Geschrieben von Montag, 25 Juni 2018 13:21

Rage Against Racism 2018 - Der Festivalbericht mit Bildergalerie

Bereits zum 15. Mal lockt das Rage Against Racism Festival seine Besucher am ersten Juniwochenende zum Jugendzentrum "Die Mühle" nach Duisburg. Unter dem Motto "umsonst und draußen" gibt es hier mit zwei Tagen voller Heavy Metal ein mehr als lautes Signal gegen Rassismus und für Toleranz.

Rage against Racism 2018 – Der Freitag

Beinahe hätte die Jubiläumsausgabe des Festivals noch in letzter Minute abgesagt werden müssen. Aufgrund der Unwetter der vorherigen Woche war der komplette Platz vor der Bühne überflutet. Aber dank vieler fleißiger Helfer konnte das Wasser im wahrsten Sinne des Wortes Eimer für Eimer abgeschöpft werden, so dass der Eröffnung des Festivals am Freitagnachmittag nichts mehr im Wege steht.

Neben 15 Bands und dem klassischen Festivalrahmenprogramm, bestehend aus Bier- und Metstand, Merchandise, Pizzawagen und Grillstation (wieder inklusive diverser veganer und vegetarischer Optionen), gibt es in diesem Jahr erstmalig die so genannte "Rage Kids Zone", in der der Nachwuchs bis zum frühen Abend mit Spielen und Kinderschminken bei Laune gehalten wird, während die Eltern vor der Bühne ihren Lieblingsbands zuhören können. Es kommt nicht wirklich überraschend, dass zu späterer Stunde der eine oder andere im Gesicht pink-rosa glitzernde Schmetterling Bandshirt und Kutte trägt und auch manch ein furchtloser Tiger das passende Fell gleich selbst mitbringt.

Der Festivalauftakt mit CALL OF CHARON und NIGHT IN GALES

Pünktlich um 16 Uhr geht es mit den Duisburger Lokalmatadoren von CALL OF CHARON los. Die Formation spielt Metalcore, wie man ihn sich vorstellt – druckvoll und aggressiv kämpfen sie mit Songs wie "Salvation Bullet" erfolgreich gegen das leider noch suboptimale Wetter an und äußern nach jedem Song ihre Freude darüber, dass der Platz trotz Regen immer voller wird. Gegen Ende des Sets wird es zu "Misery" fast ein bisschen deathmetallisch, ehe die Band zum Finale noch von HAIL TO INHERIT-Sänger Bernd unterstützt wird.

Nach einer kurzen Umbaupause übernehmen dann NIGHT IN GALES aus Voerde. Der Sound und das Wetter zicken mittlerweile leider um die Wette, die mittlerweile recht zahlreich erschienenen Besuche stört das aber weniger. Der treibende Melodic Death Metal kommt an und Songs wie das finale "The Abyss" und insbesondere "The Rotten Bone" finden sich alsbald auch in meiner persönlichen Playlist wieder.

Besuch aus den Nachbarländern: BURNING WITCHES und GOD DETHRONED

Burning Witches

Nach den beiden lokalen Bands zum Auftakt geht es weiter mit den BURNING WITCHES aus der Schweiz, die ihren Manager Schmier, sonst eher an Mikro und Bass bei den Thrashern von DESTRUCTION zu finden, auch direkt mitgebracht haben.

Die Schweizer Band um Frontfrau Seraina überzeugt mit oldschooligem Metal, der irgendwo zwischen JUDAS PRIEST, IRON MAIDEN und (um auch eine weibliche Stimme zu nennen) WARLOCK anzusiedeln ist. Egal ob eigene Songs wie "Black Widow" oder die DIO-Coverversion "Holy Diver", die BURNING WITCHES sorgen dafür, dass ihm Publikum niemand mehr CAGES (die von den Witches kurzfristig ersetzt wurden) vermisst – so werden sie nach dem finalen "Burning Witches" hochverdient mit Zugabe-Rufen bedacht.

Der erste Festivaltag nähert sich dem Ende und es gibt noch einmal Besuch aus der Nachbarschaft: GOD DETHRONED aus den Niederlanden sorgen für todesmetallisches Kontrastprogramm. Songs wie "Viva Vampiria" und "Annihilation Crusade" rütteln auch die Fans in den hinteren Reihen ordentlich durch und auch Petrus scheint sich eher nicht mit dem Quartett anlegen zu wollen. Der Himmel klart endlich etwas auf und es ist Zeit für den ersten Headliner des Festivals.

"Was macht man, wenn die Stimmung kocht? – Eine Ballade spielen" – Das Freitags-Finale mit XANDRIA

Xandria

Nach der eher turbulent-unschönen Trennung von ihrer bisherigen Sängerin Diane van Giersbergen, spielen XANDRIA bei Rage Against Racism ihr erstes Konzert nach sieben Monaten Bühnenabstinenz. Unterstützt werden sie hierbei, wie schon bei ihren vorherigen Konzerten, von Sängerin Aeva Maurelle, die sonst bei AEVERIUM hinter dem Mikrofon zu finden ist. Aeva Maurelle überzeugt hierbei nicht nur stimmlich, sondern auch durch charmante Ansagen und einen souveränen Umgang mit der schmutzigen Trennungswäsche ("Hattest Du nicht mal schwarze Haare?").

Generell klingen XANDRIA deutlich besser als der seichte Mädchen-Metal, den ich eigentlich erwartet hatte, hier und da blitzt sogar mal so etwas wie ein kleiner Blastbeat am Schlagzeug durch und spätestens beim "dem brauen Pack" gewidmeten "We are murderers" ist die Stimmung auf dem Höhepunkt. Als Zugabe gibt es dann noch "Burn me" und "Valentine" und ein erfolgreicher erster Festivaltag neigt sich seinem Ende zu.

Rage Against Racism 2018 – Der Samstag

Frühschoppen bei Bier und Blasmusik: Das MUSIKCORPS HOHENBUDBERG

Blasmusik gehört auf einem Metal-Festival ja beinahe schon zum guten Ton, egal ob die Wacken Firefighters oder die Blaskapelle Illenschwang, zum Auftakt darf es gern mal genrefremd sein. Und als Metalschreiberling mit Blasmusik-Background ist es für mich mehr als überfällig, endlich mal über eine Formation aus meinem Heimatgenre berichten zu können.

Bei einem Festivalauftritt hat man als Musikverein im Wesentlichen zwei Optionen: Entweder man spielt traditionelle Dicke-Backen-Musik, wie man sie sonst im Bierzelt hört, oder man sucht sich die härtesten Orchesterstücke heraus, die das eigene Repertoire zu bieten hat. Sicherlich auch dem teils zweifelhaft-militärischen Ursprung der ersten Option geschuldet, entscheidet sich das MUSIKCORPS HOHENBUDBERG für die zweite Variante: Nach traditionellem Bergmanns-Auftakt mit "Glück auf" gibt es vor allem Rock- und Popklassiker von PHIL COLLINS und IRENE CARA zu hören.

Etwas härter wird es dann am Ende des Auftritts mit den Hardrock-Klassikern "Smoke on the Water" und "Highway to Hell". Das klingt initial alles erst einmal ein bisschen gewöhnungsbedürftig, und wie die meisten Blasorchester leiden auch die Hohenbudberger unter einer nicht ganz harmonischen Instrumentenverteilung innerhalb des Orchesters (und da steckt man als Laienorchester einfach nicht drin): Die Trompeten ein bisschen zu laut, die hohen Holzbläser zwischendurch ein bisschen zu leise, aber zusammengehalten durch eine starke Rhythmussektion holt das Orchester raus was geht, und den noch nicht so zahlreich anwesenden Festivalbesuchern scheint die Kombination aus Konterbier und Blasmusik durchaus zu gefallen.

Knüppelmusik von CONTRA und DECAPTACON

Contra

Mit CONTRA "aus'm verf***ten Ruhrpott" geht es dann zurück in Richtung Metal – genauer gesagt ins Core-Subgenre. Songs wie "The Fog" wecken auch den letzten noch verschlafenen Festivalbesucher auf und das Gelände scheint sich generell quasi schlagartig gefüllt zu haben. Wo kommen plötzlich die ganzen Leute her? Nicht nur musikalisch überzeugen CONTRA auf ganzer Linie, auch optisch setzt insbesondere ihr Sänger mit seiner Shirtwahl ein klares Zeichen gegen Rassismus und macht dem Bandnamen alle Ehre.

Nach CONTRA betreten DECAPTACON aus Essen die Bühne. Als Gewinner des Battles um den Warm-Up-Slot hätten sie eigentlich als erste Band des Tages auftreten sollen, aufgrund von Terminproblemen wurde der Slot kurzerhand mit der Vorgängerband getauscht. DECAPTACON überzeugen mit brachialem Death Metal und aussagekräftigen Lyrics. Gerade das Ungerechtigkeit anprangernde "Lie of Equality" und das brutale "Blackened Sky" hinterlassen einen bleibenden Eindruck – den Slot hat die absolute richtige Band gewonnen.

Zurück zu den Wurzeln mit IGNITION und TYLER LEADS

IGNITION aus dem Saarland schlagen im Anschluss wieder melodischere Töne an. Unterstützt werden sie hierbei aushilfsweise von Patrick Lindenberg am Bass, da Hauptbassist Christian Pauli leider aufgrund eines gebrochenen Fingers ausfällt. Ganz arbeitslos ist dieser trotzdem nicht, darf er sich doch weiterhin an den Backing Vocals austoben.

Songs wie "Unstoppable" und "Into the Battle" gehen ins Ohr und mit "We feel my Way" gibt es laut Sänger Riccardo Prato sogar noch "was zum Tanzen". Auch IGNITION erinnern in ihren Ansagen daran, auf welcher Art Festival wir uns befinden und widmen das finale "We are the Force" allen Festivalbesuchern und -organisatoren.

Tyler Leads

Weiter geht es mit TYLER LEADS – die Jungs aus Recklinghausen spielen oldschooligen Hardock mit punkiger Attitüte und legen auf der Bühne eine Agilität an den Tag, dass man als Zuschauer das Gefühl hat, doppelt zu sehen. Nur um festzustellen, dass es sich doch eher um das Brüderpaar Johnny und Freddy Kovacs handelt und nicht um eine Flash-ähnliche Gestalt, die fliegend zwischen Gesang und Gitarre wechselt. Kurzum – TYLER LEADS machen richtig viel Spaß, der Platz vor der Bühne ist gefüllt und das Wetter spielt auch endlich mit ... genau so muss ein es sein, damit Festivalstimmung aufkommt.

Verfluchte Seehexen bei KAMBRIUM ...

Auf dem denkbar undankbaren Slot nach TYLER LEADS sind glücklicherweise KAMBRIUM gelandet. Live immer eine sichere Bank, strauchelt das Quintett am Anfang zwar aufgrund leichter Soundprobleme, fängt sich aber schnell und spielt ein überzeugendes Set mit Songs aus mittlerweile fast zehn Jahren Bandgeschichte. Als besonderes Highlight gibt es für die Fans mit "Dawn of the Five Suns" bereits einen Vorgeschmack auf das im November erscheinende neue Album.

Dem Publikum gefällt's und der Moshpit wächst von Song zu Song. Auch der Aufforderung "der brauen Scheiße den Mittelfinger zu zeigen" kommen die Festivalbesucher gern nach. Als Zugabe gibt es am Ende noch eine Coverversion von PAINs "Shut your Mouth" und ich halte für mich fest, dass es dringend Zeit wird, von KAMBRIUM mal wieder ein volles Set zu sehen.

… und die obligatorischen Festivalpiraten STORM SEEKER

Nach einem turbulenten Jahresbeginn befinden sich die Freibeuter von STORM SEEKER langsam wieder in ruhigen Gewässern. Nachdem Gitarrist Patrick die Band im Februar verlassen hatte, musste ein Nachfolger her – es folgte ein fröhliches Bäumchen wechsel Dich mit dem Resultat, dass der bisherige Drummer Olaf nun die Gitarre beziehen darf. KAMBRIUM und insbesondere TYLER LEADS haben gut vorgelegt, aber bei STORM SEEKER erreicht die Stimmung ihren absoluten Höhepunkt – egal, ob beim Sing-Along zu "Destined Course" oder der Polonaise zu "Chop their Head", das Publikum frisst der Neusser Piratenfraktion aus der Hand und die Premiere in neu gemischter Besetzung ist mehr als geglückt.

Ruhrpott-Thrash, Rock'n'Roll und das große Finale mit DARKNESS, PYOGENESIS und ROTTING CHRIST

Pyogenesis

Am frühen Abend dürfen die Töne gern wieder ein bisschen härter sein – es ist Zeit für Thrash Metal von DARKNESS. Laut, hart und schnell sind die "150 kg Grobmotorik", wie Drummer Lacky von Frontmann Lee etwas uncharmant genannt wird. Für das Drumset zu viel des Guten und es kommt zu einer kleinen Unterbrechung im Set. Glücklicherweise ist schnell für Ersatz gesorgt und DARKNESS können ihr Set zu Ende spielen.

Den Auftritt von PYOGENESIS bekomme ich vor allem aus der Ferne mit, aber was ich höre, erinnert durchaus an VOLBEAT und kommt auch beim Publikum mehr als gut an. Die Truppe aus Stuttgart macht Musik für die ganze Familie, da verwundert es nicht, dass am Ende einer der jüngsten Festivalbesucher mit seinen 8 Jahren zum ersten Mal in seinem Leben stagediven darf.

Passend zur späten Stunde wird es mit dem zweiten Headliner ROTTING CHRIST aus Griechenland wieder düsterer. Mal dunkel-melancholisch, mal treibend-aggressiv sorgt die Band um Sakis Tolis für ein würdiges Finale. Mit Songs wie "Ze Nigmar" und "Demonon Vrosis" lassen die Gothic-Griechen auch den letzten Besucher vergessen, dass sie eigentlich "nur" der Ersatz für VADER sind.

Rotting Christ

Für mich geht es nach dem Auftritt müde aber glücklich zurück ins Hotel – auch das Rage Agaist Racism hat mich mit Sicherheit nicht zum letzten Mal gesehen.

Für alle, die sich den Termin bereits vormerken wollen: Die nächste Auflage des Festivals findet im kommenden Jahr am 21. und 22. Juni statt. Und für all jene, die VADER doch ein bisschen vermisst haben, gibt es auch eine gute Nachricht – diese sind nämlich bereits als einer der Headliner für 2019 bestätigt worden.

Sonja

Stile: Heavy- , Power-, Thrash-, Pagan-Metal, Hardrock, Prog 
Bands: Orden Ogan, Edguy, Running Wild, Anthrax, Annihilator, Rage, Alestorm, Airbourne