Vier Musiker und ein Schotte – PSYCHEDELIC BULLET
Moderiert von Eleftherios Mavros geht es am Nachmittag pünktlich um 15 Uhr mit PSYCHEDELIC BULLET aus Bad Pyrmont los. Die Formation um den schottischen Frontmann PJ überzeugt mit entspanntem Stoner Rock und sorgt für einen gelungenen Festivalauftakt bei bestem Wetter. Thematisch reichen die Songs von traumatisierenden Krankenhausaufenthalten in Bad Pyrmont bis zur Huldigung von Metal-Ikone Lemmy Kilmister und dem nach ihm benannten Drink, der an der passend verzierten Cocktailbar auch direkt käuflich erworben werden kann. Ein Freddie-Mercury-Gedächtnismikrofonständer rundet das Gesamtbild ab und PSYCHEDELIC BULLET kommen bei dem leider noch etwas überschaubaren Publikum gut an.
EXISTENCE FAILED – Nein, das ist kein Hardrock …
Meine Oma mochte keinen Käse, nein, sie hat Käse sogar gehasst – wenn man ihr aber die gute alte Käse-Hackfleisch-Suppe nur als "Hackfleisch-Suppe" vorgesetzt hat, war plötzlich alles unglaublich lecker und es wurde gerne mal nach einer zweiten Portion verlangt. Mir geht es so mit Metalcore. Steht Metalcore in der Running Order, stehe ich normalerweise am anderen Ende des Festivalgeländes an der Theke und kümmere mich um Flüssigkeitshaushalt und Alkoholpegel. Aber wenn ich es nicht weiß …
Fälschlicherweise als Hardrock-Band angekündigt, betreten als zweite Band des Tages EXISTENCE FAILED die Bühne des Fest Evils. Hardrock geht immer und bei strahlendem Sonnenschein erst recht, also bin ich freudig gespannt, was die Gruppe aus Marburg so zu bieten hat. Jedoch werde ich bereits beim Opener "Come Back Stronger" nach wenigen Takten stutzig – die Drums knüppeln doch ein bisschen zu sehr und der Gesang befindet sich irgendwo zwischen Growls und Screams – also Hardrock ist das nicht. Der Groschen fällt pfennigweise, doch irgendwann kommt die Erkenntnis: "Ok, Metalcore also – aber eigentlich gar nicht so übel."
Ergänzt durch gelegentlichen Klargesang und elektronisch angehauchte Passagen und mit dem einen oder anderen deutschen Song in der Setlist, locken EXISTENCE FAILED ein paar mehr Gäste in die Nähe der Bühne und die charmante Interaktion von Sänger Ken Ströher wird vollkommen zu Recht mit einem ersten Moshpit belohnt. Mein Hauptgenre wird es wohl nicht mehr, aber langsam aber sicher etabliert sich doch die Erkenntnis, wenn ich vorher nicht weiß, dass Metalcore drin ist, ist es musikalisch eigentlich gar nicht so unlecker.
"Wir brauchen mehr Kuhglocke" – Southern Rock mit GRIMGOD
Mit GRIMGOD geht es danach wieder in etwas gemäßigtere Metal-Gefilde. Irgendwo zwischen Hard Rock und Southern Metal angesiedelt, überzeugt das Trio aus Thüringen mit treibenden Grooves und Reibeisenstimme. Hatte der Sound auf der Festivalbühne vorher noch leichte Schwächen, klingt er bei GRIMGOD satt und ausgeglichen. Komplettiert wird das Gesamtbild durch eine energiegeladene Performance mit rotziger Rock'n'Roll-Attitüde (Zitat: "Wir heißen ja schließlich GRIM God, nicht HAPPY God!") – kurzum: GRIMGOD machen richtig Spaß!
"Vielleicht ist das auch besser, wenn der Verstärker aus ist" – HOPELEZZ aus Wuppertal
HOPELEZZ sind aus Wuppertal ins beschauliche Manrode gereist und laut eigener Aussage ansonsten auch auf allen sozialen Medien von Facebook über Pornhub bis YouTube zu finden. Die Band um Sänger Adrian Vorgerd mischt modernen Thrash mit einer Prise Death Metal und vielen selbstironischen Sprüchen. Technische Probleme sind bei Konzerten natürlich nie gut, aber wenn sie schon auftreten, dann doch bitte bei einer Band, die das Beste aus der Gesamtsituation macht und die Wartezeit auf einen funktionierende Verstärker comedytauglich überbrückt.
Auch musikalisch überzeugen HOPELEZZ – Songs wie "Insomnia" und das finale "Everything beneath" gehen gleichermaßen ins Ohr und auf die Nackenmuskulatur. Als Sahnehäubchen gibt es dann noch eine Coverversion des SEPULTURA-Klassikers "Roots Bloody Roots". Drummer Nik Gaidel groovt zwar minimal deutscher als Sepultura-Trommelschlumpf Eloy Casagrande, aber die dadurch gewonnene gradlinige Brutalität verleiht dem mittlerweile zu Tode gecoverten Song eine positive individuelle Note.
SEVEN THORNS – Besuch aus dem Nachbarland
Etwas später als geplant betreten als nächstes SEVEN THORNS aus Dänemark die Bühne, die bereits im vergangenen Jahr gemeinsam mit FREEDOM CALL, dem Headliner des Abends, unterwegs waren. Hatte ich die Band um Sänger Björn Asking seinerzeit in Siegburg noch als durchaus nett, aber in Summe doch etwas belanglos empfunden, muss ich meine Meinung heute doch revidieren. Ich weiß nicht, ob es seinerzeit am Sound, am Wetter oder an der persönlichen Laune gelegen hat, aber beim Fest Evil laufen SEVEN THORNS zu voller Größe auf.
Statt generisch-netter Powermetal-Melodien höre ich plötzlich barockartige Spielereien und sogar orientalische Anleihen bei "Crimson Moon". Aber auch das seinerzeit mit André Andersen aufgenommene "Eye of the Storm" und "Black Fortress" funktionieren unter freiem Himmel deutlich besser, als im sonst so gemütlichen (aber soundtechnisch suboptimalen) Kubana. Auch die Band hat sichtlich Spaß und gerade Bassist Mads Molbaek scheint den Auslauf, den die große Bühne bietet, sichtlich zu genießen. Übrig bleibt nur der eine kleine Kritikpunkt: Warum hat das "Mamma Mia"-Cover es wieder nicht in die Setlist geschafft? Das Ding macht wirklich Laune!
NOTHGARD – epischer Deggendorfer Death Metal
NOTHGARD war eine der Bands, auf die ich mich beim Rockharz am meisten gefreut hatte – doch dank des leider mäßigen Sounds auf der Dark Stage blieb der Auftritt leider hinter meinen Erwartungen zurück. Aber ähnlich wie ihre Vorgänger SEVEN THORNS nutzen auch NOTHGARD ihre zweite Chance und liefern ein überzeugendes Konzert ab.
Epischer Metal klingt eben doch besser, wenn man in Songs wie "Age of Pandora" und "In Blood Remains" auch die orchestralen Samples erkennt. Da stören die kurzzeitigen Stromausfälle, bei denen man für eine Millisekunde nur noch das unverstärkte Schlagzeug hört, deutlich weniger, als wenn der Sound permanent nur Brei ist – vor allem, wenn NOTHGARD aus der Not eine Tugend macht und die Setlist eben einfach mal um ein Drumsolo ergänzt.
Auch die mittlerweile zum Glück zahlreich vorhandenen Zuschauer wissen die Mühen der Band zu schätzen und würdigen den Auftritt durch ausgedehnte Moshpits, in denen auch die kleinsten Nachwuchsmetaller von den alten Hasen im Pit mit fast schon väterlicher Vorsicht ins kalte Metal-Wasser geschubst werden.
Finale Happy-Metal-Party mit FREEDOM CALL
So langsam wird es dunkel im idyllischen Manrode und die ersten Müdigkeitserscheinungen setzen ein – es wird also Zeit für eine geballte Ladung an Misanthropie grenzende Fröhlichkeit. Es wird Zeit für FREEDOM CALL. Nachdem Ramy Ali die Band leider vor einigen Wochen verlassen hat, betreten mit leichter Verspätung die Erlanger Happy-Metaller unterstützt von Dario Trennert, der für die Band an diesem Tag erstmals hinter den Drums sitzt, die Festivalbühne.
Nachdem ich in den vergangenen Monaten ganze drei Mal das Vergnügen hatte, die Truppe um Sänger Chris Bay live zu sehen, fällt mir tatsächlich nicht mehr so viel Neues ein, was man noch sagen könnte: Die einen lieben sie, die anderen hassen sie – und die Band grinst beiden Gruppen gleichermaßen fröhlich ins Gesicht. Wie üblich sind FREEDOM CALL live eine Bank und überzeugen ihr Publikum durch einen gelungenen Mix aus Klassikern wie "Union of the Strong" und mittlerweile gar nicht mehr so neuen Songs wie "Kings Rise and Fall" und "Hammer of the Gods". Und da kann das Bandmotto "Metal Is For Everyone" noch so vor Kitsch und Pathos triefen – einen wahren Kern hat es trotzdem, und spätestens beim Finale mit "Warriors" und "Land of the Light" hat jeder Festivalbesucher Spaß. Die einen hüpfend vor der Bühne … und die anderen halt trinkend an der Theke.
Eigentlich wäre nach FREEDOM CALL noch Zeit für CHAOS PATH – nachdem der Mix aus Death/Black und Thrash-Metal mit chaotischen Einflüssen mich aber im wachen Zustand beim Metal Diver Festival hinreichend überfordert hat, entscheide ich mich ob der späten Stunde für die vorzeitige Heimreise ins Sauerland.
Ein Fazit
Das Fest Evil in Manrode ist ein kleines, aber feines und sehr familiäres Festival, das seine Besucher mit einem ausgewogenen Genremix und sehr fairen Preisen auf den örtlichen Sportplatz lockt. An ein paar Dingen, wie der Technik auf der Bühne, kann sicherlich noch gearbeitet werden und langfristig freut der gemeine Vegetarier sich vielleicht auch über mehr als nur Pommes und Brötchen, aber das sind nur Details bei einem ansonsten sehr gelungenen Festival.