Nach Tagen und Wochen des Probens steht er letztlich an: der vielleicht schwierigste Tag im Showgeschäft. An Tag 1 auf Tour geht, erfahrungsgemäß, immer alles schief. Frei nach dem Gesetz von Edward Murphy eben. Egal, was auch an diesem Abend in der Hamburger Markthalle passieren mag, es bleibt zumindest in kleinem Kreise. Denn wo ansonsten 1.000 Menschen Platz finden, haben sich heute gerade einmal zwischen 100 und 200 Interessierte eingefunden. Der "NIGHTWISH-Bonus“ scheint hier niemanden zu scheren.
Oceanhoarse
Für Opener OCEANHOARSE gestaltet sich die Aufgabe somit doppelt schwer. Nicht nur sind die Finnen ein gänzlich unbeschriebenes Blatt – eine 5-Track-EP ist alles, was die Jungs bisher vorzuweisen haben –, in einer gähnend leeren Halle kann man auch niemandem etwas beweisen. Da ist Spaß an der eigenen Musik die einzige Rettung.
Und die hat das Heavy-Metal-Quartett immerhin aus Kübeln gebechert. Trotz wenig Zuschauerzuspruch geben sich die Finnen redlich Mühe, dem Begriff "Abriss“ gerecht zu werden. Entsprechend engagiert wirbt die Band um jede erhobene Faust, während Stücke wie "Death Row Center“ und das SLIPKNOT-Cover "Duality“ für vereinzeltes Kopfnicken sorgen. Nach 45 Minuten verabschieden sich OCEANHOARSE schließlich schweißgebadet und zufrieden in den Feierabend.
Marko Hietala
Damit ist die Bühne frei für den Headliner des Abends. Fast schon gelassen betreten MARKO HIETALA (natürlich barfuß) und die restlichen Bandmitglieder die Bühne. Während mit "Star, Sand And Shadow“ und dem nachfolgenden "Dead God‘s Son“ rasch die schwächsten Songs des Solo-Werkes aus dem Weg geräumt werden, scheinen sich die Finnen mehr und mehr mit dem geringen Zuschaueraufkommen zurechtzufinden. Von Missmut und Enttäuschung fehlt jegliche Spur.
Stattdessen zelebrieren HIETALA und Kumpanen Spielfreude und Leidenschaft, duellieren sich durch schnelle Tonabfolgen und sorgen für beständig schöner werdende Höhepunkte. Sei es das gefühlvoll intonierte "The Voice Of My Father“, das ausartende "For You“ oder das beeindruckende DAVID BOWIE-Cover "Starman“ – Gitarrist Wäinölä spielt sich in einen wahren Rausch, während HIETALA ohnehin jeden Ton trifft.
Da macht es auch nichts, dass dem TAROT-Sänger ein ums andere Mal der Text entfällt. Denn egal, ob die Worte nun auf Englisch oder auf Finnisch kommen – die Musik lässt an diesem Abend kaum jemanden unberührt. So reißt der letzte Song "Truth Shall Set You Free“ letztlich unsanft aus der wohligen Trance. Es geht wieder raus in die kalte Winternacht.
Zurück bleibt das Gefühl, einen wirklich besonderen Abend erlebt zu haben. Und irgendwie vermisst man schon diesen sympathischen Finnen ...
Setlist (keine Gewähr)
- Star, Sand And Shadow
- Dead God's Son
- The Voice Of My Father
- For You
- Death March For Freedom
- Olet Lehdetön Puu (HECTOR-Cover)
- I Dream
- I Am The Way
- Runner Of The Railways
- Starman (DAVID BOWIE-Cover)
- Stones
Zugabe
- War Pigs (BLACK SABBATH-Cover)
- Truth Shall Set You Free