Als der letzte Song des Abends ertönte, stand Stuttgart Kopf. Während ALAZKA auf der Bühne ein letztes Mal alles gaben, schrien die Zuschauer die Lyrics der heißgeliebten Songs in die Nacht hinaus. Ekstatisch feierte das Stuttgarter Publikum seine neuen Core-Lieblinge, während über ihren Köpfen die Bandmitglieder von POLARIS und THE PLOT IN YOU gar nicht mehr mit dem Crowdsurfen aufhören wollten. Ein würdiger Schlusspunkt für einen tollen Konzertabend, dessen triumphaler Verlauf zuerst jedoch alles andere als absehbar war.
THE PLOT IN YOU auf Motivationssuche
Mit den Amerikanern von THE PLOT IN YOU gestaltete sich der Beginn des Abends nämlich ausgesprochen zäh. Ausgestattet mit der Motivation eines gelangweilten Tankstellenarbeiters aus der Wüste von Nevada, zockte sich das Quartett durch das sieben Songs starke Set, ohne auch nur ein Fünkchen Lust erkennen zu lassen. Das überaus simple und an Komplexität schwer zu unterbietende Songwriting tat sein Übriges, um auch das letzte Kopfnicken im Publikum zu ersticken. Bei allem Verständnis für die Härte des Tourlebens: Wer so lethargisch auf der Bühne steht, muss sich nicht wundern, wenn das auch klar und deutlich zu Papier gebracht wird. Schade, hatte uns das neue Werk der Jungs im Review durchaus Spaß bereitet.
POLARIS an, Aggressionslevel auf Anschlag
Somit versprach der Szenenwechsel zum zweiten Support-Act des Abends eine deutliche Verbesserung. Schlimmer konnte es kaum noch werden. Und tatsächlich stellten sich POLARIS schnell als das benötigte Kontrastprogramm heraus. Ein gutes Stück härter in der Gangart, fegten die Australier gründlicher über die Bühne als die schwäbische Kehrwoche. Fronter Jamie Hills brach über den kleinen Club herein wie ein Orkan und brauchte nur wenige Sekunden, um die Angereisten auf Hochtouren zu bringen.
Mit Mosh und Circle Pits sowie einer überaus brutalen Wall of Death kam jeder Liebhaber metallischer Ganzkörpermassagen voll auf seine Kosten. Dem ein oder anderen zog dieser Schmelztiegel der Gewalt sogar den Geldbeutel aus der Tasche, welcher von einem mitdenkenden Fan schnell zur Bar gebracht wurde. POLARIS überzeugten mit einer unwiderstehlichen Live-Präsenz, die davon zeugte mit welcher Leidenschaft die Australier ihr Handwerk betreiben. Nach einer knappen halben Stunde beendete das Quintett seine Show schließlich viel zu früh, hinterließ aber eine Menge neuer Fans, die es sich nicht nehmen lassen dürften, den Jungs beim nächsten Mal wieder einen Besuch abzustatten.
ALAZKA werden ihrem Ruf gerecht
Die Bühne war also bereit für ALAZKA, das Publikum heiß. Nicht umsonst war das CANN an diesem Abend ausverkauft, ist das Debütalbum der Recklinghausener vergangenen Sommer doch eingeschlagen wie eine Bombe. Obwohl der sehr melodiöse Ansatz der Melodic-Hardcore-Gruppe nicht jedem liegt – auch an diesem Abend war der ein oder andere abwertende Kommentar zu hören – konnten die Jungs etliche Kritiker überzeugen und regelmäßig Höchstwertungen einfahren. (Auch wir waren begeistert!)
Dass die Jungs nicht viel von aufgesetzter Brutalität halten, wurde den Anwesenden spätestens beim Intro "Echoes“ klar, welches mit elektronischen Gitarren-Spielereien die Ausrichtung des Abends vorweg nahm. Mit ihrer grundsätzlich positiven Einstellung enterte der Sechser die Bühne und konnte von der ersten Minute an auf die stimmkräftige Unterstützung der Stuttgarter Corefans setzen. Egal, ob die Single "Empty Throne“, "Hearts Of Gold“ oder "Phoenix“ - die eingängigen Melodien hallten, getragen von dreihundert Stimmen, bis in die Katakomben des CANNs. Fliegend wechselten sich Shouter Tobias Rische und der modisch eigenwillige Sänger Kassim Auale in ihren Parts ab, während Gitarrist Marvin Bruckwilder schon nach wenigen Minuten völlig verschwitzt über die Bühne stapfte.
Unglaublich sympathisch im Auftreten ließen ALAZKA ihren Emotionen auf der Bühne freien Lauf und tanzten völlig befreit vor ihren Fans, während diese die Truppe ordentlich abfeierten. Mit "Everything“ hatten die Jungs schließlich noch ihren magischen Moment, als Sänger Kassim im Licht unzähliger Handylampen eine tragische Liebesgeschichte vortrug, was manch einem dann aber doch zu viel des Guten war. Die flotte Rückkehr der Reklinghausener zu rockigerem Material konnte jedoch Schlimmeres verhindern.
Ein ungewöhnlich menschlicher Abend
ALAZKA lieferten in Stuttgart ein erfrischend anderes Core-Konzert ab. Ganz ohne auf dicke Hose zu machen, überzeugte das Sextett mit seiner positiven Ausstrahlung, toller Live-Präsenz und der omnipräsenten Dankbarkeit gegenüber den eigenen Fans. Das mag alles zugegebenermaßen kitschig klingen, ist jedoch in einer Szene, in der Brutalität nur um der Brutalität Willen einen viel zu hohen Stellenwert genießt, eine willkommene Abwechslung. Als ALAZKA ihre Fans aufforderten, für POLARIS und THE PLOT IN YOU Spalier zu stehen und diese für den letzten Song auf die Bühne baten, unterstrich dies nur die Menschlichkeit und Bodenständigkeit der Gruppe. Der Rest ist Geschichte.