Nach dem ziemlich früh terminierten Interview mit EPICAs Isaac Delahaye und einer entsprechend langen Überbrückungszeit begibt sich die BYE-Südfraktion schließlich in Richtung des Stuttgarter LKA-Longhorns.
MYRATH
Dank der Tatsache, dass das Konzert an einem Dienstagabend stattfindet, ist das LKA so leer, wie man es eher selten vorfindet. Als die tunesische Progressive-Metal-Gruppe MYRATH loslegt, sind gerade einmal fünf Reihen an Zuschauern vorhanden, was sich jedoch noch ändern wird. Von dem (laut Plakat) Quintett sind, aus mir unbekannten Gründen, nur vier Musiker auf der Bühne zu sehen. Insgesamt bieten sie nicht nur etwas Exotisches für die Ohren, sondern auch für die Augen: Für die besoffenen, sabbernden Metaller gibt es eine blauhaarige Bauchtänzerin auf der Bühne, die der orientalisch arabisch angehauchten Musik das kulturelle Flair verleiht.
Während der Sänger, der Bassist und der Gitarrist voller Elan auf der Bühne rumspringen, scheint der Schlagzeuger hinten eher desinteressiert und gelangweilt, doch musikalisch legen die Vier ein klasse Set hin, das vielleicht nicht für jeden etwas ist, doch den einen oder anderen dazu bringt, die Tunesier noch einmal genauer unter die Lupe zu nehmen. Wer MYRATH auf dieser Tour verpasst hat, wird sie im Frühjahr nächsten Jahres auf einer etwas kleineren Tour auf die Probe stellen können.
VUUR
Kaum ist die recht kurze Umbauzeit vorbei, dürfen wir die neue Band VUUR (gesprochen „Wühr“) um Sängerin und Gitarristin Anneke Van Giersbergen begrüßen. "Vuur“ ist niederländisch und bedeutet übersetzt "Feuer“. Damit wird nicht zu viel versprochen, denn VUUR machen uns mit ihrer absolut einwandfreien Show ordentlich Feuer unter dem Hintern. Anneke sollte man bereits von ihrer alten Band THE GATHERING kennen – die Blondine trifft jeden Ton! Die Halle ist nun halbvoll und feiert die frisch geschlüpfte Band und ihr Fast-Konzeptalbum "In This Moment We Are Free – Cities“, welches die verschiedenen Emotionen in den verschiedenen Städten in einzelnen Songs zum Ausdruck bringt. Auf CD kommen die Songs nicht ganz so gut an, wie in natura – VUUR sind einfach eine Liveband!
Nachdem die Menge in drei verschiedenen Sprachen „Feuer! / Fire! / Vuur!“ schrie, greift auch Anneke zur Gitarre und schreddert ihren 6-Saiter. Mit ihrer teils gebrechlichen, teils enorm kräftigen Stimme füllt sie den Raum mit purer Begeisterung. Schließlich verabschiedet sie sich vom Publikum, doch das wird nicht ihr letzter Moment an dem heutigen Abend auf der Bühne gewesen sein.
EPICA
Und mit diesen letzten Worten verschwindet der weibliche Teil der BYE Südfraktion flugs im Fotograben, während das Männchen erst einmal allein auf den heiß erwarteten Headliner warten darf. Tatsächlich sogar im wörtlichen Sinne, denn dank der schon erwähnten und recht bescheidenen Zuschauerzahl erfreut sich der Metalhead auch am heutigen Abend einer ungeheuren Schwingfreiheit des, nun ja, nicht ganz so langen Haupthaars. Es gibt doch deutlich schlechtere Vorzeichen.
Zumal die geringe Zuschauerzahl kaum auf die Qualität des kommenden Headliners zurückzuführen ist. Das stellen EPICA gleich mit ihrem aktuellen Album-Opener "Edge Of The Blade“ unter Beweis, bei dessen Lichtfeuerwerk sich nicht nur die Pupillen des anwesenden Redakteurs zu weiten scheinen. Hübsch anzuschauen, sorgt allerdings vor allem die ausgewogene Abmischung des Sounds dafür, dass die Niederländer ihr Publikum zu Beginn förmlich überrollen.
Dieses zeigt sich enorm angetan von der starken Live-Präsenz der Symphonic-Metal-Truppe und vergilt es der Band mit einer tollen Stimmung, welche die fehlenden Zuschauer locker kompensiert. Auch bei der Setlist gibt sich das ständig umtriebige und zu Scherzen aufgelegte Sextett keinerlei Blöße und hat seinen Fans mit "Cry For The Moon“ und "Sancta Terra“ nicht nur Klassiker, sondern mit dem aktuelleren "Unchain Utopia“ und dem selten gespielten "The Holographic Principle“ ein durch alle Perioden der Bandgeschichte führendes Rundum-Sorglos-Paket zusammen gestellt.
Mit "Fight Your Demons“ und "Reverence“ haben sich auch zwei Songs auf die Setlist geschlichen, die den schreibenden Redakteur auf Platte nicht so wirklich fesseln konnten, welche live aber einen erstaunlich guten Eindruck hinterlassen. Vielleicht sollte der Herr doch noch einmal ins CD-Regal greifen. Eine weitere Überraschung ist der Gastauftritt von Anneke von Giersbergen, die gemeinsam mit Simone ein perfektes Duo darstellt und "Storm The Sorrow" auf höchstem Niveau präsentiert.
Wie auch immer, EPICA liefern im LKA einen begeisternden Auftritt ab und wer nicht wusste, dass sich Symphonic Metal auch zur körperlichen Ertüchtigung eignet, durfte sich spätestens bei "Beyond The Matrix“ vom Gegenteil überzeugen lassen und sich ordentlich die letzten Energiereserven aus dem Leib springen. Wie gewohnt neigt sich der Abend mit dem Live-Epos "Consign To Oblivion“ dem Ende entgegen, wobei natürlich auch die obligatorische Wall Of Death nicht fehlen darf. Die einen freuts, die anderen nervts ... Fakt ist und bleibt, dass EPICA eine der besten Live-Bands in der Sparte des Symphonic Metals sind und dies einmal mehr in einem atemberaubenden Konzert unter Beweis stellen konnten. Und zum Glück ist die nächste EPICA-Show nie allzu weit entfernt.
Konzertbericht von den Redakteuren Nana und Theo