Aufgrund der Terminwahl war Schlimmeres hinsichtlich der Besucherzahlen befürchtet worden, vor allem, weil einige der potentiellen Gäste üblicherweise direkt nach einem Event wie dem PartySan noch im bierseligen Festivalkoma liegen und sich nur schwerlich aufraffen können, um sich einen weiteren Abend lang die Trommelfelle verprügeln zu lassen. Und so fanden überraschend viele Zuhörer den Weg in den gemütlichen Kellerclub in Hannovers Stadtteil Linden.
BROKEN HOPE – Umwerfender Death Metal aus Chicago
Den Anfang machten die gefühlt schon seit 50 Jahren existierenden BROKEN HOPE, die offensichtlich und glücklicherweise einfach nicht tot zu kriegen sind. Bereits seit 1988 aktiv, stand die Truppe Anfang der Neunziger Jahre eher für Todesmetal der stumpfen Sorte, mauserte sich dann immer mehr zu einer zwar sträflichst unterbewerteten, aber verlässlichen und musikalisch hochwertig agierenden Institution.
Die Jungs schienen auch an diesem Abend mächtig Bock zu haben, ihre Stücke von der Bühne zu pusten und bangten sich sprichwörtlich den stählernen Arsch ab. Dabei kramten sie Stücke aus fast ihrer gesamten Schaffensphase hervor. Der große Vorteil, den BROKEN HOPE auf ihrer Seite hatten, war die Tatsache, dass sie von Anfang an mit einem absolut fetten aber klaren Sound aufwarten konnten und so wirkte ihr Gig wie der berühmte Schlag in die Fresse – schmerzhaft, gewaltig, aber aufrüttelnd, aufregend und umwerfend. Und dies honorierten die anwesenden Gäste mit deutlichen Wohlwollensbekundungen.
ORIGIN spielen nur zu dritt ... und spalten die Gemüter
Kurz durchgeschnauft und schon standen wenige Minuten später ORIGIN auf den Brettern, eine aberwitzige und technisch absolut gestörte Band aus Kansas. Auf Platte ist die Band mit einem Orkan vergleichbar, live sind sie ein Magnet für die Musiker-Polizei, fegen aber trotzdem alles nieder. Dies ist in erster Linie ihrem Drummer John Longstreth zu verdanken, der mit seinen Drumcam-Videos nicht nur bei YouTube für herunterfallende Kinnladen sorgt, sondern auch im direkten Angesicht auf der Bühne zum absoluten Drum-Tier mutiert.
Auffällig war von Beginn an, dass ORIGIN an diesem Abend nur zu dritt auf der Bühne standen, Bassist Mike Flores war nicht von der Partie. Wenn ich es richtig mitbekommen habe, hatte dieser Befürchtungen, nach der Tour nicht mehr in die USA einreisen zu dürfen. Leider hatte dies deutlichen Einfluss auf den Sound der Band und so kam alles etwas dünn rüber, wurde aber durch extremste Blast-Attacken schnell wieder wett gemacht. Zumindest wurde unter Beweis gestellt, dass eine Wall Of Death mit lediglich sieben Teilnehmern funktionieren kann. Das Publikum war nach der Show gespaltener Meinung: Die einen waren glückselig und tirilierten, für andere war es wohl etwas viel des Guten.
MISERY INDEX ballern durch ihren Back-Katalog
Dann standen auch schon MISERY INDEX bereit um zu beweisen, warum sie als eine der führenden Bands im Death/Grind-Bereich gehandelt werden. Ohne neue Platte im Gepäck – lediglich einen vielversprechenden Track hat man mit dem Titel "I Disavow" neu auf der Pfanne – lassen sie es sich nicht nehmen, diesen feinen Tourtross anzuführen ... übrigens vor der geplanten Veröffentlichung des nächsten Albums im kommenden Jahr. Die Burschen um ex-DYING FETUS Urvieh Jason Netherton überzeugten auf ganzer Linie, ballerten sich durch ihre Alben und animierten dabei so manchen Gast zu recht abenteuerlichen Kletter- und Verrenkungsaktionen an der Clubdecke.
Apropos Club: Das "Bei Chèz Heinz" hat seit einiger Zeit mit recht großen Problemen zu kämpfen. Die Stadt Hannover plant den Neubau des nebenan liegenden Schwimmbades – allerdings ohne den im Keller liegenden Musikclub mit einzuplanen. Daher kämpfen die Betreiber und viele Unterstützer seit langem für den Erhalt des Clubs. Hoffen wir, dass Verantwortliche der Stadt Hannover noch umgestimmt werden können und dieser coole Laden auch nach dem Jahr 2021 noch an gleicher Stelle existieren wird. Falls es euch interessiert, findet ihr weitergehende Informationen hier.