„Hamburg! Prepare to get destroyed!“ – Zugegeben, KREATOR ist ein gewisser Pathos nicht abzusprechen. Doch wer die deutsche Thrashlegende kennt, weiß, dass eben jener vollmundig geklopfte Spruch heute genauso Programm sein wird wie noch vor 30 Jahren. Die Spannung ist der inzwischen stark angetrunkenen Menge anzusehen, elektrisiert sogar die Ränge, während die letzten schnellen Fetzen antiker Gemälde über den beleuchteten Vorhang hetzen. KREATOR sind endlich wieder in Hamburg, jetzt bloß kein Stromausfall … Peng!
Doch von Anfang an. Wer sich an diesem Samstagabend als Konzertgänger endlich durch den vorweihnachtlichen Einkaufswahnsinn der Innenstadt geschlagen hat, dem droht an der Alsterdorfer Sporthalle gleich das nächste Übel. Die Schlange vor den Eingangstoren zieht sich bis um den nächsten Häuserblock. Wer seine Beine also nicht schon vor der Show unnötig belasten will, umgeht die gewaltige Menge an Metalfans und stellt sich an den Nebeneingängen an. Hach, Schwarmintelligenz und ihre Vorteile.
Bloodbath
Beim Betreten des teilweise abgehangenen Innenraums wird jedoch schnell klar, dass die geräumige Handball-Arena wohl doch einen Tick zu ambitioniert ausgefallen ist. So müssen sich die Stockholmer Death-Metaller von BLOODBATH mit einer recht lichten Aussicht begnügen. Ohnehin scheint die Mucke des Quintetts zu Beginn nur auf wenig Gegenliebe zu stoßen und lässt einiges an Arena-Tauglichkeit vermissen. In einem kleinen Club mag der groovige Death Metal vielleicht zünden, vor ein paar Tausend jedoch nicht.
Der schlechte Sound und eine starre Bühnenperformance entlocken so nicht mehr als ein gelegentliches Kopfnicken. Zu allem Übel fällt der Sound beim dritten Song schließlich vollständig aus, sodass die Schweden nur noch für sich selbst spielen und die Bühne verlassen müssen. Nach fünf Minuten ist das Problem behoben, BLOODBATH kehren unter tosendem Applaus – die Sympathien sind nun auf der Seite des Fünfers – zurück und bringen ihr gekürztes Set souverän zu Ende.
Hatebreed
Auch die amerikanische Hardcore-Institution HATEBREED hat in der Folge mit massiven Tonausfällen zu kämpfen, überspielt diese jedoch mit all der Routine aus 24 Jahren Bühnenerfahrung. Überhaupt fühlen sich die Amis auf der großen Bühne pudelwohl, animieren fleißig und rocken, was das Zeug hält.
Selbst Nicht-Hardcore-Fans lassen sich irgendwann von der Die-Hard-Crew anstecken, sodass der Moshpit respektable Ausmaße annimmt. HATEBREED mögen musikalisch nicht sonderlich gehaltvoll sein, erweisen sich dafür aber als umso sympathischer. Ohne Zweifel ein überragender Live-Kracher und eine würdige Vorband.
Dimmu Borgir
Deutlich ruhiger lässt es da der schwarzmetallische Headliner aus Norwegen angehen. Geradezu beruhigend starten DIMMU BORGIR mit dem aktuellen Albumopener "The Unveiling“ und kühlen die aufgeheizte Stimmung spürbar ab. In den folgenden 70 Minuten gibt es Musik zum Genießen und Schwelgen, die nicht wenige Metalheads den Kontakt zur Realität verlieren lässt. Kalte Lichter, Nebelschwaden und monotone Riffs kontrastieren den künstlichen Orchesterbombast der Superlative. DIMMU BORGIR faszinieren live ebenso sehr wie auf CD.
Trotzdem dürfte die aktuelle Ausrichtung der Band Wasser auf die Mühlen der vielen Backing-Track-Kritiker gießen. Ja, ein Orchester vom Band ist notwendig und absolut legitim, wenn aber ganze Refrains eingespielt werden müssen ("Interdimensional Summit“), muss mit Kritik gerechnet werden. Beeindruckend ist der Auftritt der Norweger nichtsdestotrotz, sodass "Mourning Palace“ letztlich den heiß ersehnten Schlusspunkt unter eine sehenswerte Show setzt.
Kreator
Zurück zu KREATOR – Peng! Ein lauter Knall und der Vorhang fällt. Die Thrashtitanen stürmen mit "Enemy Of God“ auf die Bühne, während die Zuschauer endgültig in Rage verfallen. „Totale Zerstörung!“, schreit Sänger Mille ins Mikrofon und bekommt umgehend geliefert. Zu "Hail To The Hordes“ und "Gods Of Violence“ droht der Moshpit die erste Reihe förmlich zu zerquetschen, die Security kann nur noch zusehen und versucht hilflos, Schadensbegrenzung zu betreiben. Die meterhohen Flammenfontänen während "Satan Is Real“ kippen allerdings nur noch mehr Benzin ins Feuer.
Technisch einwandfrei, betreiben KREATOR Fanservice auf höchstem Niveau. "Phantom Antichrist“, "Flag Of Hate“ und "Pleasure To Kill“ sind nur ein paar ausgewählte Namen des hochklassig zusammengestellten Sets. Nur Fronter Mille kann nicht immer an seine besten Tage anknüpfen und muss ein ums andere Mal nach Luft ringen. Letztlich interessiert das aber auch niemanden, die Leute bekommen, für was sie gezahlt haben. Eine zünftige Konzertapokalypse, bei der die Lamettakanonen irgendwie deplatziert wirken. Ein bisschen Spaß sei bei soviel Wut aber niemandem verwehrt.
Eine Tour für Feinschmecker
So geht ein unterhaltsamer Konzertabend schließlich zu Ende. Bei allen technischen Problemen, welche die Show in der Sporthalle mit sich brachte, bleibt "The European Apocalypse“ als eine der vielleicht hochwertigsten Tourneen des Konzertjahres 2018 in Erinnerung. Mit dem Line-Up haben sich die Organisatoren jedenfalls selbst übertroffen. KREATOR und DIMMU BORGIR zählen trotz ihrer langen Historie immer noch nicht zu den alten Eisen und machen schlicht und ergreifend Spaß wie eh und je. Das kann gerne noch ein paar Jahrzehnte so bleiben!