Geschrieben von Matthias R Samstag, 15 November 2008 13:52
The Unholy Alliance - Chapter III - Stuttgart / Schleyer-Halle
9.11.2008 - Ein denkwürdiger Tag sollte das für mich werden, denn heute würde ich das erste SLAYER-Konzert meines Lebens besuchen. Und hoffentlich nicht das letzte, soviel schon mal vorweg. Warum ich mir dieses Vergnügen erst im stolzen Alter von 26 Lenzen gönne? Tja, bisher wusste ich mit SLAYER ehrlich gesagt nicht allzu viel anzufangen. Klang für mich alles zu eintönig und vielleicht auch etwas angestaubt, als dass ich mich dafür hätte begeistern können. Daher waren es heute auch eher die Vorgruppen (namentlich TRIVIUM, AMON AMARTH und MASTODON), die mich - Achtung, es folgt ein Wortspiel - in die für den heutigen Abend umgetaufte Stuttgarter Slayer-Halle lockten. Und wenn man dann noch dazu ein paar alten Thrash-Metal-Ikonen beim Bearbeiten ihrer Instrumente zuschauen kann, warum nicht?!
Gesagt getan, pünktlich zur Saalöffnung um 18 Uhr befanden wir uns vor dem Seiteneingang der Schleyerhalle. Noch hätten wir Gelegenheit gehabt, uns Semino Rossi in der benachbarten Porsche-Arena anzuschauen, der zur gleichen Zeit ein Konzert gab, aber dazu waren wir wohl leider alle zu schlecht gekleidet. Mussten wir halt doch mit SLAYER vorlieb nehmen.
Los ging's mit MASTODON bereits 20 Minuten vor dem offiziellen Startschuss um 19 Uhr. Schade für jeden, der sich die Truppe gerne angesehen hätte, jedoch erst gemäß Plan um 19 Uhr die Halle betreten hat, denn da war deren Auftritt auch schon fast wieder vorbei. Aber immerhin besser als bei den beiden bereits vergangenen Deutschland-Gigs in Offenbach und Köln, die MASTODON aus Krankheitsgründen leider absagen mussten.
[ Gitarrist Bill Kelliher wurde einige Tage zuvor mit Verdacht auf eine Bauchspeicheldrüsenentzündung in ein Londoner Krankenhaus eingeliefert. Ab dem heutigen Gig in Stuttgart hatte sich die Band jedoch dazu entschlossen, vorerst als Trio weiterzumachen. Man hofft, dass Kelliher bis zum Beginn ihrer Headliner-Tour Ende November wieder soweit auf den Beinen ist.]
Doch auch zu dritt konnten mich MASTODON heute durchaus überzeugen, auch wenn bei ihrem Auftritt die Halle vielleicht gerade mal zu einem Zehntel gefüllt war. Ihre etwas eigenwilligen und Prog-lastigen Songstrukturen sind halt nicht jedermanns Sache, aber genau das ist es, was mich zum Beispiel an Bands wie TOOL oder MESHUGGAH so sehr fasziniert. In die ihnen zur Verfügung stehenden halben Stunde konnten MASTODON sage und schreibe neun Songs quetschen, hauptsächlich von Ihrem aktuellen Album "Blood Mountain", das jedoch auch bereits zwei Jahre auf dem Buckel hat. Neben Stücken wie "Crystal Skull", "The Wolf Is Loose" oder "Colony Of Birchmen" wurden jedoch auch zahlreiche vom Vorgänger "Leviathan" aufgetischt und als Abschluss hatte sogar "March Of The Fire Ants" von ihrem Debüt-Album "Remission" Platz. Insgesamt ein respektabler Auftritt, auch mit einem Mann weniger. Nur schade, dass sich so wenige Leute dafür begeistern konnten, aber vermutlich lag es wirklich nur an dem außerplanmäßig verfrühten Auftritt.
Um 19:30 Uhr gingen im Saal die Lichter für den Exoten des heutigen Abends aus und auf der Bühne an. AMON AMARTH aus Schweden waren mit ihrem kompromisslosen Viking-Death-Metal an der Reihe und stachen mit diesem Stil etwas aus dem Lineup hervor. Aber warum sollte der alteingesessene SLAYER-Fan nicht auch mal die Streitaxt in die Hand nehmen und sich an den Liedern der Nordmannen um Sänger Johan Hegg erfreuen? Auf diverse nachgespielte Schlachtszenen auf der Bühne, die bei normalen Auftritten der Band durchaus üblich sind, musste das Publikum angesichts der Kürze des Auftritts (ca. 40 Minuten) zwar verzichten, das tat der Stimmung jedoch keinen Abbruch. Mittlerweile waren schon deutlich mehr Leute in die Halle geströmt, von "voll" möchte ich zu diesem Zeitpunkt jedoch noch nicht ansatzweise sprechen (außer vielleicht beim einen oder anderen Zuhörer). Den Anfang haben AMON AMARTH dieses mal mit dem Klassiker "Death In Fire" gemacht, einem Stück, das normalerweise immer erst gegen Ende gespielt wird. Aber warum auch nicht, so konnte man das Publikum gleich zu Beginn für sich gewinnen. Es folgten zahlreiche Stücke ihres aktuellen Longplayers "Twilight Of The Thunder God" wie zum Beispiel "Free Will Sacrifice", "Guardians Of Asgaard" sowie natürlich der Titeltrack des Albums. Vom ebenso fantastischen Vorgänger "With Oden On Our Side" blieben mir nur "Runes To My Memory" und "Asator" in Erinnerung, auf das heiß geliebte "Valhall Awaits Me" musste ich leider verzichten. Den Abschluss machte - wie konnte es anders sein - "The Pursuit Of Vikings" vom Vor-Vorgänger-Album "Fate Of Norns". Alles in Allem ein wirklich toller Auftritt mit einem sichtlich gut gelaunten Johan Hegg. Erwartet hätte ich es ja nicht, dass die Jungs hier mit derart offenen Armen empfangen werden. Aber sie haben sich angemessen dafür revanchiert.
Mittlerweile war es 20:15 Uhr und Zeit für mich, in den Pressegraben abzutauchen. Leider waren TRIVIUM die einzige Band, bei denen ich von ganz vorne ungestört Fotos machen durfte. Pünktlich um 20:30 Uhr begannen die Jungspunde ihren dreiviertelstündigen Auftritt und legten mit "Krisute Gomen" von ihrem erst vor kurzem erschienenen aktuellen Album "Shogun" gleich mächtig fett los. Da müssten sich die alten Herrschaften von SLAYER aber ganz schön ins Zeug legen, um dieses Tempo noch überbieten zu können. Aber bei einem Altersunterschied von über 30 Jahren kann ihnen das ja niemand verübeln. Apropos Altersunterschied zur Band: dieser dürfte auch beim Publikum im Schnitt noch ganz schön hoch gelegen haben. Kein Wunder, dass TRIVIUM im Vorfeld auch eher milde belächelt, wenn nicht sogar böse beschimpft wurden. Wer möchte sich schon gerne von jemandem in den Arsch treten lassen, der halb so alt ist wie man selbst?
Bei dem Gig in Offenbach wurde Frontmann Matt Heafy anscheinend sogar mit vollen Bierbechern beworfen, in Stuttgart hat sich das ganze aber auf zusammengeknüllte Papierkugeln von ein paar präpubertierenden Möchtegern-Halbstarken beschränkt. Angesichts des gehobenen Bierpreises und Becherpfands von 1,- Euro merkt man, wir befinden uns im sparsamen Schwabenländle: "Hat elles Geld koscht!". Aber über mangelnde Arschtritt-Fähigkeiten des Vierers, der neuerdings die griechische Mythologie mit Titeln wie "Torn Between Scylla and Charybdis", "Of Prometheus And The Crucifix" und "Like Callisto To A Star In Heaven" für sich entdeckt hat, konnte sich an dem Abend wahrlich keiner beschweren. Und über mangelndes Selbstbewusstsein genauso wenig, schließlich traten alle mit einem T-Shirt der eigenen Band bekleidet auf, mit Ausnahme von Drummer Travis Smith, der obenrum lieber komplett auf Kleidung verzichtete. Was die Showeinlagen anging, so gab man sich für meinen Geschmack vielleicht etwas zu selbstbewusst. Matt Heafy und vor allem Bassist Paolo Gregoletto schlugen mit ihrem Gepose etwas über die Stränge. Was bei gestandenen Mannsbildern wie denen von KILLSWITCH ENGAGE einfach dazupasst, wirkte hier etwas aufgesetzt. Weniger ist manchmal eben doch mehr. Nichts desto trotz ein energiegeladener und technisch sauberer Auftritt der (wie immer) im letzten Stück "Pull Harder On The Strings Of Your Martyr" von Ihrem Roadrunner Records-Debutalbum "Ascendancy" seinen Höhepunkt fand.
Um 21:30 Uhr war es dann endlich soweit: SLAYER waren an der Reihe. Zuvor hatten einige Helfer die Bühne noch mit einem großen, weißen Vorhang verdeckt, auf den zu Beginn des Auftritts kreisende Pentagramme projiziert wurden. Auch die Schatten der einzelnen Bandmitglieder konnte man bereits erahnen. In der Mitte wie immer Sänger und Bassist Tom Araya, vom Publikum aus gesehen links Gitarrist Jeff Hannemann und auf der gegenüberliegenden Seite der mit dicken Eisenketten (und stattlicher Wampe) schwer beladene Glatzkopf Kerry King, ebenfalls an der Gitarre. Das Intro von "Flesh Storm" vom aktuellen Album "Christ Illusion" wurde angespielt, und als es dann richtig losging, wurde der Blick auf die Bühne wieder freigegeben. Drummer Dave Lombardo bearbeitete im Hintergrund sein im Vergleich zu dem von TRIVIUM und AMON AMARTH durchaus überschaubares Drumset nach allen Regeln der Kunst. Und mittlerweile hatte sich die Halle doch noch halbwegs gefüllt, auch wenn weniger Menschen da waren, als ich in der Schleyerhalle bei einem SLAYER-Konzert erwartet hätte. Man kam auch unmittelbar vor dem Hauptact noch locker bis ganz nach vorne.
Auf der Bühne folgten zahlreiche ältere Klassiker wie zum Beispiel "Dead Skin Mask" oder "South Of Heaven" und "Seasons In The Abyss". Die Songs von "Reign In Blood" wurden natürlich für den Schluss aufgehoben. Sänger Tom Araya machte von den drei Front-Herren den energetischsten Eindruck, den Gitarristen Jeff Hannemann und Kerry King war heute nicht viel mehr als ein paar mal Plätze tauschen und etwas mit dem Kopf wackeln zu entlocken. Ob das sonst anders ist, kann ich leider nicht beurteilen, aber würde vielleicht auch nicht zu der Band passen. Außerdem wurde das Posing- und Herumspring-Kontingent des heutigen Abends ja bereits von TRIVIUM ausgeschöpft, da ist für den Hauptact wohl nicht mehr viel übrig geblieben. Auch die Show-Effekte empfand ich für ein solches Heavy-Metal-Urgestein doch recht minimalistisch. Mehr als eine abgespeckte Videoleinwand im Hintergrund gab es eigentlich nicht. Aber wie bereits oben erwähnt, manchmal ist weniger einfach mehr. Man ist ja schließlich der Musik wegen gekommen und nicht der Effekte.
Als der Zeiger meiner Uhr sich immer weiter der 23 Uhr-Marke näherte, näherte sich gleichzeitig der Auftritt so langsam seinem Ende. Nun wurden die richtig schweren Geschütze aufgefahren. Bei "Raining Blood" gab es erwartungsgemäß kein Halten mehr, genauso wenig beim umstrittenen "Angel of Death", dem letzten Stück des heutigen Abends. Angesichts der Thematik hierzulande schon ein wenig... nennen wir es mal "kurios". Nach 90 Minuten war dann alles vorbei.
Insgesamt muss ich sagen, ein unterhaltsamer Abend. Jede Band konnte auf ihre Art und Weise überzeugen. Bei mir persönlich haben SLAYER definitiv die Lust auf mehr entfacht. Eintönigkeit hin oder her, solange sie nur auf einem derart hohen Niveau präsentiert wird, wie SLAYER es heute getan haben.
Setlist Slayer:
1. Flesh Storm
2. War Ensemble
3. Chemical Warfare
4. Ghosts Of War
5. Jihad
6. Cult
7. Disciple
8. Psychopathy Red
9. Seasons In The Abyss
10. Dittohead
11. Live Undead
12. Eyes Of The Insane
13. Payback
14. Dead Skin Mask
15. Raining Blood
16. South Of Heaven
17. Angel Of Death
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