Geschrieben von Gunnar Sonntag, 09 August 2015 08:16
Mighty Sounds Festival 2015 - Der etwas andere "Bericht" ...
Um dem Phil-Connors-Syndrom vorzubeugen und auch dem liebgewonnenen Campingstuhl zwischendurch mal etwas Abwechslung zu verschaffen, suchen wir in jedem Jahr, neben den üblichen verdächtigen Festivals, auch immer eine uns bis dato unbekannte Festivität heim.
In diesem Jahr fiel dabei unsere Wahl auf das im schönen Südböhmen gelegene Mighty-Sounds-Festival, welches in diesem Jahr in seine elfte Auflage ging.
In diesem Jahr fiel dabei unsere Wahl auf das im schönen Südböhmen gelegene Mighty-Sounds-Festival, welches in diesem Jahr in seine elfte Auflage ging.
Ausschlaggebend für die Wahl war vor allem die Vielseitigkeit dieses Festivals, denn wirklich genrebezogen ist die Veranstaltung nicht. Gut, es ist letztendlich alles handgemacht, aber die auftretenden Bands ziehen sich komplett durch alle Genres – von Reggea und Ska über Punkrock und Rockabilly bis zum guten, alten Hardcorebrett! Und dem nicht genug, finden auch noch Theater- und Kleinkunst-Aufführungen sowie Sportturniere ihren Platz auf dem amtlichen Festivalacker.
Somit freuten wir uns auf 150 Interpreten auf vier Live- und drei DJ-Bühnen, wobei wir das kulturelle Rahmenprogramm bereits im Vorfeld ausgeklammert hatten, denn zu viel Kultur schadet der Leber und auch von Sport ist bei 36°C im Schatten abzuraten.
Also noch schnell Pavillon und Sonnencreme geschnappt und nichts wie ab auf die Bahn Richtung Osten.
Eigentlich hätte ich mir im Vorfeld auch denken können, warum meine beiden Mitstreiter sich zum Fahrtantritt nahezu um das zu steuernde Rad geprügelt haben, aber ich gehe halt meistens vom Guten im Menschen aus, was nicht immer von Vorteil ist. Denn als zwei Drittel der Strecke und die Deutsch-Tschechische Grenze hinter uns lagen, wurde ich direkt ans Lenkrad gebeten und die beiden Verräter machten sich auf den Rücksitzen über unsere Biernotreserven her. Somit war auch klar, wer das Schifflein nun in den Hafen steuern durfte – ich!
Nach weiteren fünf Stunden Fahrt und unzähligen Staus (ich kenne nun jeden Straßenpfeiler und jede Tanke zwischen Prag und Tabor mit Vornamen), kamen wir dann auch endlich in Tabor an. Nun hieß es nur noch das Festival finden, was sich aufgrund der sehr mäßigen Beschilderung als schwieriger als gedacht herausstellte. Aber nach diversen Meinungsumfragen bei der heimischen Bevölkerung fanden wir endlich den ersehnten Zielpunkt unserer Reise. Das Mighty-Sound-Festival lag direkt vor uns – und wir durften aus der Ferne sogar noch den letzten Klängen von THE CREEPSHOW lauschen ... was davon getoppt wurde, dass IGNITE angekündigt wurden. Nun war meine Laune absolut im Keller!
Ich zähle nochmal auf: fünf Stunden Autofahrt, zwei Besoffene und dauernd nörgelnde Freunde mit an Bord, Brutkastentemperatur im Auto, die aktuelle EXCREMENTORY GRINDFUCKERS Platte in Dauerschleife und jetzt rauschen auch noch zwei meiner Favoriten ungesehen an mir vorbei! Das konnte nur besser werden, und was soll ich sagen? Das wurde es, denn nachdem das Zelt und die Klamotten endlich ihren Platz gefunden hatten, war auch ich angekommen und somit konnte es endlich losgehen!
Freitag:
Nach dem Betreten des Festivalgeländes hieß es erstmal orientieren. Wo sind welche Bühnen, wo sind die Getränkebuden und wo ist der Stand, dem man abends beim bierseligen Fressanfall seinen Wochenlohn übergeben möchte? Eigentlich keine große Sache, aber doch schwieriger als gedacht, da sich das Gelände und die Vielzahl an Buden doch als sehr viel größer herausstellen sollten, als angenommen. Nach dem ausgedehnten Inspizieren konnten wir uns dann aber auch endlich dem zuwenden, weshalb wir eigentlich da waren ... der Musik.
Aufgrund des etwas ungünstig platzierten Time-Tables wurde aber auch dies zu einer echten Herausforderung. Überschnitten sich doch bereits zu Beginn die Auftritte von SICK OF IT ALL und den COCKNEY REJECTS mit dem von THE PORTERS.
Darum hieß es nun abwägen, und da wir SICK OF IT ALL schon tausendmal gesehen hatten, entschieden wir uns für eine Mischung aus den COCKNEY REJECTS und THE PORTERS, was sich im Nachhinein auch als genau die richtige Entscheidung herausstellen sollte.
Denn die aus dem Ruhrpott kommende Folk-Punk Formation THE PORTERS peitschte uns genau richtig auf die kommenden Tage ein und ich frage mich bis heute, warum die Kapelle bisher so dermaßen an mir vorbei gegangen ist. Der Name war mir schon ein Begriff, aber dass sie musikalisch so auf meiner Wellenlänge liegen würden, hätte ich vorher nicht gedacht. Gerade die stimmliche Nähe des Sängers zu Mike Ness war sehr beeindruckend und erfrischend zugleich!
Aber leider musste es vor dem Ende des Auftritts der Jungs weitergehen, und zwar ans andere Ende des Geländes zu den Londoner Oi!-Legenden der COCKNEY REJECTS. Diese wussten vor allem durch ihren glasklaren Sound und die Boxeinlagen von Frontman Jeff Turner zu begeistern.
Allgemein muss man sagen, dass die Soundleute des Festivals dauerhaft einen sehr guten Job gemacht haben, im Gegensatz zu dem Tresenpersonal, welches nicht wirklich Freude an der Arbeit hatte und diese auch öfters verweigerte. Zu Beginn dachten wir eher an Einzelfälle, aber es kristallisierte sich nach und nach eine gewisse Gleichschaltung heraus, was uns auch von anderen Festivalbesuchern bestätigt wurde. Aber im Nachhinein war dieses vielleicht sogar von Vorteil, denn bei Preisen von 1,50 € für den halben Liter Budweiser Budvar neigt man zum überheblichen Trinken ... und so konnten wir nach diesen beiden gelungenen musikalischen Einlagen in aller Ruhe den Flüssigkeitshaushalt wieder auf Normalstand bringen, um pünktlich bei STRUNG OUT zu stehen.
Hier ist nun die Frage, ob es meinem Zustand zu schulden ist, aber leider sprang der sprichwörtliche Funke von den Kaliforniern nicht zu mir über und so brachen wir die Veranstaltung vorzeitig ab, um uns die Band nicht zu versauen. Außerdem war nun auch die Zeit gekommen, um uns am Fressbudenbuffet zu laben. Frisch gestärkt, mit einer ordentlichen Portion Kolatschen und Langosch, ging es für uns dann in Richtung DJ-Zelt, um den Zeigefingertanz zu vollführen, was wir auch bis in die frühen Morgenstunden taten!
Samstag:
Am nächsten Morgen erwachten meine Glieder erst so richtig nach einer ordentlichen Portion Krauttopf und einem disziplinierten Schluck Fernet-Stock, welchen wir brüderlich mit unseren Nachbarn teilten. Diese brachte uns auch erstmal die Geschichte Tschechiens näher und erklärten uns, wer eigentlich diese ganzen Jans waren (Jan Hus, Jan Zizka und Jan Rohac), nach denen die Bühnen benannt sind – und ich muss echt sagen, das konnte was.
Im Zuge dieser Unterhaltung mussten wir allerdings auch zum ersten Mal mitbekommen, wie es um das Bild der Deutschen in Tschechien bestellt ist ... und damit lässt sich nicht gerade prahlen. Darum waren wir jetzt also nicht nur als gemeine Festivalgänger unterwegs, sondern auch als Botschafter, und so machten wir uns auf, um den ersten Klängen des Tages zu lauschen.
Diese vernahmen wir von der deutschen Reggae-Formation THE TIPS, welche sich als Entdeckung des Festivals für uns herausstellen sollte. Wir sind zwar alle keine Kinder des Reggae, und vielleicht lag es ja auch am Fernet-Stock und der Sonne, aber die drei Jungs haben uns weggeblasen. Schon nach den ersten gesungen Zeilen des Sängers waren wir begeistert. Was für eine geile Stimme kam denn bitte aus diesem Typen raus? Ich nahm noch fix ein paar Tanzstunden und schon gingen die Zeigefinger in Richtung Himmel!
Anschließend blieben wir mit NH3 im Thema, diese legten aber noch ein amtliches Gitarrenbrett samt Bläsern drauf, welche nochmal ordentlich Schwung in die Schüssel brachten. So war bereits am Nachmittag klar, dass dies der ausgerufene Tanztag wird, was sich spätestens bei dem nächsten Highlight in Form von JAYA THE CAT bestätigen sollte.
Geoff Lagadec, seines Zeichens Frontman der auf Kult-Kurs befindlichen Kapelle, versprühte in den sanften Abendstunden so ein Gefühl der Zusammengehörigkeit, dass man sämtliche Kriege, Krisen und Nöte auf dieser Welt vergaß und einfach nur den Moment genoss. Selten habe ich auf einem Konzert so viele gedanken- und sorgenlose Gesichter gesehen wie in den fünfzig Minuten, in denen uns der Klang von JAYA THE CAT umgab.
Wie sollte dieser Nachmittag jetzt noch getoppt werden? Es ging schlichtweg nicht, und so zogen wir uns erstmal an den Zapfhahn zurück, um von dort aus der derzeitigen Nr. 1 am Oi!-Himmel zu lauschen – und das sind unbestritten die Jungs von BOOZE & GLORY!
Diese haben zwar auch ordentlich Stimmung gemacht, allerdings war ich mir nicht immer so ganz sicher, wo Working-Class aufhört und unschöner Patriotismus anfängt. Darum versuchten wir diesen faden Beigeschmack schnell herunterzuspülen, um uns auf der benachbarten Bühne voll und ganz der Ska-Ikone DERRICK MORGAN zu widmen. Über ihn möchte ich nun gar nicht allzu viele Worte verlieren, denn sie würden ihm eh nicht gerecht werden! Man muss ihn einfach erlebt haben und hoffentlich kann man das noch viele Jahre lang!
Voller Eindrücke beendeten wir nun auch unser Programm, um unsere Restenergie dem DJ-Zelt zu übergeben. Nur leider war es nicht mehr da, wo es am Vorabend stand. Waren wir am Vorabend in einer Zwischenwelt oder in einem Zeitstrudel gefangen? Bis heute können wir es uns nicht erklären, aber es war weg und somit beendeten wir den Abend mit einer wunderschönen Diskussion am heimatlichen Zelt.
Sonntag:
Nicht zuletzt aufgrund der Temperaturen verlangte der Sonntag ganz dringend nach einer Abkühlung im feuchten Nass. Also wurde nach dem morgendlichen Mahl die Badehose gepackt und in Richtung Stadt gegangen, schließlich musste dort ja irgendwo ein Gartenteich o.ä. zu finden sein.
Zu Beginn probierten wir es noch mit Fragen, aber nachdem wir feststellen mussten, dass mein englisches Sprachmodul kaputt war („Is here a sea in the near?“), entschieden wir uns doch für die Männervariante des Findens. Das endete dann allerdings jäh in einer kleinen Gärtnerei mit Caféangeboten, welche die Besitzer kurzerhand zu einer Bar umfunktionierten. So verbrachten wir unseren Nachmittag nicht im kühlen Nass, sondern auf einer Bierzeltgarnitur bei Pils und Wodka!
Dieses hatte aber nicht nur die Kopfschmerzen des nächsten Tages zur Folge, sondern auch dass wir so einige Bands verpassten, die eigentlich dick unterstrichen auf unserem Zettel standen. Sowas gehört ja aber auch irgendwie zu jedem Festival mit dazu, und so verbrachten wir die Zeit, in der THE TOASTERS, TERROR oder auch DEFEATER zum Tanz baten, vor der Gärtnerei bzw. im Kaufland, um unseren Hunger mit Eis, Gurken, Krautsalat und Puddingschnecken zu bekämpfen.
Vom Fressflash ging es auch direkt über zum Fresskoma, und so hieß es nun erstmal kurz ruhen, um dann wieder frisch gestärkt bei FUNERAL FOR A FRIEND vor der Bühne zu stehen.
Leider ist die Erinnerung an diesen Auftritt von etwas nebeliger Natur, aber ich hörte später am Abend, dass sie großartig waren und das will ich auch gerne glauben, da mich die Post-Hardcoreler noch nie enttäuscht haben.
Meine Erinnerungen setzen dann leider erst wieder bei THE CARBURETORS ein, welche mich bereits auf dem WITH-FULL-FORCE 2009 mit ihrer Bühnenpräsenz sehr begeistert haben. Aber seit diesen Tagen sind ja auch ein paar Jahre ins Land gegangen und in diesen waren sie anscheinend nicht untätig. So haben sie nicht nur musikalisch noch eine Kelle draufgepackt, sondern auch in Sachen Bühnenshow weiter zugelegt. Sänger Eddie Guz strotzte so dermaßen vor Testosteron, dass er es gut und gerne mit dem Hormonspiegel von Randy Savage hätte aufnehmen können. Neben seiner hochaktiven Show war die eingesetzte Pyrotechnik ein weiteres Highlight ihres Auftritts, welcher seinen Höhepunkt fand, als ihr Gitarrist samt Gitarre die Truss in wahrer Rigger-Manier erklomm und von dort einen Funkenregen ins Publikum abfeuerte.
Sehr aufgeheizt ging es dann von dieser Show zu den Jungs von RED FANG, welche leider meine vorher gemachten Erfahrungen bestätigen sollten, dass sie mich auf Platte sehr begeistern, aber auf der Bühne irgendwie nicht erreichen. So warteten wir sehnsüchtig auf die letzte Band des Festivals – OFF!. Doch leider zollten die vergangenen Tage nun ihren Tribut und aus einem kurzen „Ich setze mich mal kurz dahinten hin“ wurde dann ein „Scheiße, ich habe OFF! verpennt“.
Nachdem ich mir dessen sicher war, da die Bühne bereits abgebaut wurde, wollte ich mich voller Ärger auf den Weg zum heimischen Zelt machen. Dies endete allerdings schnell auf der eigenen Schnauze, da ein paar Spaßvögel meinten, mir meine Schnürsenkel zusammenbinden zu müssen.
Somit hieß es nun erstmal knotenpulen, bevor ich mich anschließend voller Schmerz und Hochachtung für diese geile Aktion auf den Weg in Richtung Ende eines echt gelungenen Festivalwochenendes machen konnte.
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