Mit dem SUMMER BREEZE Open Air, das in diesem Jahr seiner 16. Auflage entgegen sah, erlebe ich – nachdem ich die Festivalsaison in diesem Jahr zunächst wenig zufriedenstellend mit Livestreams von anderen Festivals einläuten musste – bei meinem siebten Dinkelsbühl-Besuch in Folge erneut einen Garanten für absolut tolle Atmosphäre, grandiose Live-Erlebnisse und „Festival-Crazyness".
Trotz wenig zuversichtlich stimmender Wetterprognosen auf das Beste hoffend, kommen wir am Mittwoch mit dem Zug in Dinkelsbühl an. Leider heißen uns dabei ein etwas konfuser Shuttlebusverkehr und zunehmender Regen zunächst nicht wirklich willkommen.
Nach einem langen Kampf mit dem immer wieder zusammenbrechenden Handynetz (Danke noch einmal an die Truppe, die uns Pavillonunterschlupf gewährt hat!), erreichen wir endlich unseren Anhang mit „Campingoase". Zwar müssen wir THE VINTAGE CARAVAN durch die zeitlichen Verzögerungen vorbeiziehen und die Möglichkeit ungenutzt lassen, unsere mitgebrachten Spandex-Hosen zu ENFORCER auszuführen, doch für die Senkrechtstarter BLUES PILLS stehen wir in den Startlöchern vor der T-Stage.
Ihr selbstbetiteltes Debütalbum landete hierzulande auf Platz 4 der Media Control Charts und so ist es nicht verwunderlich, dass das Zelt bereits gut gefüllt ist und immer mehr Leute hinzukommen. Mit „High Class Woman" startet der internationale Vierer in ein tolles Set, welches vom ersten Ton an durch ein tolles Soundgewand glänzt. Der junge Dorian Sorriaux überzeugt durch sein gefühlvolles und atmosphärisches Gitarrenspiel, während Bassist Zack Anderson im rhythmischen Einklang mit Drummer André Kvarnström steht – Kvarnström wird Gründungsmitglied Cory Berry, dessen Ausstieg in diesen Tagen offiziell verkündet wurde, auch nach den Sommerkonzerten ersetzen.
Mit dieser musikalischen Einheit im Rücken gelingt es Elin Larsson nicht nur durch ihr viel gelobtes Aussehen, sondern vor allem durch ihre druckvolle und energiegeladene Stimme („Devil Man") und ihre sympathische, ehrliche Art, die Menge zu überzeugen. Man spielt sich quer durch das bisher veröffentlichte Material und lässt immer wieder Spielraum für kleine musikalische Improvisationen, bis man den Gig mit der spontanen Zugabe „Time is Now" als passendes Motto für den ersten Festivalabend abschließt.
Weiter geht es zur Camel Stage, auf der sich die Färöer HAMFERD (die auf der letzten Tour von AMORPHIS als Support schon ordentlich abgeräumt haben) die Ehre geben. Wie immer ordentlich in Schale geschmissen, füllen die Doom-Deather die angesetzten 30 Minuten mit nur drei Songs. Auf „Vráin" und „Við teimum kvirru gráu" folgt das epische und meiner Meinung nach beste Stück „Evst". Stimmwunder Jón Aldará überzeugt durch tiefe und druckvolle Growls und schafft blitzschnelle Wechsel zu melancholischem Clean-Gesang, der für Gänsehautmomente sorgt. Ein stimmungsvoller und schöner Abschluss für den zuletzt regenfreien ersten Festivalabend, obwohl der Bereich vor der Bühne noch einiges an Platz für Publikum geboten hätte.
Die erste, schweinekalte Nacht gut überstanden, beginnt auch der Donnerstag für mich vor der T-Stage – der zu Ehren des verstorbenen SUMMER BREEZE-Mitveranstalters und Metal Blade Records Europe Gründers Michael „T" Trengert umbenannten Party Stage.
HERETOIR aus dem nahen Augsburg haben ihre eigenwillige Mischung aus Post Rock, Ambient und Schwarzmetall im Gepäck und werden bereits von einer größeren Menge erwartet. Die Band um Mastermind Eklatanz ist völliges Neuland für mich und überzeugt – wenn nicht vom ersten Song an, so doch spätestens durch den Titeltrack des selbstbetitelten Albums von 2011.
Die Momente des sich in der Musik Verlierens, für die im letzten Jahr CULT OF LUNA und SOLSTAFÍR sorgten, werden in diesem Jahr bei HERETOIR möglich. Gefühlvoll und dynamisch treffen sie etwa mit „Fatigue" den richtigen Nerv und erzeugen nicht nur bei „Eclipse", bei dem AGRYPNIE-Sänger Torsten die Kollegen Eklatanz und Bassist Nathanael gesanglich unterstützt, eine intensive Atmosphäre. Beseelt mache ich mich nach dem letzten Song auf in Richtung Hauptbühne.
Neben ARCH ENEMY und BEHEMOTH, die sich später an diesem Tag ebenfalls die Ehre geben werden, haben auch die Folk Metaler ELUVEITIE mit „Origins" ein neues Album im Gepäck. Gut gelaunt entern die acht Musiker die Main Stage, um mit einem Set ihrer Hits („Thousandfold", „Inis Mona"), durchsetzt mit neuem Material („King", „Call Of The Mountains"), einen starken Auftritt hinzulegen. Leider macht ihnen der Sound hier einen gehörigen Strich durch die Rechnung. War er bereits an anderer Stelle windbedingt nicht gut, so kann man hier zeitweise nur die Drums hören, denn der Rest – bei ELVUEITIE mit ihrer Vielzahl an Instrumenten und Gesang von Chrigel und Anna nicht gerade wenig – geht gnadenlos unter.
Ab der Hälfte des Sets fängt es sich glücklicherweise wieder etwas und Songs wie „The Silver Sister" oder „The Siege" kommen neben dem von Anna voll auf der Höhe gesungenen „Call Of The Mountains" besser heraus und werden von einem trotz miesem Wetter gut gelaunten Publikum gefeiert. Mich persönlich haut der Auftritt im Vergleich zu den vorherigen, etwa 2008 oder 2012, jedoch im Gesamtpaket nicht vom Hocker ...
Von zarten Stimmlagen wie der von Anna Murphy geht es zum Kontrastprogramm: Mit ARCH ENEMY haben die Veranstalter des SUMMER BREEZE eine der derzeit besten Melodic Death Metal Bands ausgepackt, die das Genre zu bieten hat. Mit „War Eternal" hat die Truppe um Michael Amott und die neue Frontröhre Alissa White-Gluz (Ex-THE AGONIST) ein heißes Schwedeneisen abgeliefert und so wundert es nicht, dass die neuen Leckerbissen bestens beim Publikum ankommen. Los geht die Ohrwurmsause mit „Khaos Overture" und „Yesterday is Dead and Gone". Jeder Restzweifel, dass die Fußstapfen von Angela Gossow für den „Schlumpf" zu groß wären, wird von der Bühne gedonnert!
Der Sound kommt druckvoll, aber leider etwas vermatscht aus den Boxen, was angesichts der Hitsetlist nicht weiter ins Gewicht fällt. „My Apocalypse", „You Will Know My Name" (starke Nummer!), „Bloodstained Cross" und „As the Pages Burn" bringen die Menge zum Ausrasten – es wird geklatscht, gesprungen und gesungen, denn Alissa hat die Menge voll im Griff. Das Gitarrenduo Michael und Nick harmoniert perfekt miteinander, während Sharlee (bekommt er Kilometergeld?) und Daniel für ein standfestes Fundament sorgen. So bildet „Nemesis" dann einen kraftvoll gelungenen Abschluss und wir ziehen vom Platz, voller Vorfreude auf die kommende KREATOR-Tour – mit ARCH ENEMY als Support!
Ein Fest für Ohren und Augen erwartet uns mit THE OCEAN, die ihren Post-Metal visuell gekonnt mit Bildern und Animationen auf Leinwand untermalen. Hatte ich mich auf dem SUMMER BREEZE 2011 eher zufällig vor der Bühne bei THE OCEAN wiedergefunden, geht es nach der damaligen positiven Erfahrung diesmal geplant dorthin. Mit „Bathyalpelagic III: Disequillibrated" schaffte es einer meiner Favoriten ins Set, der vor Energie nur so strotzt und die typisch vertrackte Songstruktur zeigt.
Insgesamt ein gelungener Auftritt, bei dem der Bandname einmal mehr als Metapher dafür stehen könnte, dass ihre Musik immer dann, wenn man sie für vertraut hält, mit neuen verborgenen Elementen um die Ecke kommt.
Man möchte nicht wissen, wer die unmenschlichen Töne des Intros fabriziert hat, schwarze Aufsteller rund um ein Mikrofongestell mit zwei eisernen Kobraköpfen und ein weißes Banner mit dem bekannten Feuermotiv bilden den Bühnenaufbau – ganz klar, der Auftritt von BEHEMOTH steht an. Schon erklingt das schneidend kalte Motiv von „Blow Your Trumpets, Gabriel" und die Musiker um Fronter Nergal starten in ihr bewährtes Festivalset.
Mit „Ora Pro Nobis Lucifer" spielt man einen weiteren Track des aktuellen Hammeralbums „The Satanist", bevor man sich mit dem mir schon immer etwas zu dahergeprügelten „Slaves Shall Serve" und dem absolut genialen „Ov Fire And The Void" absoluten Publikumslieblingen zuwendet. Zwischendurch wird sich der ein oder andere verwundert die Augen gerieben haben, denn ohne, dass man es gleich wahrgenommen hätte, hängt statt dem weißen Banner mit schwarzer Schrift nun ein schwarzes Banner mit weißer Schrift dort – it´s magic. Auch „Christians To The Lions" mit den brennenden umgedrehten Kreuzen kommt dynamisch und kraftvoll daher und dem Publikum wird eine Gänsehautshow geboten, bevor die Musiker nach einer kurzen Pause mit typischem schwarzem Schnipselregen zum finalen „O Father, O Satan, O Sun" (tolle Elemente mit Clean-Gesang und Wahnsinnsriffing) wieder auf die Bühne zurückkommen. Zum Schlusspart mit Nergals eingesprochenem Text tragen schließlich alle Bühnen-Protagonisten schwarze Masken mit Hörnern und spielen ihre Instrumente mit starr ins Publikum gerichtetem Blick – diese Meister der Inszenierung!
Nach zwei eher enttäuschenden Performances, die ich von CHILDREN OF BODOM in der Vergangenheit erlebt hatte, zerlegen Alexi Laiho und seine Kinder im Anschluss als Headliner eher unerwartet das SUMMER BREEZE. Mit einer mehr als starken Setlist („Hate Me!" als Eröffnungssong) und einem druckvollen Sound wird eine steife Brise aufgefahren. Janne „Warman" Wirman und Frontröhre sowie Gitarrenhexer Alexi Laiho liefern sich starke Soloduelle, sodass die Bühnenpräsenz der restlichen Band fast schon untergeht.
Mit „Sixpounder", „Halo of Blood" und „Hate Crew Deathroll" spielt man sich durch die Diskografie, fährt mit „Angels Don't Kill" und „Are You Dead Yet?" knackige Höhepunkte auf, um mit „Everytime I Die" und „Bodom After Midnight" Klassiker zu zelebrieren, die wirklich „In Your Face" gehen. Wildchild Alexi ist bestens bei Stimme, gut gelaunt und sein Publikum dankt es ihm durch lautes Mitgröhlen: ..."Bodom After Midnight! Bodom After Midnight Yeahhh...", sie können es also doch!
Nach diesem Hammertag geht es auf halbstündigem Marsch zufrieden zurück zu unseren Zelten, wo wir den Tag im warmen Pavillon ausklingen lassen und es genießen, durch die fehlende Hitze im Vergleich zu den letzten Jahren morgens länger schlafen zu können.
Wir sind jetzt schon am Freitag und damit dem vorletzten Festivaltag angekommen. Fast schon in „Täglich grüßt das Murmeltier"-Manier geht es auch heute für uns im Zelt vor der T-Stage los. WOLFHEART, das neue musikalische Spielfeld von Multitalent Tuomas Saukkonen (Ex-BEFORE THE DAWN/Ex-BLACK SUN AEON/Ex-...) steht bereit. Ihr Debütalbum „Winterborn" hat im Vorfeld schon für mächtig Vorfreude gesorgt, umso schöner ist es, die Finnen endlich live zu erleben.
Mit „The Hunt" und „Strength and Valour" wird ein tolles Melodic Death Set eingeläutet. Tiefe Growls brettern durch das gut gefüllte Zelt (viele in der Menge tragen dabei stolz ihr BEFORE THE DAWN-T-Shirt) und man kann der Band ansehen, dass sie die aufkommende Energie des Publikums gerne aufnimmt. Mit „Susi" wird ein neuer Song präsentiert, der auch noch für ein mögliches Musikvideo mitgefilmt wird – wieder Vorfreude, diesmal auf das kommende Album. Das atmosphärische und etwas ruhigere „Breathe" und die Videoauskopplung aus dem ersten Album „Routa Pt. 2" bilden den Abschluss eines sehr gelungenen Gigs, bei dem es durch Amp-Probleme nur am Sound gemangelt hat.
Pünktlich um 18:20 Uhr betreten die Frohnaturen von GAMMA RAY die Main Stage. Ich hätte mich sehr über ein Best-Of-Set gefreut, stattdessen gibt es viel neues Material, vor allem von der erst in diesem Jahr veröffentlichten „Empire of the Undead" Langrille. So will die Stimmung erst beim dritten Song „I Want Out" aufkommen. Geschickt wird in der Mitte ein Reggae-Teil eingebaut, der zum Mitsingen und auch zum Lachen animiert, weil sich die Hanseaten mal wieder von ihrer humorvollen Seite zeigen. Zu „Rebellion in Dreamland" muss man nicht viel sagen: absoluter Höhepunkt des Sets!
Kai Hansen glänzt auch im fortgeschrittenen Alter mit guter Stimme und man merkt dem Vierer an, dass sie nach über zwanzig Jahren noch ordentlich Spaß daran haben, auf der Bühne den Metal zu leben. So wird mit „Send me a Sign" ein strahlendes Publikum nach einer zu kurzweiligen Stunde in den Abend entlassen.
Als nächstes ist das aus Liverpool stammende Gerippe um Frontmann Jeff Walker an der Reihe. Und CARCASS räumen vom ersten Moment an ab! Das Backdrop ziert das Artwork zum aktuellen (und grandiosen!) Album „Surgical Steel". Links und rechts sind kleine Leinwände installiert, auf denen Symbole und teilweise herrlich brutale Zeichen und Figuren zu sehen sind. Der Sound kommt schön roh und dreckig aus der Anlage, die Band spielt tight bis auf den Millimeter.
Jeffs unverkennbare Stimme sorgt bei mir für Gänsehaut und seine humorvollen Ansagen („It's a sin to drink alone") für viele Lacher im Publikum. Die Mischung aus alten Songs („This Mortal Coil") und neuen Death Metal Salven wie „Unit for Human Consumption" ergänzt sich perfekt und lädt zum Headbangen und Abgehen ein. Mit „Captive Bolt Pistol" wird mein Lieblingstrack (ja ich bin ein Spätzünder in Sachen CARCASS) ausgepackt! Die Stimmung tobt, bis Jeff ankündigt, dass man ihm mitgeteilt habe, er dürfe noch 10 Minuten spielen („This asshole is telling me, that we have ten minutes left, but fuck it, we play!"). Englischer Humor! Mit „Heartwork" wird ein spitzen Death Metal Konzert und ein Highlight des diesjährigen SUMMER BREEZE beendet. Mehr davon!
Wahrscheinlich mit einem UFO eingeflogen, stehen HYPOCRISY pünktlich um 21.50 Uhr auf der Pain-Stage um den Abschluss ihrer "End of Disclosure"-Tour gebührend zu feiern. Frontaugenring Peter Taetgren ist wie immer gut gelaunt und stimmlich absolut auf der Höhe. Leider kann das vom Soundmann nicht behauptet werden: die Gitarren kommen undefiniert aus den Boxen und die Leadgitarre ist so gut wie gar nicht zu hören. Dafür walzen die Keyboards oft zu dominant aus der Anlage, sodass selbst Die-Hard-Fans manche Songs erst spät erkennen. Trotzdem wird das mächtige Set der Schweden mit offenen Armen (oder besser offenen Haaren?) abgefeiert. Neues Songmaterial („The Eye") vermischt sich bestens mit alten Brechern („Fractured Millenium") und auch unverzichtbare Hits („Adjusting the Sun", „Roswell 47") werden in die Menge geballert. Alles in allem bildet die Show auf dem SUMMER BREEZE ein stimmiges Gegenstück zu ihrer Konzertshow im Münchener Backstage – ein Fest, nicht nur für meinen Nacken!
Der Freitags-Headliner MACHINE HEAD kommt mit einer imposanten Light- und Feuershow um die Ecke. Die Bühne wirkt mächtig und mächtig sind Machine Head (MH-Flaggen hier, MH-Verstärkertürme da). Mit "Imperium" knallt's direkt auf die Zwölf! Mit „Beautiful Morning" wird eine klare Ansage („Fuck you all") gebracht und die Moshpits beginnen zu toben. Robert Flynn und Phil Demmel beherrschen ihre Instrumente in Perfektion, die Leadgitarren kommen auf den Punkt und sorgen für Gänsehautmomente („Locust").
Das überirdische Drumset von Dave McClain wird genauer als ein Schweizer Uhrwerk bespielt und lässt reihenweise die Kinnladen ein Stockwerk tiefer knallen – zweifellos einer der besten Drummer im Metal-Bereich. „Machine-Fuckin'-Head"-Chöre ziehen bis auf den Dorfplatz von Dinkelsbühl, die Trampler der Circle-Pits verschieben wahrscheinlich Kontinente und Robb Flynn freut sich bei bester Stimme über die Feierlaune, trotz einsetzenden Regens.
Vor „Darkness Within" gibt es eine kleine Rede an die Heavy Metal Szene, mit „Aesthics of Hate" wird an den verstorbenen und unvergesslichen Dimebag Darrell gedacht, schöne Gesten. Mit „Halo" verabschiedet sich ein würdiger Headliner, der nochmals nach Headbangern und Circle Pits (die später von HEAVEN SHALL BURN humorvoll kommentiert werden) verlangt. Fazit: MACHINE HEAD auf Platte ist gut, live zeigt sich allerdings die wahre Qualität der Amerikaner - „Man!"
INSOMNIUM haben das Vergnügen, spät in der Nacht für eine Traumreise im Zelt zu sorgen. Das aktuelle Werk „Shadows Of The Dying Sun" wurde viel gelobt, ich hatte jedoch leider noch keine Zeit, mich richtig damit auseinanderzusetzen. Der Sound kommt dick und man merkt der Band eine deutliche Entwicklung an. So wirken die Finnen heute mehr als Einheit, als wenn sie in den letzten Jahren live zusammengeschmolzen wären. Die bombastische Lichtshow und die Keyboardeinspielungen sorgen für die passende Atmosphäre, die nur kurz unterbrochen wird, als ein Amp ausgetauscht werden muss. Das Hauptaugenmerk liegt auf neueren Songs und so werden gleich fünf Tracks der aktuellen Scheibe zum Besten gegeben, stimmlich ist der schüchterne und zurückhaltende Niilo Sevänen in Topform. Mit „Mortal Share" findet sich auch ein verstaubtes Stück vom „Death Above The World" Album (2006) in der Setlist, was im gefüllten Zelt gut ankommt.
Der letzte Festivaltag ist angebrochen und obwohl ich durch Kälte und Nässe mittlerweile stark erkältet bin, geht es nach etwas Kreislaufaufbau in die letzte Bandrunde.
Als erstes auf dem Zettel stehen heute IMPERIUM DEKADENZ aus dem Schwarzwald. Seit ihrem 2010 erschienenen Album „Procella Vadens" verfolge ich die Band und bin nach wie vor begeistert von den Walls Of Sound, die die Band live (wenn der Sound mitspielt) und auf Platte erzeugt. Mit „Dolch im Gewande" (toller Melodienübergang) und „Reich der fahlen Seelen" sind zwei Songs des 2007er Albums „Dämmerung der Szenarien" vertreten, während etwa „Aue der Nostalgie" und das herrliche „Tränen des Bacchus" auf dem aktuellen Album „Meadows Of Nostalgia" zu finden sind.
Ein gut gelaunter Horaz schreit, was die Kehle hergibt und man liefert insgesamt einen coolen Auftritt ab. Von der Atmosphäre her hat für mich jedoch etwa das Konzert auf dem Beastival Open Air mehr transportiert, auch fehlte mir persönlich zumindest ein Song des eingangs erwähnten „Procella Vadens".
Der ein oder andere dürfte Martin van Drunen, den Frontgrowler von HAIL OF BULLETS, eher durch seine Vocals bei ASPHYX kennen – mit beiden Bands ist er gern gesehener Gast auf dem SUMMER BREEZE und hat heute die Zerlegung der Bretter der T-Stage zur Mission. Mit seinen gewohnt sympathischen Ansagen und schwarzer Armbinde zu Ehren von „T", schreit er sich durch Kracher wie „Swoop Of The Falcon" oder „Red Wolves Of Stalin" und schwingt seine weiß-graue Mähne.
Vielleicht liegt es an der hohen Live-Präsenz der Band, dass das Zelt besser gefüllt und die Stimmung ein wenig erhitzter sein könnte. Für mich gibt es trotz Erkältung und Kräftemangel jedoch kein Halten, viel zu druckvoll ist das, was die Holländer hier direkt auf die Zwölf servieren. „Tokyo Napalm Holocaust", mit der tollen Gitarrenarbeit von Paul Baayens und Stephen Gebedi, markiert für mich den Höhepunkt des Gigs, der trotz ernster Kriegsthematik in den Texten einfach Spaß gemacht hat.
Auf dem Weg zu WINTERSUN nehmen wir die tschechischen Gore Porn Grinder von GUTALAX mit, die auf der Camel Stage für ordentlich Partystimmung sorgen. In weiße Schutzanzüge gehüllt und mit Gasmasken bestückt, serviert man einem gut gelaunten Publikum, das seine aufblasbaren Haustiere gleich mitgebracht hat, augenzwinkernd eine grindtypisch lange Setlist mit illustren Songtiteln wie „Fart, Fart Away" oder „Asshole Ghost – Wishmaster".
„Sänger" Maty grunzt und röhrt sich in ungeahnte Sphären und fasziniert mit dermaßen abgefahrenen Sounds, dass viele Vorbeigehende zumindest kurz stehen bleiben. Die Kälte und der Regen scheinen vor allem direkt vor der Bühne vergessen, doch weil sich die Wintersonne anbahnt, müssen wir schnell weiter zum Kontrastprogramm auf der Pain-Stage.
Bei WINTERSUN angekommen fällt sofort auf, dass der Platz vor der Pain Stage sehr, sehr voll ist. Der WINTERSUN-Banner thront über dem Infield und als die ersten Töne von „When Times Fades Away" ihres aktuellen Outputs ertönen, gehen laute Jubelschreie durch die Menge. Der Sound ist leider extrem keyboardüberladen und die Gitarre von Teemu Mäntysaari ist im Vergleich zum Mastermind leiser. Ansonsten spielt sich der Vierer gekonnt und mit viel Spiellaune durch das eisige Set. Die Finnen lassen es sich nicht nehmen, mit „The Way of The Fire" einen neuen Song ihrer kommenden Platte Time II zu präsentieren – starker Song. Die Sitmmung ist gut und sie erreicht ihren Höhepunkt, als gegen Ende „Winter Madness" und das unglaubliche „Starchild" zum Besten gegeben werden.
Nach diesem bereits grandiosen letzten Festivaltag heißt es noch einmal alle Kräfte sammeln, um den finale Headliner zu feiern – bei kaum einer anderen Band würde mir dies leichter fallen, als bei HEAVEN SHALL BURN. Als das Intro ertönt, kämpfen wir uns noch aus der Menge vor der Pain Stage hinüber, ergattern jedoch schnell einen Platz mit genügend Bewegungsfreiheit (vor der Bühne steht die Menge dicht an dicht) und Blick auf das von Anfang an durch eine grandiose, die Dynamik unterstreichende Lichtshow inklusive Pyrotechnik begleitete Bühnengeschehen. Das kraftvolle "Counterweight" bricht sich seine Bahn und reißt die Menge vom ersten Takt an mit. Der Bühnenaufbau zeigt die im Alltime-Brecher "Endzeit" besungene "Final Resistance" bildlich in einer Stadtkulisse und erinnert dabei an die derzeitigen politischen Krisenherde.
Wieder einmal schaffen die Thüringer das Kunststück, ernste Botschaft mit einer wahnsinnigen musikalischen Energie in eine tolle Show zu verpacken, deren Mitreißfaktor schon beim zweiten Song ("The Omen") außer Frage steht, denn der gesamte erste Wellenbrecher springt im Takt und ist von da an permanent in Bewegung. Auch der Sound zeigt sich von seiner besseren Seite und Schreihals Markus verleiht den Vocals ordentlich Druck.
Sogar das Wetter zeigt sich dem Festivalfinale gewogen und so zünden sowohl absolute "Pflichtsongs" des Sets, wie "Voice Of The Voiceless" oder "The Disease", und älteres Material wie "Trespassing The Shores Of Your World", als auch die Knaller des aktuellen Albums "Veto" ("Hunters Will Be Hunted", "Godiva", "Combat"). Markus spricht sich in seinen Ansagen in die Herzen des Publikums, mahnt zur Rücksicht im Circle Pit und lobt das SUMMER BREEZE Open Air. Witzig ist auch der augenzwinkernde Einwurf von Gitarrist Maik, dass man einen größeren Circle Pit als MACHINE HEAD anstrebe, um Rob Flynn keine Basis für Sticheleien zu lassen. Als schließlich das BLIND GUARDIAN Cover von „Valhalla" ertönt, liegen sich die Fans in den Armen und singen den Chorus, bis der letzte Gitarrenton verklungen ist. Dann fällt das Banner mit einer Erinnerung mit Foto an „T" herunter – was für eine intensive Stimmung!
Gut gelaunt zurückblickend geht es nach der letzten kalten Nacht nach Hause, voller Vorfreude auf eine heiße Dusche.
Positiv hervorheben würde ich an der diesjährigen Ausgabe des SUMMER BREEZE Open Airs, dass die bisher erreichten Standards in der Organisation rund um Wasserversorgung, Dixi, Duschen und Security durchweg eingehalten wurden. Die Essens- und Getränkepreise sind gleich geblieben und im Vergleich zu anderen Festivals durchaus annehmbar. Toll finde ich auch, dass das Angebot an vegetarischen Speisen mit dem allgemeinen Trend weiter ausgebaut wurde.
Zum Publikum ist zu sagen, dass meine mitgereiste Gruppe und ich alle sehr zufrieden mit dem Spirit in der Menge bei Konzerten, sowie mit den Begegnungen auf dem Gelände, Weg und am Zeltplatz waren. Die abgedeckte musikalische Bandbreite ließ nicht viel Platz zum Meckern und auch die Neuerungen im Programm der Camel Stage (die zugegebenermaßen etwas größer sein könnte) und der T-Stage wurden positiv angenommen. Sehr gut fand ich auch, dass der Hauptweg zu den Bühnen nun nicht mehr über die Marktmeile führt, sodass man schneller durch die Menge kommt und umgekehrt beim Schlendern über die Meile weniger „mengengestresst" ist.
Leider war jedoch der Sound an einigen Stellen derart mies, dass selbst die erschwerten akustischen Bedingungen im Zelt oder starker Wind vor den Hauptbühnen nicht immer als Entschuldigung gelten können. Auch der Anfahrtsstau war schon reduzierter und weniger langwierig, in diesem Jahr jedoch auch durch die Sperrung der Straße durch Dinkelsbühl bedingt. Alles in allem war es wieder eine schöne Zeit mit vielen netten Menschen (etwa die witzige spontane Begegnung mit Benny von NEAERA am Impericon-Stand), neu und wieder entdeckter Musik und jeder Menge idealer Festivalstimmung, die noch so miesem Wetter trotzt.