Einem geschenkten Gaul schaut man nicht ins Maul, doch wenn selbst ein kostenloses Konzert zwei Stunden nach der geplanten Uhrzeit auf der Homepage des Kaps beginnt, zweifelt man doch am Preis-Leistungs-Verhältnis und überlegt sich, den Abend vielleicht doch woanders zu verbringen.
Wir begeben uns also um Punkt 19 Uhr zur kleinen Bar mit kuscheliger Bühne im Untergeschoss, wo bereits einige angetrunkene Stammgäste ihr Bier schlürfen und den Musikern beim Soundcheck zusehen. Das Kap Tormentoso bietet mit seinem rustikalen, maritimen und gemütlichen Flair eine wunderschöne Atmosphäre für einen musikalischen Abend und die Vorfreude steigt.
Als jedoch nach einer Stunde nun gar nichts mehr passiert und wir stattdessen die Musiker oben gemeinsam ein Abendessen verspeisen sehen, entschließen wir uns dann doch zu einem kleineren Spaziergang durch Stuttgarts Nightlife. Zurückgekehrt ist immer noch nichts los und wir fragen uns, ob man extra eine falsche Uhrzeit angegeben hat, um treue Fans zu vergraulen – dafür auf jeden Fall ein Daumen nach unten. Ob das der Fehler der Band oder der Bar war, wissen wir natürlich nicht, aber stundenlang in der verrauchten Bar warten zu müssen, lässt jeglichen Spaß verderben.
JOEY VOODOO
Endlich, etwa um 21 Uhr, betreten JOEY VOODOO aus Mannheim die Bühne. Im Vergleich zum Soundcheck sehen die vier Musiker gänzlich ausgetauscht aus. Knallbunte Leggins, Glitzerwesten, Zebramuster, ja, Karneval ist angesagt. Besonders der Sänger scheint komplett in seinem Element zu sein und die Lyrics mit Gesten und Mimik pantomimisch darzustellen, was unter anderem auch zu Zuckungen bei den funky Songs führt. Songs wie „Concrete Jungle“, „Dye Your Hair“ und „Break Neck Banshee“ begeistern das noch recht spärliche Publikum von etwa 20 Leuten.
Von rotierenden Rastas bis hin zu sorgsam platzierter Gitarre bei engen Leggins und 80er Sonnenbrille lässt sich der Auftritt beschreiben und besonders das balladenartige „Never Regret Me“ spricht mich an. Besonders, da JOEY VOODOO hier ihre außerordentliche Livequalität auspacken können. Insgesamt lässt sich sagen, dass die Mannheimer die Bühne erst verlassen, als so gut wie fast jede anwesende Person die Musik gut findet, auch wenn es für den einen oder anderen zu viel des Funks gewesen sein mag. Es wurde bewiesen, dass das doch recht billige Erscheinungsbild nicht mit den tatsächlichen Rampensäuen in Einklang gebracht werden kann.
STEPFATHER FRED
Nachdem uns Joey verlassen hat, dürfen wir nach einer Umbauzeit auch schon Fred begrüßen, genau genommen STEPFATHER FRED, die ebenfalls vierköpfige Band aus Bayern, bei der Schlagzeuger Julius Dollinger heute ein Heimspiel hat. Und schon zeigen sich die ersten Fans in STEPFATHER FRED- Merch und langsam wird es doch etwas eng in der guten Stube.
Den Opener bietet „Prime Time“ aus dem erst kürzlich erschienenen Album „Enhancer“ und während sich die mittlerweile etwa 30 Zuschauer (von denen, wie sich herausstellte, die Hälfte Freunde und Bekannte von Julius waren) zunächst etwas verhalten zeigen, werden sie mit „Have A Good Time“ definitiv mutiger und ein zögerliches Rumgehüpfe beginnt. Und gerade, wo es doch so gut läuft, passiert schon die erste Panne: Bassist Matthias Gaßner haut so enthusiastisch in die Saiten, dass eine reißt. Nachdem zunächst eine kurze planlose Pause eingelegt wird, entschließen sich die Musiker mit noch intakten Instrumenten dazu, spontan den Song „Silence“ zum Besten zu geben, während Matze eine neue Saite aufspannt – super gelöst und geile Aktion!
Und schon geht es weiter mit der Albumsingle „I Have To End“, bei der eine erstaunliche Anzahl an Fans den Text laut mitsingt. Schon bald beginnt das große Schwitzen auf der Bühne. Auch der Sauerstoffgehalt im restlichen Teil der Bar sinkt dank der Kettenraucher. Die durch den Alkoholkonsum benebelten Gemüter beginnen, ordentlich Bewegung in die Bude zu bringen und unterscheiden dabei nicht zwischen alten Songs wie „Breakdown“ oder „Fuck“ und neuen Songs wie „This Is Me“ oder „One Second Alive“.
Natürlich liegt der Fokus dieser Album-Release-Tour auf den Songs des "Enhancer"-Albums, wobei mich besonders „Cut My Strings“ begeistert, jedoch der Sound im Kap Tormentoso doch recht miserabel ist, weshalb schwächere Songs, wie „My Way To You“ eher untergehen, trotz des obligatorischen „Wir strecken die Feuerzeuge in die Höhe und versuchen dabei, nicht die Haare des Nebenmanns anzuzünden“.
Insgesamt kann man dennoch besten Gewissens die Liveauftritte der Bühnenmeister STEPFATHER FRED weiter empfehlen, denn auch hier lässt sich sagen: Qualitativ ist die Show (abgesehen von der Technik) allererste Sahne. Das liegt neben der phänomenalen Stimme des Sängers auch besonders an der unglaublichen Leistung des Bassisten. Der Höhepunkt der Stimmung findet sich, als sich das Geheimnis um Matzes Mütze lüftet, als diese sich von seinem Kopf verabschiedet und die sich anschleichenden Geheimratsecken freilegt. Als dann auch die durchtanzten Partymäuse in engen Kleidern und High-Heels auftauchen, bleibt keiner von blauen Flecken verschont.
Nach 70 Minuten, inklusive der drei Zugabe-Songs und kleinerem Moshpit-artigem Rumgeschubse, ist der Auftritt auch schon vorbei und ich muss sagen, dass mich die Leistung beider Bands dermaßen beeindruckt hat, dass sie die lange Wartezeit fast schon wettgemacht hat, auch wenn noch ein etwas saurer Nachgeschmack beim Gedanken daran besteht. Dennoch: Beide Bands haben größere Bühnen verdient und es ist definitiv befriedigend zu sehen, dass das Publikum den Anstand hatte, Geld in den Spendenhut zu werfen. Denn dass von nichts nichts kommt, weiß auch der geizigste Schwabe.
Setlist JOEY VOODOO
Concrete Jungle
On The Run
Dye Your Hair
Break Neck Banshee
That Special Mood
Never Regret Me
Don't Make It Stop
Halo
Your Mama
Setlist STEPFATHER FRED
Prime Time
Have A Good Time
Silence
I Have To End
This Is Me
Breakdown
One Second Alive
Cut My Strings
Halo
Relief
My Way To You
The Pain
Full Metal Jacket
Fuck
Focus
Die Hard Live Fast
________
Caroline
Hands Up
Alone In The Ground