Geschrieben von Montag, 13 November 2017 21:40

The Hirsch Effekt - Konzertbericht aus dem Musikzentrum Hannover

Hannover, Musikzentrum am 9.11.2017 – THE HIRSCH EFFEKT haben sich angekündigt, und das wollten wir uns nicht entgehen lassen. Nachdem die beiden letzten Alben in unserer Redaktion auf sehr dankbare Ohren gestoßen sind, war es höchste Zeit herauszufinden, ob "das" auch live funktioniert.

Wer nicht ganz genau weiß, was da jetzt Besonderes sein soll, liest bitte mal kurz unsere Albenreviews (siehe weiter unten auf dieser Seite) – denn den Ausflug in die Besonderheiten der Musik von THE HIRSCH EFFEKT will ich mir jetzt gerne ersparen. Ein Heimspiel in Hannover im Musikzentrum ist da noch die zusätzliche Herausforderung, doch mit der Erfahrung eines Wacken-Auftritts war hier keine Nervosität anzumerken.

PEROPERO – Start mit außergewöhnlichem Setup

Aufgewärmt haben PEROPERO aus Österreich, die mittlerweile in Berlin zu Hause sind. Berlin ist vielleicht etwas toleranter, was Musik angeht. Ein Duo in der Besetzung Drums & Guitar (jo, genau wie bei THE WHITE STRIPES), und die beiden gaben sich richtig Mühe, das Publikum in Stimmung zu bringen. Ihre Musik beschreiben sie selbst als Melange aus Math, Stoner, Progressive Metal mit psychoagressiven Sprechgesängen. Genau so hört es sich auch an.

PeroPero

Es ist dynamisch, es treibt – insbesondere Drummer Valentin Schuster macht hier die Pace – während sich Julian Pajzs neben Gitarre und Stimme ja auch noch um die Geräusche aus dem Basspedal Synthie kümmert. Der bunte Mix, auch optisch ist das Duo auf der Bühne positiv präsent, steht dann einer durchgängigen Show-Chronologie etwas entgegen. Doch zum Anheizen ist das genau richtig gewesen und das manchmal sehr zurückhaltende hannoversche Publikum sparte nicht mit Applaus.

PeroPero Schlagzeug

Nach einer kurzen Pause ging es dann Glockenschlag 21.00 Uhr los - THE HIRSCH EFFEKT wurden losgelassen.

THE HIRSCH EFFEKT – Power pur

Obwohl sie schon einige Zeit mit fast täglichen Auftritten unterwegs sind, konnte man den Eindruck haben, sie wären wochenlang eingesperrt gewesen und müssten erstmal überschüssige Energie austoben. Dies dauerte allerdings das gesamte Konzert über so an, da lies nix nach. Respekt schon mal hier für diese Kondition.

The Hirsch Effekt - Gitarrist Nils Wittrock

Nils Wittrock (Gitarre + Gesang und Technik) und Ilja John Lappin (Bass + Gesang + Technik) liefen, nein rannten auf der Bühne umher, hüpften umher und sprangen auf ein in der Bühnenmitte platziertes Podest und strahlten in die Menge. Moritz Schmidt am Schlagzeug glich seine vom Instrument gegebene Bewegungseinschränkung dadurch aus, dass er wie ein Stehaufmännchen immer wieder die Spielposition wechselte.

Pure Energie schossen die drei ins Publikum, und das ging vom ersten Moment an grandios mit.

The Hirsch Effekt Bassist Ilja John Lappin

Der nächste Aspekt für maximalen Respekt: Sie spielten dazu in Perfektion ihre hochgradig gleichermaßen komplexe wie komplizierte Musik. In Perfektion jeder für sich und miteinander – denn stets passten sie untereinander auf, um die nächste Harmonie- oder Rhythmuswende auf den Punkt zu bringen.
Zu Beginn gab es dann einen Dreier aus jüngerer Zeit: das neue "Lifney" vom Album "ESKAPIST", direkt gefolgt von "Agnosie" und "Cotard" vom Vorgängeralbum "Holon: Agnosie".

Das Triple gab dann auch die Richtung für den Abend vor und zeigte, was die Musik von THE HIRSCH EFFEKT ausmacht: Manchmal scheinbar irrsinnig und zugleich sinnlose Läufe auf Gitarre und Bass, angetrieben vom nimmermüden "Mr Moe", die sich dann urplötzlich in harmonischen und fast süßlichen Passagen mit poppigen Gesangsparts auflösen. Und das bei aller Bühnenaction auf den Punkt gebracht.

The Hirsch Effekt Drummer Moritz Schmidt

Somit war schnell absolut klar: Die Drei beherrschen ihre Instrumente dermaßen gut, dass die Liveperformance der Musik ein überaus schönes Erlebnis sein kann.
In etwas ruhigeren, athmosphärischen Teilen wie bei "Inukshuk" oder "Lentevelt" fehlte etwas der ganz relaxte Groove, die Gelassenheit der Studioproduktionen.
Dies mag jedoch auch ein Ergebnis des nicht ganz optimalen Sounds gewesen sein. Laut genug war es, was wohl auch die meisten Zuschauer erwartet hatten.
So waren wohl gefühlt zwei Drittel mit Ohrstöpseln ausgestattet: nicht die beste Voraussetzung, um Feinheiten herauszuhören.

Ganz im Gegensatz dazu stand die absolut ausgezeichnete Lightshow. Sie unterstrich nahezu jede Nuancierung der Musik – sowohl hinsichtlich Stimmung als auch Rhythmus. Tolle Farben, die die Bühne in Blau, Gelb, Rot oder Grün tauchten einerseits und ekstatisch zuckende Varilights gaben dem Kopfkino der Musik die optische Ebene. Große Klasse.
Das ist ja alles PC-gesteuert, und so wird auch jemand nächtelang programmiert haben. Diese Qualität noch beim Sound zu erreichen, wäre dann das "i"-Tüpfelchen auf hohem Niveau.

THE HIRSCH EFFEKT boten eine feine Setlist (siehe unten) mit Stücken aus allen vier Alben – deutsche und englische Texte kamen gleich gut an. Nach 90 Minuten war dann mit dem letzten Teil der Zugabe und dem tollen hymnischen "Agitation" Schluss – und Band wie Publikum waren begeistert und glücklich.
Eine tolle Show von einer erstklassigen Band.

Setlist:

Lifnej
Agnosie
Cotard
Inukshuk
Ligaphob
Lentevelt
Laxamentum / Assorto
Laxamentum / Agitato
Laxamentum / Requiem
Xenophotopia
Berceuse
Tardigrada
Mara
Athesie
Agitation