denn die GOODTIME BOYS machten den Laden erstens ganz gut voll und zweitens schwappte jetzt auch endgültig der Funke über: Münster sang mit und bewegte sich. Aber die vier Herren und die Aushilfsbassistin legten auch direkt mit einem der absoluten Hits auf ihrem neuen Album „Rain" los und hatten da eigentlich schon fast alles in der Tasche.
Bis auf den Sänger gab die Band zwar nicht total Gas auf der Bühne, aber der komplett zugetackerte Mann hatte das Publikum mit seinen Sprüngen und nahezu besessenen Blicken schnell im Griff. Die Band kam sehr sympathisch rüber, der Sound war deutlich auf ihren Posthardcore (Richtung THRICE, TOUCHEE ARMORE, PIANOS BECOME THE TEETH etc.) hin zugeschnitten und vor allem der Schlagzeuger machte viele Leute im Publikum sprachlos. Zwar was das Songwriting insgesamt intensiv und dynamisch, aber vor allem durch die krassen Spielereien des Drummers erhielt die Band von den Britischen Inseln ihren Drive und ihren Druck.
Mittlerweile zerflossen sowohl Publikum als auch Band im eigenen Schweiß, aber die Band war dennoch einfach klasse. Auch der Sänger wirkte abwechslungsreicher und intensiver als auf ihren Platten. Und das war eh mein Gesamteindruck: ich fand die GOODTIEM BOYS auf Platte immer schon klasse, aber live war das einfach noch mal eine ganze Klasse besser.
Der Saunabesuch hat sich gelohnt ... zwar ohne Zugabe, aber dafür hatte bei den Temperaturen jeder Verständnis. Kein Wunder, dass ein Label wie Bridge 9 damit auch eine europäische Band unter Vertrag genommen hat!
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