Es ist kalt. Kalt und still. Auf dem Weg von der U-Bahn-Station Stadtmitte zum kleinen Club Zentral einige Häuserblöcke weiter, wirkt die Großstadt Stuttgart merkwürdig ausgestorben. Nicht viele Leute scheint es in dieser kalten Januarnacht aus dem Haus gelockt zu haben. Auch mich hat nur der Geruch einer Prise Schwermetall zum Verlassen der heimeligen vier Wände bewegt, denn an diesem Abend soll das deutsche Post-Black-Metal-Quartett DOWNFALL OF GAIA in Stuttgart seine diesjährige Europa-Tournee starten. So etwas lässt sich die nur in halber Stärke angetretene BYE-Südfraktion natürlich nicht entgehen.
Pünktlich anfangen? Ist nicht!
Mit dem Betreten des Clubs ist es vorbei mit der eisigen Stille der Nacht. Die gerade verklingenden Töne der ersten Vorband BAIT lassen vermuten, dass wieder einmal der im Internet angegebene Konzertbeginn nicht eingehalten wurde, sodass sich zu den Würzburgern nicht viel mehr sagen lässt, als dass sie doch einige Metaller vor die flache Bühne des Club Zentral gelockt haben. Schon jetzt präsentiert sich die auf 300 Personen ausgelegte Halle als Sauna mittleren Temperaturgrades, sodass erst einmal alle winterlichen Kleidungslagen entfernt werden. Schnell noch ein kühles (und überaus günstiges) Bier an der Bar geholt und auf zur zweiten Vorband.
Mit HAMFERÐ haben sich DOWNFALL OF GAIA nämlich einen inzwischen durchaus bekannten Special Guest an Bord geholt. Von den Färöer Inseln kommend (was an sich genommen schon Alleinstellungsmerkmal genug ist), räumte die Band letzten Herbst mit ihrem Debütalbum ordentlich ab und wurde von der Fachpresse für ihren melancholischen Doom Metal bisweilen mit Lob überhäuft. Entsprechend hoch meine Erwartungshaltung an diesem Abend, als sich dem guten gefüllten Club ein recht ungewohntes Bild auf der Bühne zeigt.
HAMFERÐ
Statt der erwarteten ruppigen Metaller stehen dort eher sechs frische Ministranten, welche auf dem Weg zur Kirche falsch abgebogen zu sein scheinen. Ein kultivierter Anblick, bei dem doch sogleich die kritische Augenbraue zuckt. Irgendwie hat man ja dann doch immer ein paar Vorurteile. Doch jeder Zweifel verfliegt in dem Moment, als Sänger Jón Aldará zum ersten Mal seine tiefen Growls über die Menge rollen lässt.
Die tiefe Melancholie, welche den Songs des Quartetts innewohnt, zirkuliert durch den Raum und baut sich zu einem Orkan des Weltschmerzes auf, als Aldará in türkises Licht getaucht zum ersten Mal seine wehmütigen Clean Vocals erhebt und einem die Gänsehaut über den ganzen Körper läuft. Klingt übertrieben, lässt sich allerdings anders kaum in Worte fassen.
HAMFERÐ nutzen ihre 60 Minuten Spielzeit optimal und präsentieren dem Publikum ihre volle Bandbreite aus schnellen und langsamen, elektrischen und akustischen Klängen. Kommunizieren tun die Färinger kaum, sondern lassen vor allem ihre Musik sprechen. Als die Band mit "The Storm“ ihr Set beendet, dürfte sie durchaus einige neue Fans unter den Anwesenden gewonnen haben. Sonderlich komplex mag das junge Sextett nicht sein, doch machen die Jungs dies durch viel Gefühl und einzigartige Melodien mehr als wett.
DOWNFALL OF GAIA
Während der Special Guest durchaus noch Gebrauch von der gut ausgestatteten Lichttechnik des Club Zentrals gemacht hat, wird diese nun vom Headliner DOWNFALL OF GAIA völlig außer Acht gelassen. Stattdessen setzt das Quartett aus Berlin, Hamburg und New York auf bläuliches Standlicht und ganz viel Kunstnebel. Auch DOWNFALL OF GAIA verlassen sich größtenteils auf die Aussagekraft ihrer Musik und liefern dabei eine noch stärkere Show ab, als HAMFERÐ zuvor. Ebenfalls ohne Ansagen, ist das Quartett deutlich dynamischer unterwegs und zockt seine komplexen Songs, welche irgendwo im Spannungsfeld zwischen Black und Sludge Metal liegen, nicht nur astrein herunter, sondern schwingt dabei auch noch ordentlich die Haare.
DOWNFALL OF GAIA spielen sich im inzwischen völlig verrauchten und stickigen Club in einen dunklen Rausch, der das Publikum gleichermaßen erfasst und für allgemeines Kopfnicken sorgt. Die Musik der Deutschen reißt auf eine hypnotische Art und Weise mit, sodass die 75 Minuten Spielzeit wie im Flug vergehen. Doch trotz der minimalistischen Beleuchtung bieten die Herren, dank des künstlichen Nebels, auch ordentlich was für die Augen. Wenn Fronter Dominik Goncalves dos Reis zur Hälfte vom Nebel verschlungen ins Mikrofon schreit, hat das nicht nur etwas urtümlich Mitreißendes, sondern auch eine nicht zu verachtende ästhetische Wirkung. Warum hab ich gleich nochmal keine Kamera dabei?
Viel zu schnell geht die düstere Show schließlich ihrem Ende entgegen. Nach nur einem Song in der Zugabe verlassen DOWNFALL OF GAIA mit einer kurzen Danksagung die Bühne und hinterlassen ein verschwitztes, aber hochzufriedenes Publikum. Zusammen mit HAMFERÐ bot der Vierer eine famose Show, welche die knapp 15€ mehr als nur rechtfertigen, sodass jedem, der die Jungs noch auf Tour erwischen kann, die Chance redlich ans Herz gelegt sei. DOWNFALL OF GAIA lieferten im Club Zentral ein Konzert mit ganz besonderer Atmosphäre ab, sodass die Band live wohl durchaus als Geheimtipp gelten darf. Tolle Sache!