Die Redakteure des Deaf Forever verstehen sich unterdessen nicht als Musik-Journalisten, die eine gewisse Neutralität wahren müssen, sondern als Fans, die eben das tun, was Fans so tun: Sie schreiben und quatschen über ihre Lieblingsbands (und über weniger geliebte Gruppen) – und das frei Schnauze, so wie ihnen der Schnabel gewachsen ist. Das mag dem ein oder anderen mitunter nerdig, kauzig oder gar elitär vorkommen. Geschenkt! Denn es ist vor allem ehrlich und (meistens) ungeschönt.
Und so wurden für den Birthday Bash eine Handvoll Bands eingeladen, die sowohl repräsentativ für die Haltung des Deaf Forever, als auch für die zahlreichen anderen im Heft stattfindenden musikalisch wertvollen Kapellen stehen, die ihre Musik oftmals ausschließlich als Hobby betreiben können oder wollen. Es ergab sich dadurch die Gelegenheit, eine Zusammenstellung von Musikern zu bestaunen, deren Live-Auftritte aus Zeitgründen ansonsten dünn gesät sind.
CHAPEL OF DISEASE und METAL INQUISITOR als Einheizer
CHAPEL OF DISEASE geben den Opener, sind dieser Rolle allerdings spätestens seit dem überragenden letzten Album „... And As We Have Seen The Storm, We Have Embraced The Eye“ eigentlich entwachsen. Die Musik ist einfach zu vielseitig und komplex für ein kurzes, 45-minütiges Warm-Up. Sei’s drum, irgendeine der anwesenden Gruppen muss diesen Part schließlich übernehmen – und das Kölner Quartett füllt den Slot mit seinem rockigen Heavy Death Metal glänzend.
Gespielt werden ausschließlich Stücke der aktuellen Scheibe. Stört aber offenbar kaum jemanden, da Songs wie „Void of Words“, „Song of the Gods“ oder „Oblivious – Obnoxious – Defiant“ live ihre volle Macht entfalten – erst recht, wenn die Bühne dabei in ein stimmungsvolles Lila-Blau getaucht wird.
Nach dieser gelungenen Ouvertüre dürfen METAL INQUISITOR ran. Sänger „El Rojo“ ist ohnehin eine Frontsau vor dem Heavy-Metal-Herrn – und da seine Kollegen nicht weniger Spielfreude und gute Laune auf die Bretter bringen, scheppert es nur so im Gebälk der altehrwürdigen Hamburger Markthalle, in der von JUDAS PRIEST und MOTÖRHEAD über AC/DC bis IRON MAIDEN schon alle Giganten der härteren Spielart aufgetreten sind.
Doch an diesem Abend müssen sich die Koblenzer Krawallbrüder vor nichts und niemandem verstecken. Egal ob Band-Klassiker wie „Daze of Avalon“ und „Doomsday for the Heretic“, oder „Free Fire Zone” von der dieses Jahr erschienenen Langrille „Panopticon“: Die Gruppe macht den gut 1.000 Partygästen so richtig die Hölle heiß. Gut für die Band, gut für uns – zurück ins Studio!
Mit SULPHUR AEON in den (Metal-)Abgrund
Anschließend wird’s duster. Vorhang auf für SULPHUR AEON, deren Auftritt kontrastreicher kaum sein kann zu den partywütigen Inquisitoren. Die gesellige Geburtstagslaune weicht einer bedächtigen Bosheit. Ein Großteil der Band versteckt sich hinter wallenden Mähnen und die Präsentation der Black/Death Metaller aus Dortmund gleicht einem einzigen finster-atmosphärischen, tonnenschwer-mystischen, brachial-chaotischen und manchmal sogar harmonischen Gurgeln aus den Tiefen des Meeres.
„Diluvial Ascension – Gateway to the Antisphere“, „Swallowed by the Ocean´s Tide”, “Thou Shalt not Speak his Name” oder “Yuggothian Spell” ziehen das Publikum mitten hinein in den unentrinnbaren Sog des düsteren H.P. Lovecraft’schen Universums. Packend, fesselnd, gewaltig!
Nach diesem bockstarken Trio ist eine Ess- und Trinkpause dringend vonnöten, der leider meine Anwesenheit beim Auftritt der Heavy Metaller von SATAN zum Opfer fällt. Den Reaktionen des Publikums zufolge, die in der gesamten Location unüberhörbar sind, liefert aber auch die britische Birthday-Bash-Band amtlich und standesgemäß ab.
Jubiläumsbier und Chorgesang zum Fünfjährigen
Fortgesetzt werden die Feierlichkeiten mit der Geburtstagsüberraschung einer Gruppe von langjährigen Deaf-Forever-Forumsusern, die der versammelten Redaktion auf der Bühne nicht nur eine launige Rede halten, sondern gleich noch selbstgebrautes Jubiläumsbier überreichen – begleitet von einem Ständchen, in das fast die gesamte Halle einstimmt. Sympathischer Auftritt für eine sichtlich gerührte Crew.
Zeit für ATLANTEAN KODEX, den Headliner des Abends. Kühnemund vermutet bei seiner Ankündigung bereits, dass das Auditorium „ja sowieso jedes Wort“ mitsingen wird. Wie recht er hat: Der Auftritt entwickelt sich zu einem großen, fast anderthalbstündigen Chorgesang. Denn die hungrige Metal-Meute zeigt sich nicht nur textsicher bei Klassikern wie „Pilgrim“ oder dem legendären „Sol Invictus“, sondern singt auch neue Stücke wie „People of the Moon“ oder „Lion of Chaldea“ mit, als sei sie bei der Produktion der diese Woche erst erscheinenden neuen Platte „The Course of Empire“ im Studio dabei gewesen. Die Band entfacht auf der Bühne eine derartige epische Klanggewalt, das auch kleinere Soundprobleme den Gesamteindruck nicht schmälern.
Gelungener Schlusspunkt eines Abends, der sich weniger wie ein Konzert anfühlte, sondern eher eine große Metal-Party mit Familie und Freunden war. Da passte es auch ins Bild, dass nicht wenige Mitglieder der fünf anwesenden Bands nach getaner Arbeit beim Bierchen an der Theke anzutreffen waren – und sich sogar ganz ohne kostspielige silber-, gold- und diamantenfarbene Super-VIP-Special-Tickets auf eine Plauderei oder ein Erinnerungsfoto mit der begeisterten Fanschar einließen.