Zumindest gefühlt sind ORDEN OGAN seit ca. 2010 ununterbrochen unterwegs – zunächst als Support für u.a. VAN CANTO und RAGE und später dann auch als Headliner haben sie sich doch nach und nach in den Reihen der persönlichen Lieblingsbands etabliert. Daher bin ich auch gar nicht so traurig darüber, dass sie irgendwie für fast jedes Festival, für das schon die Karte bei mir zuhause liegt, plötzlich auch noch bestätigt werden. (Nach fünf Konzerten im vergangenen Jahr sind es 2017 dann sogar sechs. Irgendwann kommt es vermutlich noch so weit, dass sie, wenn ich die Haustür zu lange offen stehen lasse, plötzlich bei mir auf dem Sofa sitzen, aber auch da gibt es vermutlich Schlimmeres, denn die Jungs um Sänger Seeb Levermann sind durch die Bank sympathisch.)
Lage Rede kurzer Sinn, die aktuelle Tour, bei der sie von UNLEASH THE ARCHERS und meinen persönlichen Jugendhelden von RHAPSODY OF FIRE (damals tatsächlich noch unfeurig unterwegs) unterstützt werden, ist natürlich ein absoluter Pflichttermin im heimischen Konzertkalender und so geht es am 13. Oktober nach Bochum in die Matrix!
Konzertlocation Matrix – bis man drin ist, ist alles gut
Mit der Matrix verbindet mich eine Hassliebe. Gut angebunden (wenn nicht gerade halb Bochum wieder eine einzige Baustelle ist) und mit einem großen Parkplatz sowie einer der besten Dönerbuden des Ruhrgebiets nebenan sind die Rahmenbedingungen tatsächlich gar nicht so übel. Wenn man jetzt im Gebäude selbst auch beim Headliner noch atmen könnte und der Sound im Schnitt vielleicht ein kleines bisschen besser wäre, wäre alles top – aber gut, man kann nicht alles haben.
UNLEASH THE ARCHERS, ein gelungener Auftakt
Los geht es mit UNLEASH THE ARCHERS und das tatsächlich 15 Minuten früher, als angekündigt. Ein überraschendes Intro, ein etwas unspektakulärer Bühnenaufgang und Monitorprobleme beim ersten Song sorgen für einen eher holprigen Start, der aber ab "Test Your Metal" mehr als wieder wett gemacht wird. Das Publikum hat bemerkt, dass es auf der Bühne losgeht, die Soundprobleme sind behoben und UNLEASH THE ARCHERS begeistern mich mit erfrischend unsymphonischem weiblichem Leadgesang, der an den richtigen Stellen durch Screams und Growls ergänzt wird.
Die Bühnenoutfits sind dezent martialisch und man kann Sängerin Brittney Hayes die Freude über die zur frühen Stunde bereits bis auf den letzten Platz gefüllte Matrix deutlich ansehen. Nach den für Vorbands üblichen sechs Songs ist mit "Tonight We Ride" leider schon Schluss und RHAPSODY OF FIRE übernehmen die Bühne.
Gemischte Gefühle bei RHAPSODY OF FIRE
RHAPSODY OF FIRE befinden sich aktuell in einer durchaus undankbaren Situation: Von der Originalbesetzung ist nur noch Keyboarder Alex Staropoli übrig, während der Rest der Band aktuell als RHAPSODY REUNION zum 20-jährigen Jubiläum des Albums "Legendary Tales" um die Welt tourt, so dass sich natürlich ein bisschen die Frage aufdrängt, was von beidem denn jetzt das "bessere" RHAPSODY ist. (Eine Frage, die ich hoffentlich im Februar für mich beantworten kann.) Wie schlagen sich RHAPSODY OF FIRE nun also? Ich würde sagen: Keine Ahnung, muss ich nochmal live sehen.
Holzwarth-Nachfolger Manu Lotter macht an den Drums einen soliden Job, ist aber leider zumindest in den ersten Reihen viel zu laut abgemischt, so dass man von den restlichen Bandmitgliedern eher wenig hört. Das, was man hört, klingt solide und Alex Staropolis theatralisches Posing hinter'm Keyboard hat nichts von seiner unfreiwilligen Komik verloren.
Den undankbarsten Job des Abends hat sicherlich Sänger Giacomo Voli – war doch der extrem starke italienische Akzent von Fabio Lione (den er als Eurobeat-Ikone J.Storm – Googeln auf eigene Gefahr – interessanterweise deutlich weniger zeigt) eines der RHAPSODY-Trademarks. Dieser fehlt jetzt zwar, aber gerade bei Songs wie dem Christopher Lee gewidmeten "The Magic Of The Wizard's Dream" stellt Voli seine Fähigkeiten mehr als überzeugend unter Beweis.
Die Stimmung ist zwar etwas weniger ausgelassen als bei UNLEASH THE ARCHERS, aber bei den Klassikern "Dawn Of Victory" und "Holy Thunderforce" blitzt durchaus ein bisschen altes RHAPSODY-Feeling durch, so dass ich gespannt bin, wie die Jungs sich in zwei Wochen beim Konzert in Siegburg, auf dem ich sie nochmal hören darf, schlagen. Das Potential ist weiterhin da, aber richtig gezündet haben RHAPSODY OF FIRE für mich noch nicht.
ORDEN OGAN: Meister der Setlist-Dramaturgie
Endlich ist Zeit für ORDEN OGAN – wie üblich mit zum Album passenden Bühnenbild, dieses Mal im Western-Look. Eine gewisse Liebe zum Detail kann man den Jungs hier nicht absprechen: So stehen die Wasserflaschen auf der Bühne in farblich passenden Holzkisten und auch bei den Bühnenoutfits gibt es nach Hockeyprotektoren mit angeklebten Autoreifen und Umhängen aus Tarnnetzen, die sich gern mal im Ventilator verfangen haben, nun halbwegs dezente Cowboy-Klamotten. Ohne Hut, aber dafür mit personalisierten Boloties (ja, ich hab extra nachgesehen wie diese Halsketten heißen).
Vor allem Bassist Niels Löffler scheint die neue Bewegungsfreiheit zu genießen, bewegt er sich doch noch ungebremster als sonst über die Bühne, wirkt bei seiner Gesangspassage in "Sorrow Is Your Tale" nicht mehr, als hätte er bei der Vergabe des Parts das kürzeste Streichholz gezogen und kratzt mit seiner Präsenz teilweise fast schon an Seebs Thron in Sachen Frontsau. Aber nur fast, denn dieser überzeugt sowohl gesanglich (das hab ich bei früheren Auftritten schon schlechter gehört), als auch durch lustige Ansagen und spontane Textänderungen. So wird die "Fist of Fate" einfach mal kurzerhand zur "Fist of Köln" umgetauft.
Ganz fertig bin ich mit dem Lobgesang auf ORDEN OGAN aber noch nicht, denn wer auch immer diese Setlist zusammengestellt hat (machen wir uns nichts vor, das wird auch Seeb gewesen sein), verdient einen Preis. Da sind diverse alte bzw. ältere Klassiker zum Einstieg, inklusive der zuletzt seltener im Set vorhanden Songs "To The End", "Angels War" und "Lord Of The Flies", während die Songs des aktuellen Albums "GUNMEN" erst ab der Mitte des Sets einfließen, aber dafür dann die zweite Konzerthälfte dominieren. Basierend auf dem bei allen Songs quasi gleich laut mitsingenden Publikum würde ich sagen, alles richtig gemacht!
Zur Zugabe gibt es dann noch die unvermeidlichen "We Are Pirates" und natürlich "The Things We Believe In", und dann ist es auch schon wieder vorbei und die letzten Sauerstoffreserven der Matrix sind restlos aufgebraucht.
Wiederholungstäter
Man könnte meinen, dass einem eine Band beim vierten Konzert im gleichen Jahr doch mal langweilig werden sollte. Das ist hier aber tatsächlich nicht der Fall, viel mehr freue ich mich nach so einem Abend schon jetzt darauf, die Jungs noch einmal im Kubana und dann zum Jahresabschluss beim Ruhrpott Metal Meeting zu sehen.
Die Frage nach dem "Wann sind die eigentlich so groß geworden?" beantworte ich mit einem klaren: Mir egal, Hauptsache, sie bekommen endlich einen Headlinerslot auf einem der kleinen bis mittelgroßen Festivals – verdient haben sie es!
Setlist UNLEASH THE ARCHERS:
- Apex
- Test Your Metal
- Cleanse The Bloodlines
- The Matriarch
- General Of The Dark Army
- Tonight We Ride
Setlist RHAPSODY OF FIRE:
- Distant Sky
- Dargor, Shadowlord Of The Black Mountain
- Flames Of Revenge
- Dawn Of Victory
- The Magic Of The Wizard's Dream
- Holy Thunderforce
- The March Of The Swordmaster
- When Demons Awake
- Emerald Sword
Setlist ORDEN OGAN:
- To New Shores Of Sadness
- F.E.V.E.R.
- Here At The End Of The World
- To The End
- Angels War
- Gunman
- Deaf Among The Blind
- Sorrow Is Your Tale
- Fields Of Sorrow
- The Lord Of The Flies
- Come With Me To The Other Side
- Forlorn and Forsaken
- One Last Chance
- We are Pirates
- The Things We Believe In