Geschrieben von Mittwoch, 21 März 2018 20:55

Myrath, Manigance - Konzertbericht aus dem Stuttgarter clubCANN

Im Zeichen des Power Metals: Dieses Mal statteten die Tunesier von MYRATH der schwäbischen Landeshauptstadt einen Besuch ab und sorgten für einen ganz besonderen Abend.

Denn ein wenig überraschend kam es schon, dass die Nordafrikaner den gar nicht so kleinen clubCANN am Bahnhof Bad Cannstatt ordentlich zu füllen wussten. Die kurze Stippvisite vier Monate zuvor, als man dem Schwabenländle als Vorband für EPICA seine Aufwartung gemacht hatte, schien dem Quintett doch einige neue Fans beschert zu haben. Zwar war die Show noch ein gutes Stück vom Ausverkauf entfernt, doch letztlich hatten sich merklich mehr Fans in der Halle eingefunden, als noch einen Monat zuvor bei VUUR, welche ebenfalls beim EPICA-Run dabei gewesen waren.

MANIGANCE

Wie es sich für jede vernünftige Tour gehört, reisten auch MYRATH mit Vorband an. Den Platz als Support hatte sich mit MANIGANCE eine Band ergattert, welche musikalisch ebenfalls in die Power-Metal-Kerbe schlägt, dies aber mit französischen Texten garniert. Ein Stilmittel, welches offensichtlich nicht nur mir, sondern auch vielen der angereisten Fans nicht bekannt war, sodass die Band erst einmal etwas argwöhnisch beäugt wurde.

Viele Argumente konnten die Franzosen zunächst nicht für sich sammeln. Mehr als einmal standen sich die Musiker gegenseitig im Weg, während Neu-Sängerin Carine Pinto verzweifelt ihren Platz im Bandgefüge suchte. Unterdessen machte Gitarrist Francois Merle immer wieder Bekanntschaft mit den Standscheinwerfern und brachte diese bedenklich zum Wackeln. Ach, und dann gab es da noch die eher peinlichen Ansagen, die – in charmantem Frenglisch vorgetragen – nicht gerade Rock'N'Roll-Attitüde versprühen konnten.

Doch so kritisch ich auch über die Performance der Truppe berichten mag (mehr als musikalischer Durchschnitt ist für mich da einfach nicht drin), ist es nur fair anzumerken, dass MANIGANCE ihre großzügige Spielzeit von 45 Minuten durchaus nutzen konnten. Der Zuschauerzuspruch wurde mit jedem Song größer, sodass sich die Truppe zuletzt einen erstaunlich lauten Applaus abholen konnte. Teilen des Stuttgarter Publikums schien das Treiben auf jeden Fall zugesagt zu haben, womit die Franzosen ihren Job wohl definitiv erfüllt haben.

MYRATH

Nach nur einer Vorband – Gott sei Dank! – durften sich dann auch schon MYRATH bereit machen, um die nun ganz in Weiß und damit im Stil des aktuellen Albums "Legacy“ erstrahlende Bühne zu betreten. Auffällig: Offensichtlich kann der orientalisch angehauchte Metal des Quintetts weit über Genre-Grenzen hinaus begeistern. So hatte sich für den Headliner ein erfrischend gemischtes Publikum vor der Bühne versammelt, in welchem Jung und Alt vertreten waren. Zur Befremdlichkeit des Abends sollte sich jedoch die gesteigerte Affinität der Fans zum Handybildschirm entwickeln. Beim ersten Song konnte der geneigte Zuschauer wahlweise zwischen der Übertragung auf einem Apple-, Samsung- oder Huwai-Gerät wählen. Na, wenn das mal nicht verbraucherfreundlich ist!

Schade, hatte die Band doch vor der Show inständig darum gebeten, auf das Filmen zu verzichten – hatten es neben den bekannten Klassikern aus allen vier Alben auch drei neue, noch unveröffentlichte Songs ins Set geschafft. MYRATH ließen sich von der ungewollten digitalen Aufmerksamkeitswelle jedoch nicht beeindrucken, sondern begeisterten mit einer enthusiastischen Show. Der Spaß war der Truppe sichtlich anzumerken und schlug umgehend auf die Damen und Herren vor der Bühne über, was bei Anis Jouinis groovigen Basslinien auch nicht weiter verwunderlich war.

Egal, ob die Tunesier den neuen Song "Dance“ oder einen Klassiker wie "Merciless Times“ anstimmten – die orientalischen Melodien luden den ganzen Club zum Tanzen ein, sodass nicht nur der ein oder andere Fan fleißig versuchte, die atemberaubenden Bauchtanz-Kunststücke auf der Bühne zu imitieren, sondern auch drei Rentner es sich nicht nehmen ließen, umstehende Fans mit feurigen Tanzeinlagen zu beeindrucken. Und das trotz Krückstock – Respekt!

Ernste Töne in einem tanzlastigen Set

Doch mit "Get Your Freedom Back“ schlugen die Tunesier auch ernstere Töne an. Der Song, welcher die Ereignisse des arabischen Frühlings behandelt, stellt ein eindrucksvolles Plädoyer für die Meinungsfreiheit dar, welche man sich weder von Links noch von Rechts nehmen lassen sollte. Eine willkommene Abwechslung im sonst meist übermäßig fröhlichen Power-Metal-Genre, welche noch lange nach dem Konzert zum Nachdenken anregen sollte.

Nach zwölf Songs und dem abschließenden "Tales Of The Sands“ war dann erst einmal Schluss, sodass schnell die ersten Zugaben-Rufe ertönten. Die ließ sich MYRATH selbstverständlich nicht nehmen und so kehrte die Truppe für drei weitere Lieder auf die Bühne zurück. So wurde der wahrscheinlich bekannteste Song der Band, "Believer“, vom Stuttgarter Publikum gebührend abgefeiert, bevor mit "Beyond The Stars“ der letzte Song des Abends erklang.

Zurück blieb ein begeistertes Publikum, welches sich von den orientalischen Klängen und der tollen Performance der Band in ihren Bann hatte schlagen lassen. Immer bodenständig und fannah – Sänger Zaher Zorgati performte einen halben Song aus der Menge heraus –, präsentierten sich MYRATH als eine hervorragende Live-Band, die ihre eigene Nische gefunden hat.

Nach getaner Pflicht ging es auch für mich wieder nach Hause, ohne jedoch einige eindringliche Worte aus dem Kopf zu bekommen: “Fight everyday for your freedom of mind.“

Setlist (ohne Gewähr):

  1. Born To Survive (Neuer Song)
  2. Storm Of Lies
  3. Dance (Neuer Song)
  4. Wide Shut
  5. Merciless Times
  6. Get Your Freedom Back
  7. Endure The Silence
  8. Nobody's Lives
  9. Madness
  10. Sour Sigh
  11. The Unburnt
  12. Tales Of The Sands
  13. Jasmin
  14. Believer
  15. Neuer Song (Titel unbekannt)
  16. Beyond The Stars