Ganz ausverkauft ist es wohl nicht, aber ziemlich nah dran. QUEENSRYCHE in so einer „familiären“ Atmosphäre, das kriegt man ja auch nicht oft zu sehen. Eine Supportband haben sich die Amis gespart, auch die Bühne sieht bis auf die Banner im Hintergrund sehr aufgeräumt und übersichtlich aus. Da die Shows nicht zu einer offiziellen Tour gehören, sondern eher die Zeit zwischen den Festivals für die Band überbrücken sollen, ist das auch nachzuvollziehen und absolut ok.
Der Jubel in der Halle ist dementsprechend groß, als QUEENSRYCHE mit ca. 40 Minuten Delay um 20:40 h die Bühne entern. Im Publikum kann man sehr viele Die-Hard-Queensryche Fans ausmachen, die sich diese Möglichkeit natürlich nicht entgehen lassen. Sänger Todd La Torre, die Gitarristen Michael Wilton und Parker Lundgren, Drummer Scott Rockenfield und Bassist Eddie Jackson steigen direkt mit „Anarchy X“ in die Show ein, und man sieht ihnen die Freude an, dass die Halle so gut gefüllt ist.
Der Sound ist von der ersten Sekunde an gut, was der Stimmung sehr zuträglich ist. Die erste Überraschung in der Setlist lässt dann auch nicht lange auf sich warten: Der „Nightrider“ von der ersten, selbstbetitelten EP der Band aus dem Jahr 1983 fegt durchs Turock. Genau das hatte ich im Vorfeld gehofft, dass die Band die eine oder andere Perle ausgräbt, die man nicht so oft live hört.
Mich wundert es jedes Mal, wenn ich Todd La Torre höre, was für eine kraftvolle Stimme der Mann aus seinem doch eher schmalen Körper herausholt. Und dass er mehr als nur ein Erstz für Geoff Tate ist, hat er mittlerweile auch mehrfach unter Beweis gestellt.
Es folgt „Speak“ und an den Reaktionen im Publikum kann man erkennen, dass viele gerade die Songs vom wohl auch heute noch richtungsweisendsten Konzeptalbum im Metal, „Operation Mindcrime“, hören wollen. Ich weiß, ich krieg schnell eine Gänsehaut, gerade wenn ich Bands sehe, die ich schon über so viele Jahre gerne höre. Hier kündigt sich gerade die erste an.
Mit „Whisper“ vom „Rage For Order“ Album und den beiden Tracks „En Force“ und „Warning“ von "The Warning" greifen Todd und Co. wieder ganz tief in die Schatzkiste, bevor sie sich und dem Publikum mit der genialen Ballade „Silent Lucidity“ eine kurze Verschnaufpause gönnen. Hier kann man auch schön sehen, dass sehr viele Old-School-Fans da sind, denn es werden sympathischer Weise so gut wie keine Handydisplays hoch gehalten.
Überraschend spielen QUEENSRYCHE dann mit „X2/Where Dreams Go To Die“ den einzigen Song vom aktuellen Album. Die Nummer reiht sich aber nahtlos ins alte Material ein und wird auch von den Fans euphorisch angenommen. Das schnelle „The Needle Lies“ reißt die Fans dann aber doch noch etwas mehr mit, der Refrain wird vielstimmig und laut mitgesungen. „Operation Mindcrime“ Songs gehen eben immer.
Nach dem extrem fetten „NM 156“ von „The Warning“ spielen QUEENSRYCHE mit „Arrow Of Time“ den ersten und einzigen Titel vom noch unveröffentlichten, am 2. Oktober über Century Media Records erscheinenden Album „Hüman Condition“. Wenn der Rest des Albums auch nur ansatzweise dieses Potential entwickelt, ist die Scheibe definitiv ein Pflichtkauf. „Eyes Of A Stranger“, wieder von den Fans lautstark mitgesungen und ein (Achtung) gänsehautmäßiges „Empire“ hauen mich dann nochmal aus den Socken.
Scott ackert hinter seinen Drums wie ein Tier und Todd und die Gitarrenfraktion Michael und Parker sorgen für viel Bewegung auf der kleinen Bühne. Nur Eddie ist eben ganz der typische Bassist: der ruhende Pohl auf der Bühne, der Todd allerdings mit seinen fetten Backing Vocals extrem gut ergänzt. „Queen Of The Reich“... yippieh. Ich glaube, an der Stelle hat das Vinyl keine Rillen mehr, so oft habe ich den Song damals gehört. Und dann verlassen QUEENSRYCHE leider schon die Bühne.
15 Songs gespielt und mir kommt es vor, als hätten sie eben erst angefangen. Aber da die Fans keine Ruhe geben und die Band minutenlang feiern, kommen sie natürlich nochmal zurück.
„Jet City Woman“ (sorry Geoff, aber das würdest du auch nicht geiler singen) und den Klassiker „Take Hold Of The Flame“ von „The Warning“ lassen die Fans vor der Bühne nochmal steil gehen.Todd steht mit einem Bein auf dem Geländer des Fotograbens und schüttelt eifrig alle Hände, die ihm entgegen gestreckt werden, bevor die Band erneut die Bühne verlässt.
Fazit: QUEENSRYCHE können mit dem Songmaterial im Rücken kaum etwas falsch machen. Der Sound war geil, die Hütte voll und die Band hatte richtig Bock, zu spielen. Es gab eigentlich nichts zu meckern, außer der für mich zu kurzen Spielzeit. Auch wenn sich die Band nicht mit langen Ansagen aufgehalten hat, sind 80 Minuten doch etwas mager.
Die hatten es dafür aber in sich – und jeder, der noch die Möglichkeit hat, sich die Band live zu geben, sollte das ohne zu zögern tun. Den ein oder anderen Song von „Operation Mindcirme“ hätte sie aber noch dranhängen können. Die Fans, die ihnen während der ganzen Show quasi aus den Händen gefressen haben, hätten es ihnen gedankt.
Setlist:
Anarchy X
Nightrider
Speak
The Whisper
En Force
Warning
Silent Lucidity
X2
Where Dreams Go To Die
The Needle Lies
NM 156
Arrow Of Time (new song)
Eyes Of A Stranger
Empire
Queen Of The Reich
Jet City Woman
Take Hold Of The Flame
© all pictures by Dirk Götze