Geschrieben von Samstag, 02 September 2017 12:24

Paradise Lost in Stuttgart - Bericht zur "Medusa" Release-Show aus dem LKA Longhorn

01.09.2017 – 1993 haben PARADISE LOST zum ersten Mal im Stuttgarter LKA Longhorn gespielt. Jetzt, 24 Jahre später, haben wir die Ehre, die Release-Show zum 15. Studioalbum hier erleben zu dürfen. Das Besondere, was sogar viele Fans aus dem Ausland anlockt: Alle Lieder des Albums „Medusa“ werden heute Abend zum ersten und einzigen Mal live gespielt. Zudem werden wir in die Vergangenheit der Bandgeschichte geführt – verbunden mit der Nostalgie an die Spielstätte.

Eine halbe Stunde vor Einlass hat die Schlange erwartungsvoller Fans eine beträchtliche Länge erreicht. Früher als gewohnt erdulden sie das Warten und das leichte Nieseln, um einen möglichst guten Platz bei dieser sehr besonderen Show zu ergattern – was sich später noch auszahlen wird. Was auffällt, ist, dass bestimmt ein Drittel der Menschen aus dem Ausland kommen und wirklich weit gereist sind, um den Auftritt erleben zu können.

Schließlich dürfen wir das LKA betreten und schon bald füllt sich die Halle. Das Bühnenbild ist mit der neuen Dekoration für „Medusa“ ausgestattet und wir ahnen bereits, dass es diesmal keine Vorbands geben wird. Zudem entdecken wir Mikrofone, die ins Publikum gerichtet sind, ebenso wie Kameras, die vermutlich das Geschehen später noch dokumentieren sollen. Ob der Auftritt tatsächlich gefilmt wurde, kann ich jedoch nicht mit Sicherheit sagen.

Die erste Hälfte: Medusa

Der Beginn ist auf 20 Uhr terminiert, doch eine halbe Stunde später erst – nachdem wir anregende Gespräche eines Torstens belauscht haben – ertönt ein orchestrales Intro, das uns sofort in Stimmung versetzt und den Abend eröffnet.

Die Musiker des Abends betreten nun nacheinander die Bühne, sichtlich erfreut über das Meer an Menschen, das sie freudestrahlend anblickt. Und los geht es mit „Fearless Sky“, dem ersten Song des neuen Albums, welches Einzelne aus dem Publikum sogar zum ersten Mal hören, da sie nicht die Zeit hatten, in das Album vor dem Konzert reinzuhören. Dennoch ist das gesamte Publikum in den Bann des neuen Albums gezogen und fühlt die Schwere des Doom-Monsters. Einen lustigen Anblick bietet ein Headbanger aus der ersten Reihe, der mit seinen Rapunzelhaaren die fleißigen Fotografen im Fotograben behindert. Gitarrist Greg hat auch wieder seine Frisur verändert: Während er vor Kurzem noch blonde Haare hatte, hat er sich nun an einen schwarzen Irokesenschnitt gewagt.

In der ersten Hälfte der Setlist wird wie versprochen „Medusa“ von vorne bis hinten in der Reihenfolge der Platte durchgespielt. Es fällt auf, dass die fünf Musiker extrem angespannt, super konzentriert und ziemlich nervös sind. Dies wird verstärkt, als bei „From The Gallows“ aus Versehen das Backing von „Until The Grave“ eingespielt wird. Nach einem kurzen Moment der Panik und Irritation, den man in den Blicken sehen kann, wird der Song jedoch souverän weitergespielt und das Backing ignoriert, bis es schließlich abgestellt wird. Kurz danach bei „Blood And Chaos“, dem am meisten gefeierten Song des neuen Albums, legt Drummer Waltteri einen Fehlstart hin. In Anbetracht der Tatsache, dass (fast) alle Songs zum ersten Mal überhaupt auf einer Bühne vor Publikum gespielt werden, zeigen sich die Engländer jedoch von einer sehr professionellen Seite.

Die Techniker hingegen scheinen nicht in Topform zu sein. Technische Störungen begleiten fast den gesamten Auftritt und selbst Sänger Nick muss ein paarmal das Gesicht bei den schrillen Störgeräuschen verziehen. Auch wenn die Nordmänner auf der Bühne recht wortkarg sind, reißen sie einige Witze wie: „1993 standen wir zum ersten Mal hier, hatten jedoch ein paar mehr Haare auf dem Kopf“, oder „Nun kommen wir zum letzten aber positivsten Song ‚Until The Grave‘“ – begleitet vom Lachen der Fans. Um 21:20 ist die erste Hälfte des Konzertes schon rum und die Band legt eine etwas längere Pause ein.

Die zweite Hälfte: 26 Jahre Bandgeschichte

Die zweite Hälfte startet mit „Embers Fire“, was das Publikum in Ekstase versetzt und auch PARADISE LOST beginnen, sich mehr zu bewegen. Sogar Gitarrist Aaron fängt an, zu lächeln und mitzusingen. Die Band macht keine weiteren Fehler und die Performance lockert sich unter anderem auch dadurch auf, dass die Menge die Lieder kennt und nun richtig abgeht.

Auch die zweite Hälfte ist ziemlich besonders: Selten gespielte Lieder aus der Bandgeschichte finden ihren Weg in die Setlist, wie beispielsweise „Shadowkings“ aus den „Draconian Times“. Getanzt wird zu „Eternal“, als PARADISE LOST noch richtigen Gothic produziert haben – viele ältere Fans schwelgen in Erinnerungen. Kaum zu glauben, dass zu dieser eher ruhigen Musik ein kleiner Moshpit entsteht – auch wenn dieser eher aus torkelnden Betrunkenen besteht. Dieser gerät bei „Hallowed Land“ noch richtig in Bewegung.

Gespielt wird auch noch „Erased“ (ich meine, dass Nick erwähnte, dass Bassist Steve den Song hasst), bevor der Favorit „No Hope In Sight“ von der Masse gesungen wird. Nach „Small Town Boy“, bei dem Nick sein „invisible piano“ spielt, verlässt die Band die Bühne, um schließlich noch die meistgewünschten Lieder „Say Just Words“ und „The Last Time“ in der Zugabe zu spielen und den Abend perfekt abzurunden.

Um 22:20 und einer lobenswerten Spielzeit von fast zwei Stunden ist das recht kurze Konzert schon zu Ende und wir waten durch das Meer von Plastikbechern in Richtung Ausgang. Der Abend war in vieler Hinsicht besonders, doch gerade die Technik hätte bessere Arbeit leisten können.

Setlist:

Fearless Sky
Gods Of Ancient
From The Gallows
The Longest Winter
Medusa
No Passage For The Dead
Blood And Chaos
Until The Grave
__________
Embers Fire
Shadowkings
Eternal
Hallowed Land
Erased
No Hope In Sight
True Belief
Small Town Boy
__________
Say Just Words
The Last Time

Nana

Stile: Atmospheric Black Metal, Stoner Rock, Melodic Death Metal, Metal-/Deathcore, slavischer Postpunk, Synth-Pop

Bands: Altin Gün, Agar Agar, Boy Harsher, Children of Bodom, Mars Red Sky, John Maus, Lorna Shore, Jonathan Hulten, Myrkur, Molchat Doma, Polyphia