Geschrieben von Donnerstag, 15 November 2018 10:22

Nightwish, Beast In Black - Der Konzertbericht aus der König-Pilsener-Arena, Oberhausen

Nightwish, Beast In Black - Der Konzertbericht aus der König-Pilsener-Arena, Oberhausen (c) Denis Goria

09.11.2018 – Meterhohe Feuer-Fontänen züngeln Richtung Hallendecke, Raketen fliegen durch die Luft, Feuerwerkstropfen fallen von der Decke. Es zischt, knallt und ist so heiß, dass selbst die Ränge die Hitze spüren. Die Bühne, auf der das Sextett steht, ist eine einzige riesige Video-Leinwand, auf der zu den Songs passende Projektionen und Videos gezeigt werden. Nein, wir sind nicht bei RAMMSTEIN, sondern NIGHTWISH, die auf ihrer "Decades"-Tour Halt in Oberhausen machen und den 11.000 angereisten Fans eine spektakuläre Show bieten – nicht nur optisch, sondern auch (und vor allem) musikalisch.

Pünktlich um 20:15 startet die Show mit einem Einspieler, in dem erzählt wird, wie schön es früher war, als sich die Zuschauer noch ohne Smartphones von der Show unterhalten ließen. Der Bitte, das Telefon einmal in der Tasche zu lassen und sich voll und ganz auf die Bühne zu konzentrieren, kommen an diesem Abend überraschend viele Zuschauer nach. Spätestens nachdem klar ist, dass das finnische Symphonic-Urgestein eine richtig fette Show liefern wird, werden die kleinen Quälgeister zwar wieder aus den Taschen gekramt, seine Ansprache hat das blinkende Symbol mit einem durchgestrichenen Telefon vor Beginn der Show aber nicht verfehlt – und sei es auch nur ein paar Songs lang. Ich persönlich habe vor wenigen Jahren ebenfalls ständig Fotos und Videos gemacht, lasse mein Handy während eines Konzerts mittlerweile generell eher in der Tasche – auch, weil es nach dem Auftritt zig Bilder und Videos im Netz gibt, die meistens besser sind als meine.

Sanfter Beginn, bis es so richtig kracht

Nach dem Ablauf des Countdowns werden die sehnsüchtig wartenden Fans von der sanften Melodie aus "Swanheart" überrascht, die Troy Donockley gefühlvoll anstimmt. Erst nach seinem Solo eröffnet das Duo "Dark Chest Of Wonders" und "Wish I Had An Angel" vom 2004er "Once" die spektakuläre Zeitreise in die NIGHTWISH-Historie. Viele der Songs wurden seit Jahren nicht live gespielt, erst recht nicht in dieser Konstellation. Besonders Anhänger der Tarja-Phase dürfen sich in den zwei Stunden, die der Auftritt dauert, über kraftvolle Darbietungen früher NIGHTWISH-Perlen und Raritäten freuen.

Floor Jansen, die perfekte Mischung aus wunderhübscher Frontlady und rockender Rampensau, interpretiert die alten Songs atemberaubend gut. Ich habe es oft genug geschrieben und ich tue es noch einmal: Diese Frau ist nicht nur die perfekte Frontfrau für NIGHTWISH, weil sie eben alles (!) unbeschreiblich gut singen kann, sondern eine der besten Sängerinnen im Metal-Zirkus überhaupt – gesegnet mit einer unheimlich einnehmenden Bühnenpräsenz und einem Draht zum Publikum.

Mit dem völlig unterbewerteten "10th Man Down", "Come Cover Me" und "Gethsemane" greift das Symphonic-Sextett tief in die NIGHTWISH-Schatzkiste, bevor mit "Élan" eine der wenigen neueren und eher verzichtbaren, aber stark abgefeierten Nummern vorgetragen wird. "Sacrament Of Wilderness", "Deep Silent Complete", die zu Tränen rührende Gänsehaut-Ballade "Dead Boy's Poem" und eine betörende Version des "Angels Fall First"-Openers "Elvenpath" läuten die nächste Runde an Klassikern ein, nach denen sich Hardcore-Fans die Finger lecken. Das eingängige "I Want My Tears Back" lässt die Meute tanzen, "Last Ride Of The Day" versprüht pure Epik.

Bunt gemischte Setlist mit Augenmerk auf frühe NIGHTWISH-Songs

Nach dem "Imaginaerum"-Doppel folgen die nächsten ewig nicht gespielten Nummern. Im uralten "The Carpenter" übernimmt Troy Donockley den männlichen Gesangspart, in "The Kinslayer" und dem düsteren "Devil & The Deep Dark Ocean" ist Marco Hietala dran. Dem gelingen die diabolischen Vocals allerdings nicht halb so gut, wie es die schnellen, rifflastigen Songs eigentlich nötig hätten. Mit "Nemo" und dem ewig guten "Slaying The Dreamer", leider der einzigen Nummer des famosen vierten Studioalbums "Century Child", hauen NIGHTWISH weiter auf den Putz, ohne sich und den Fans eine wirkliche Pause zu gönnen. Da macht es auch gar nichts, dass Floor glatt den Text der ersten Strophe vergisst und sich mehrmals zuckersüß entschuldigt, bevor sie zurück in die Spur findet.

Mit den ersten drei Parts aus "The Greatest Show On Earth" geben NIGHTWISH noch mal alles: Tuomas Holopainen verliert sich im Intro des Magnum Opus aus "Endless Forms Most Beautiful" völlig, während ihn Troy Donockley auf der Gitarre begleitet; Emppu Vuorinen rifft und soliert mit traumwandlerischer Sicherheit, während Marco Hietala seinen Bass schreddert, Kai Hahto drischt auf die Felle und Floor Jansen lässt sich von dem Publikum aus der Hand fressen. "Ghost Love Score", die perfekte Demonstration des NIGHTWISH-Sounds, beendet den Abend so dramatisch, wie er begann: Mit Feuer und Pyros, purer Leidenschaft und jeder Menge glücklicher Gesichter auf der Bühne und im Publikum.

"Decades Tour 2018": Eine ganz besondere Konzertreise

Spätestens nach Konzertende wird vielen Fans bewusst, dass die "Decades"-Tour eine ganz besondere Konzertreise ist, die man so vermutlich nicht noch mal erleben wird. Hoffentlich wird's einen Mitschnitt auf DVD oder CD geben – vielleicht dann auch mit "End Of All Hope" und "Amaranth", die auf der Nordamerika-Tour gespielt wurden. Es wäre einfach zu schade, wenn nicht.

Da ich von BEAST IN BLACK nur zwei Songs teilweise mitbekommen habe, ist kein wirkliches Urteil über deren Show möglich. Deshalb muss der Support in diesem Bericht leider außen vor bleiben.

Setlist NIGHTWISH

Swanheart (performed by Troy Donockley)
Dark Chest of Wonders
Wish I Had an Angel
10th Man Down
Come Cover Me
Gethsemane
Élan
Sacrament of Wilderness
Dead Boy's Poem
Elvenjig
Elvenpath
I Want My Tears Back
Last Ride of the Day
The Carpenter
The Kinslayer
Devil & The Deep Dark Ocean
Nemo
Slaying the Dreamer
The Greatest Show on Earth (Chapters I-III)
Ghost Love Score 

Chrischi

Stile: Metal und (Hard) Rock in fast allen Facetten

Bands: Metallica, Pearl Jam, Dream Theater, Iron Maiden, Nightwish ...