Noch ganz unvertraut mit den Straßenzügen der Hafenstadt, grüßte nach kurzer Suche das Schild der "Pumpe", einem Veranstaltungsort mit Bühne, Kino und Kneipe, erlösend von der anderen Straßenseite. Die Konzertbesucher kannten an diesem Abend allerdings nur ein Ziel: Den "Roten Salon", welcher sich als kleiner Retro-Keller mit einem ungezwungenen und familiären Ambiente entpuppte.
Und obwohl der Beginn um 20 Uhr angekündigt wurde, scheine ich trotz meiner pünktlichen Ankunft die erste Vorband APPENDIXX zu meiner Schande tatsächlich ganz knapp verpasst zu haben.
BEESUS
Nach einem kurzen Soundcheck geht es mit den quirligen Italienern von BEESUS los, die einen Querschnitt aus ihren beiden Alben „The Rise Of Beesus“ und „Sgt. Beesus And The Lonely Ass Gangbang“ präsentieren. Und so Garagen-rockig ihre Musik ist, so ist auch ihr Auftritt – wie eine kleine Bandprobe mit aber ganzen stolzen zwölf Zuschauern.
Ein wenig unbeholfen, ein wenig abgefuckt, ein wenig verwirrt, aber insgesamt ziemlich niedlich und sympathisch präsentieren die vier Italiener ihr etwa halbstündiges Set. Während sich Sänger Jaco die Seele aus dem Leib schreit, scheint Pootchie ganz regelmäßig epileptische Hüpfanfälle zu erleiden, begleitet von Grimassen oder Gesichtsdehnübungen (man nenne es, wie man wolle). Drummer Adriano und Bassist Johnny hingegen bleiben ganz schwarz gekleidet im Halbdunkel der dunkelroten Beleuchtung und genießen den Trance-ähnlichen Zustand.
Und auch wenn sich die vier nicht immer ganz im Klaren darüber sind, was nun genau gespielt wird, und zwischendurch immer dieselben Parolen von sich geben, genießen BEESUS die ihnen zuteil werdende Aufmerksamkeit. Auch die erstaunlich kleine Community, die ihren Weg in die Pumpe gefunden hat, genießt das bunte Treiben, das sich ihr bietet. Mitwippend, aber dennoch auf Distanz und aus der Ferne betrachtend sind sich zwar nicht alle Anwesenden sicher, was sie von dem Schauspiel halten sollen. Dass BEESUS aber einen sympathischen Auftritt hingelegt haben – darüber sind sich alle einig.
ONDT BLOD
Da ich auf die Norweger von ONDT BLOD – oder auf gut Deutsch „Böses Blut“ – bereits auf dem diesjährigen Wacken einen Blick erhaschen konnte, wusste ich genau, was mich erwarten würde. Tatsächlich sind sogar Fans aus Hamburg extra angereist, um ONDT BLOD in dieser kleinen Location erleben zu können – und ja, es lohnt sich!
Mittlerweile ist die Zahl der Konzertgänger auf etwa 30 Köpfe gestiegen und ganz unangekündigt legt das Quintett los. Oftmals werden die Norweger musikalisch mit den Landesgenossen von KVELERTAK verglichen, die unter anderem für ihre publikumsnahen, aktiven Konzerte bekannt sind. Ob es am norwegischen Blut liegt, das den beiden Bands zu Grunde liegt, weiß ich nicht, doch auch ONDT BLOD können bei dem Vergleich mithalten.
ONDT BLOD brauchen keine Zeit zum Warmwerden, wenn losgelegt wird, dann gleich richtig. Sänger Aslak springt in seiner traditionellen Gewandung von der Bühne, kniet nieder, schmeißt sich auf den Boden, umarmt die Anwesenden, belohnt aktivere Fans mit einem High-Five und zieht, begleitet vom Pfeifen der Angetrunkeneren, sein Oberteil vom verschwitzten Körper.
Teils überfordert mit dem plötzlichen Abriss dauert es ein wenig, bis auch die Leute mitmachen. Doch unser Hamburger Freund bringt Schwung in die Bude, headbangt Arm in Arm mit Aslak, schreit Gitarristen an, die ganz animalisch zurück brüllen, während andere Fans jedem Bandmitglied im Laufe des Abends drei Bier ausgeben. Auch Ersatzbassist Nikolai macht einen unfassbar guten Job und bietet eine überzeugende Liveperformance, die auch soundtechnisch extrem gelungen ist.
Die teils poppigen Einlagen laden zu skurrilen Tänzen ein, und das Schönste ist: Es ist genügend Platz da, das zu tun, was man will. Seltsam sein, ausrasten, die Musik mit allen Körperteilen fühlen ist erlaubt und erwünscht. Besonders viele Songs der Neuerscheinung „Natur“ werden gespielt, doch auch die Songs des Debüts „Finnmark“ werden gebührend gefeiert.
Und plötzlich um Punkt 22 Uhr lässt Aslak sein Mikrofon auf der Bühne liegen und begibt sich ohne ein weiteres Wort nach hinten zum Merchandise Stand. CORONAs „Rhythm of the Night“ gefolgt von GOJIRAs „Stranded“ setzt ein. Das wars also? Ganz verwirrt bleiben die meisten noch stehen, doch bald setzt die Erkenntnis ein, dass das tatsächlich das Ende war und langsam bewegt sich die Meute in Richtung Ausgang – nicht jedoch, ohne vorher mit den Musikern geplaudert zu haben.
Dieser Abend hat sich definitiv in mein Hirn gebrannt als eines der irgendwie kuriosesten wie auch spannendsten Konzerte, die ich bisher erlebt habe. Für dieses intime Konzert im kleinen aber feinen Kiel haben ONDT BLOD die Sau rausgelassen! Gerne mehr von solchen kleinen süßen Privatkonzerten.