Geschrieben von Thomas Donnerstag, 02 Februar 2006 20:23
Revolverheld & Wir - 01.02.06 / Freiburg: Jazzhaus
Link: www.revolverheld.net
www.wirwirwir.de
Wenn auch beim Durchschnitts-Hardcore-Metal-Alternative-Emocore-Gothic-Progger Begriffe wie „Bundesvision Song Contest“, „Chartplatzierung“ oder „Teeniegekreisch“ durchaus berechtigterweise Sodbrennen verursachen, besteht dennoch von Zeit zu Zeit die Notwendigkeit, ausgetretene Pfade zu verlassen und sich in die Höhle des Löwen namens „Gute-Laune-Rock“ zu wagen. So geschehen an diesem Abend des 01.02.2006 in der südlichsten Großstadt Deutschlands, Freiburg im Breisgau: Auf dem Programm stehen mit REVOLVERHELD fünf Junge Herren aus dem kühlen Norden, die einst auszogen, um („Du-bist-“) Deutschland den modernen Rock’n’Roll zu lehren, bis unter die Zähne mit AC/DC-Zitaten bewaffnet (siehe Website), furchtlos auch im Angesichte hochfrequent kreischender U18-Brigaden. An sich ein hehres Ansinnen. „It’s a long way to the top…“
So eröffnet im gut gefüllten Jazzhaus vor ca. 400 zahlenden Gästen die überregional kaum bekannte Formation WIR den Abend, eine Deutschrockcombo bestehend aus drei sehr jugendlichen Musikanten, die den Altersdurchschnitt im ohnehin zu 75% mit jodelnden Teenagern besetzten Rund noch zu drücken imstande sind. Man spielt soliden Drei-Akkord-Riffrock, rhythmisch mehr oder minder präzise, und wird dabei – man höre und staune – der Anheizerrolle erstaunlich gut gerecht. Ja, sogar der eine oder andere „Wir wollen WIR“ Sprechchor übertönt den Applaus, der die jungen Recken von der Bühne geleitet. Weitermachen, das wird noch was!
Nach kurzer Umbauphase entern dementsprechend unter ohrenbetäubendem Gekreisch (und wenn ich schreibe „ohrenbetäubend“, meine ich das auch so!) der umstehenden Zahnspangenfraktion die hanseatischen Schwiegermütterlieblinge von REVOLVERHELD die halbrunde Bühnenfläche. Geboten wird bester Alternativerock, bekannt aus Funk und Fernsehen, technisch sauber dargeboten, ohne viel Schnickschnack. Lichtdesign, Sound und Bühnenshow wirken intim, fast schon heimelig, trennt im Freiburger Jazzhaus den Künstler schließlich kein voller Meter Raum von seinem Publikum. Stars zum Anfassen gibt’s eben nur in den kleinsten Clubs, und so feiert man gemeinsam die Stücke vom selbstbetitelten Debutalbum (eine Setlist erübrigt sich somit), sowie die am dritten Februar erscheinende Single Freunde bleiben, selbstverständlich nicht ohne neckische Aufforderung, beim anstehenden Medienspektakel (ja, genau – Stichwort Sodbrennen) doch bitte mit mindestens dreihundert SMS für REVOLVERHELD – Achtung Unwort! – zu „voten“.
Ohnehin bemüht sich Fronter Johannes den ganzen Abend darum, die kaum vorhandene Distanz zum Publikum zu minimieren, das zwar vielleicht ein ganz klein wenig zu routiniert („Ihr seid die Besten“ – „Auf dem nächsten Album gibt’s einen Freiburg-Song“), doch den (leider, leider) immer noch kreischenden Damen in Spe ist’s – wie zu erwarten – zu deutsch gesagt völlig Banane. Es wird auf Aufforderung gehüpft und gebrüllt, ja gelegentlich ertappt man sich als nicht mehr ganz minderjähriger Zuschauer sogar durchaus bei dem Gedanken, dass man damals doch besser nicht Verwaltungsfachangestellter im mittleren Dienst geworden wäre, sondern schlicht und einfach Rockstar… Ach ja, die Jugend.
So geht nach ca. 80 kurzweiligen Minuten mit der Proklamation, dass unsere Fußballnationalklöße unter der Leitung des sympathischen Ex-Bäckers mit dem seltsamen Namen bei der anstehenden WM nach glanzvollen Siegen gegen Ronaldinho & Co. doch garantiert Weltmeister werden (komisch, komisch – diese Meinung greift ja anscheinend langsam um sich…) ein durch und durch unterhaltsamer Abend zu Ende, der zumindest eines verheißt: Rock ist nicht tot, Rock issjamal gar nicht tot! Und alleine diese Botschaft, derer man sich im hohen Norden angenommen hat, ist grundsätzlich eine löbliche Sache. Solange REVOLVERHELD es schaffen, in jeder Stadt zumindest 400 Jugendliche vom TOKYO-HOTEL-Wahn zu heilen, kann ich mit Fug und Recht behaupten, nicht wenige Sympathien für diesen Fünfer übrig zu haben. Und das sollte doch beim einen oder anderen das Sodbrennen lindern…
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