Der MS Connexion Complex öffnet pünktlich um 15 Uhr seine Pforten für die bereits zur frühen Stunde angereisten Fans, die dankbar in die warme Halle strömen. Der Chill-Out- und Food-Bereich wurde in den Innenhof verlagert – eine gute Idee für lauschige Frühlingstemperaturen, bei der kurzzeitigen Rückkehr des Winters am Konzerttag leider eher suboptimal. Aber der gemeine Metaller ist ja hart im Nehmen und setzt dann eben auf Wärme von Innen in Form von Burgern (auch vegan), Bratwurst, Pommes, Kaffee und natürlich dem einen oder anderen alkoholischen Getränk.
AIR RAID – New Wave of Swedish Heavy Metal
Eine knappe Stunde nach Einlass eröffnen AIR RAID aus Schweden den Festivaltag. Wenn eine Band schon heißt wie der Sänger eines der zentralsten Vertreters der New Wave of British Heavy Metal, weckt das natürlich gewisse Assoziationen und Erwartungen. Und auch wenn Sänger Fredrick Werner nicht ganz an Bruce Dickinson herankommt (aber wer tut das schon?), werden diese nicht enttäuscht.
Die jungen Wilden aus Schweden tragen stilecht Lederweste, Stirnband und enge Jeans und spielen druckvollen 80er-Jahre-Heavy-Metal mit allem, was dazugehört. Bereits der Opener "Aiming For The Sky" zeigt, wo die Reise für die jungen Schweden noch hinführen soll, nämlich ganz nach oben. AIR RAID nutzen ihre mit gut 35 Minuten leider knapp bemessene Spielzeit und spielen ein starkes Set, bei dem sich neben dem Opener vor allem das Riffmonster "Black Dawn" längerfristig im Gehörgang festsetzt. So darf es weitergehen.
ARION – Second Wave of Finnish Power Metal
Noch ein bisschen jünger als AIR RAID und noch nördlicher daheim sind ARION aus Finnland, die aktuell mit ihren Landsleuten von BATTLE BEAST auf großer Europatour unterwegs sind. Nach der Oldschool-Variante des Vorgängers gibt es nun modernen Power Metal mit guten Ansätzen, der allerdings noch ein wenig auf der Suche nach dem Alleinstellungsmerkmal ist.
Das Potential ist in jedem Fall vorhanden – die Saitenfraktion um Iivo Kaipainen an der Gitarre und Gege Velinov am Bass ist ein eingespieltes Team und auch an der Schlagzeugarbeit von Topias Kupiainen gibt es nichts zu bemängeln. Arttu Vauhkonen am Keyboard wirkt zeitweise etwas unterbeschäftigt, aber darf immerhin bei der Ballade "You're My Melody" glänzen. Sänger Lassi Vääränen ist mit seiner markanten und eher im mittleren Register angesiedelten Stimme ein weiterer Beweis dafür, dass die Ära der Eunuchen im Power Metal vorbei ist.
RAM – Nochmal oldschool, nochmal Schweden
Wie bereits AIR RAID stammen auch RAM aus Schweden und sind zwar etwas älter, aber kein bisschen leiser. Nach dem kurzen Exkurs in Richtung Power Metal geht es zurück in die glorreichen Achtziger, und wie schon bei AIR RAID gibt es traditionelle Riffs, verpackt in Nieten und Leder. RAM verlieren zwischen den Songs nicht viele Worte, schwingen die Gitarren stilecht synchron zur Musik und liefern eine solide Show. Im direkten Vergleich (der sich bei der Vielzahl der Gemeinsamkeiten zwischen den beiden Bands leider aufdrängt) schneiden AIR RAID allerdings etwas besser ab.
DOUBLE CRUSH SYNDROME – "Noch 12 Minuten Spielzeit? Das sind ja sechs Lieder!"
Die musikalische Karriere von Andy Brings begann im Jahre 1991 im zarten Alter von 19 Jahren bei den Ruhrpott Thrashern von SODOM. 27 Jahre später betritt er nun in silberglitzernder Skinnyjeans, transparentem Top und mit Eyeliner und verschmiertem Lippenstift als Frontmann seiner Band DOUBLE CRUSH SYDROME die Bühne. Gott sei Dank, aus dem Jungen ist also doch noch was Gescheites geworden.
Wie Brings selbst sind DOUBLE CRUSH SYNDROME aufgekratzt, rotzig und mit liebenswerter "Fuck you"-Attitüde gesegnet. Songs wie "She's A Pistol" und "Yeah! Pain!" passen auf den ersten Blick so gar nicht in das ansonsten doch eher traditionell angehauchte Billing. Nach einer kurzen Akklimatisierungsphase überträgt sich die Energie von der Bühne aber auf das Publikum, was wiederum von der Band dankend angenommen wird. Man kann nicht sagen, was mehr Spaß macht, die Songs oder Brings unverblümte Ansagen: Egal, ob das lokale Publikum ("Seid ihr Schwaben oder die anderen?"), er selbst ("Ich bin aus'm Ruhrpott – ich weiß gar nichts"), Genregrößen ("Der nächste Song ist bei AVANTASIA geklaut … nur geiler!") oder der Headliner des Abends ("Viel Spaß bei BATTLE BEAST *hust* IN BLACK") – bei Brings bekommt jeder sein Fett weg.
Auch hier geht die Zeit viel zu schnell um, und nach einer knappen Stunde verabschieden sich DOUBLE CRUSH SYNDROME mit ein wenig SKID ROW vom Publikum. Ehe für das finale Cover von "Breaking The Law" Brings und Drummer Jason-Steve Mageney die Plätze tauschen und Bassist Slick Prolidol sich wie schon zuvor bei "And They Say We Are The Freaks" nochmal am Gesang austoben darf. Ein grandioser Auftritt, oder um es zum Abschluss noch einmal mit Brings Worten zu sagen: "Gebt es zu, damit [dass es so gut wird] habt Ihr nicht gerechnet … ich schon!"
VICIOUS RUMOURS – Aller guten Dinge sind Drei
Nach einem derartigen Auftritt hat die nachfolgende Band es natürlich nicht leicht. Gut, dass mit VICIOUS RUMOURS ein paar Routiniers am Start sind. Dafür, dass die Band in diesem Jahr ihren 35. Geburtstag feiert, wirken zumindest drei Fünftel der Musiker auch noch ganz schön frisch. Trotzdem gut eingespielt, liefern auch VICIOUS RUMOURS ein starkes Set ab, auch wenn bei der dritten klassischen Heavy Metal Band des Abends die großen musikalischen Aha-Effekte leider ausbleiben.
Fahrstuhl-Metal klingt als Label erstmal etwas negativ, aber das ist in diesem Fall gar nicht so gemeint, sondern viel mehr als angenehme Hintergrundbeschallung, die einen Großteil der Konzertbesucher gut unterhält und zu der man das eine oder andere Bier trinken und die eine oder andere Pommesgabel in die Höhe strecken kann – aber eben nichts, was längerfristig hängen bleibt.
BATTLE BEAST – Das Biest ist zurück
Weiterhin ohne große Verzögerung (die Organisation auf der Bühne läuft hier wirklich hervorragend) ist es endlich Zeit für den Headliner des Abends. Wie auch schon von meinem Kollegen Theo beschrieben, sind BATTLE BEAST eine Band, an der sich die Geister scheiden und insbesondere das neue Album wurde von der üblichen Kritiik, dass das alles zu seicht und zu poppig sei, nicht verschont. Und es gibt wohl wenige Bands, bei denen die Lücke zwischen Album und Liveperformance so groß ist, wie bei den Finnen um Sängerin Noora Louhimo.
Was auf Platte gern mal ein wenig klinisch und einfach zu sauber klingt, kommt live deutlich druckvoller daher. Louhimo vereint eine Jahrhundertstimme mit einer Ausstrahlung, bei der man sich als gemeiner Zuschauer fragt, ob man sie lieber mit Herzchen in den Augen anhimmeln oder sich von ihr unter den Tisch trinken lassen will. Die Ansagen von Bassist und "Bandsprecher" Eero Sililä sind launig und der Auftritt der "Götterdämmerung" – einer abominalen Symbiose aus Keytar und eDrum-Pads – ist eine unterhaltsame Showeinlage. Auch bei ihrem Auftritt in Mannheim sind BATTLE BEAST live eine sichere Bank. Leider ist der Funke auf anderen Konzerten der Tour beim Publikum stärker übergesprungen.
Songs wie "Familiar Hell", "Bastard Sons Of Odin" und das obligatorische "King For A Day" verfehlen ihre Wirkung dennoch nicht – lediglich die Robin-Beck-Gedächtnisballade "Endless Summer" scheint sich trotz großartiger Gesangsperformance eher zum Lowlight der Setlist auf dieser Tour zu entwickeln. Insgesamt erweisen BATTLE BEAST sich aber als absolut würdiger Headliner und sorgen mit einem Finale aus Konfettikanonen für einen gelungenen Abschluss des zweiten Delta Metal Meetings.