Das klaustrophobische Kellergewölbe der Konzert-Location ist zum Bersten gefüllt, die Luft zum Schneiden dick und Nebelschwaden ziehen über die Bühne, als CLAWFINGER zu einer auf den Bandnamen umgetexteten Version von Shirley Basseys "Goldfinger" die Bühne entern. Humorvoller Startschuss für ein mehr als 90-minütiges, energiegeladenes Live-Erlebnis.
Die Band startet gleich mit "Nigger" durch, unbestrittenes Highlight der Bandgeschichte, gefolgt vom legendären "The Truth" und spätestens beim ebenso groovigen wir harten "Rosegrove" gibt’s kein Halten mehr. Crowdsurfing, Moshpits, rhythmisches Klatschen (immer wieder begleitet von Drummer Micke Dahlén) – schon nach wenigen Songs ist zu spüren, wie das Publikum nach einem Auftritt der symphytischen Schweden gelechzt hat.
CLAWFINGER live – Energie, Enthusiasmus, Extase
Auch die Band ist bestens aufgelegt und hat sichtlich Spaß. Allen voran Frontmann Zak Tell (mittlerweile immerhin schon in den höheren 40ern) hüpft über die Bühne wie vor 20 Jahren. Nach einer knappen Viertelstunde sieht sein Muskelshirt aus, wie frisch aus der Waschmaschine gezogen. Die gerappten Verse ballert der Shouter in gewohnter Maschinengewehr-Manier heraus und ist stimmlich und konditionell in bemerkenswerter Verfassung.
Auf eine extrem schnelle Version von "Don’t Get Me Wrong" folgt das von Zak als "depressing love song" angekündigte "I Need You" – das erste Album wird komplett am Stück gespielt und anhand der enthusiastischen Reaktionen vor der Bühne bemerkt der Fronter begeistert: "It seems that these songs aged very well." Recht hat er! Bei "Catch Me" lässt er sich sogar selbst zum Stagediving hinreißen.
In Sachen Bühnenpräsenz steht ihm Keyboarder und Co-Vocalist Jocke Skog allerdings in nichts nach. Immer wieder jagt er von einem Ende der Bühne zum anderen, animiert das Publikum wie etwa beim explosiven "Warfair" zum Abgehen (was eigentlich kaum nötig ist) und hat mit einigen Albernheiten (z.B. Zak im Einkaufswagen über die Bühne schieben) die Lacher auf seiner Seite.
Bård Torstensen, hauptverantwortlicher Stakkato-Riffmaster der Band, präsentiert sich an der Rhythmus-Gitarre so tight und spielfreudig wie eh und je und kommt dank der prächtigen Stimmung der Zuhörerschaft aus dem Kopfschütteln und Dauergrinsen nicht mehr heraus. Mit André Skaug, seit jeher der Live-Bassist im CLAWFINGER-Lager, liefert er sich zudem ein ums andere Mal exzessive Headbanging-Battles.
Party, Gänsehaut und Sozialkritik – CLAWFINGER Gig in Bochum
Zum sozialkritischen "Wonderful World" bemerkt Zak nachdenklich, dass sich die Welt in den letzten 25 Jahren nicht gerade zum Positiven entwickelt hat. Trotz allen Spaßes, den CLAWFINGER auf der Bühne verkörpern, waren sie schon immer eine Band, die kritisch den Finger in die Wunde legt und sich in ihren Texten in erster Linie mit ernsthaften Themen auseinandersetzt.
"Sad To See Your Sorrow" und "I Don’t Care" beschließen den "Deaf Dumb Blind"-Part des Sets: "In 1993 the gig would have been over now", scherzt Zak – in 2018 ist er das glücklicherweise nicht.
Denn in der zweiten Hälfte präsentiert die Band noch einige Schmankerl der übrigen sechs Alben. Egal ob "Prisoners", "Nothing Going On" oder "Biggest & The Best" – auch wenn kein anderes CLAWFINGER-Album dieselbe Hitdichte wie das Debüt aufweist, haben die Jungs genug starkes Material, um ein zünftiges Live-Set zusammenzuschrauben.
Besondere Gänsehautstimmung bietet "The Price We Pay", dessen melancholisch-melodischer Streicherpart während Intro und Refrain minutenlang von den Fans mitgesungen wird.
Ein Zuschauer aus der ersten Reihe sorgt anschließend für Gelächter, als er sich nach anderthalb Stunden "Rosegrove" wünscht. Wir erinnern uns: Das Stück wurde an dritter Stelle des Gigs bereits gespielt. Zak ist sichtlich amüsiert: "That weed must be good", aber als besonderes Bonbon spielt die Band tatsächlich noch einmal das Intro des Songs.
Mit "Do What I Say" endet der Auftritt standesgemäß und eins ist klar: CLAWFINGER gehören noch lange nicht zum alten Eisen, von einer derartigen Live-Performance können zahlreiche Bands jüngerer Semester nur träumen. Sollen sich die Schweden Pausen gönnen, so viele sie wollen, wenn sie uns hin und wieder mit solchen Paukenschlägen beehren. Chapeau!
Setlist:
1. Nigger
2. The Truth
3. Rosegrove
4. Don't Get Me Wrong
5. I Need You
6. Catch Me
7. Warfair
8. Wonderful World
9. Sad to See Your Sorrow
10. I Don't Care
11. Prisoners
12. None the Wiser
13. Nothing Going On
14. Money Power Glory
15. Biggest & the Best
16. Recipe for Hate
17. The Price We Pay
18. Two Sides
19. Rosegrove Intro
20. Do What I Say
CLAWFINGER sind:
Zak Tell - Vocals
Jocke Skog - Keyboard, Vocals
Bård Torstensen - Rhythm Guitar
André Skaug - Bass Guitar
Micke Dahlén - Drums