Ob Fan oder Kritiker, wer versucht, SABATON in seiner Gesamtheit zu erfassen, kommt nicht umhin, beeindruckt zu sein. Schließlich hat es das schwedische Quintett geschafft, die eigene Band als weltweite Marke zu etablieren, welche weit über starke Verkaufszahlen und stetig größer werdende Hallen hinaus wirkt. SABATON machen nicht nur Musik, sondern betreiben einen History Channel auf YouTube, investieren in Museen, kooperieren mit Gaming-Firmen und produzieren inzwischen eigene Handy-Spiele.
Da verwundert es auch nicht, dass selbst die diesjährige Europa-Tour einem perfekt durchgeplanten Show-Event gleicht. Da gibt es Vlogs aus dem Tourbus, jede Menge Konzertfotos und – als wäre das nicht schon genug – jede Show der Tour als kostenlosen Live-Stream auf YouTube. Ach, und Vorbands gibt es übrigens auch noch: AMARANTHE und APOCALYPTICA durften im Vorfeld durch eigens kreiierte SABATON-Cover zusätzlich zum Hype beitragen. Erstere verpasst der Redakteur an diesem Abend leider knapp, die Setlist gibt es für alle Interessierten trotzdem.
Apocalyptica
Die Cello-Heroen von APOCALYPTICA haben unterdessen den Exotenstatus im Line-Up inne. Denn so ganz mögen die klassisch angehauchten Klänge nicht zum Power-Metal-Thema des Abends passen. Die Finnen nehmen diese Hürde aber mit Bravour. Während die Eigenkreationen noch ein wenig verhalten beklatscht werden, ist spätestens beim RAMMSTEIN-Cover "Seeman“ ordentlich Feuer drin. Dass AMARANTHE-Fronterin Elize Ryd den Song intoniert, geht beim Gebrüll tausender Fans beinahe unter.
Klar, dass da auch die legendären METALLICA-Hits "Seek & Destroy“ und "Nothing Else Matters“ nicht fehlen dürfen. "Hall Of The Mountain King“ verpasst dem Set schließlich die klassische Abrundung. Entsprechend gibt es tosenden Applaus, wenn auch der ein oder andere Fan sich mehr eigenständiges Material gewünscht hätte. Das projizierte, visuell toll aufgemachte Backdrop entschädigt dafür aber allemal.
Sabaton
So dürfen um kurz nach 21 Uhr endlich auch SABATON die Bühne stürmen. Dass der Opener "Ghost Division“ heißt, verwundert hier niemanden mehr, die Bühnenaufbauten dafür umso mehr. Denn was sich dem kritischen Auge beim Fall des Vorhanges offenbart, ist eine mit viel Liebe zum Detail nachgebildete Frontlinie aus dem ersten Weltkrieg. Da gibt es Sandsackbarrikaden, Stacheldraht und Crew-Mitglieder in Soldatenuniform – dem Fan gehen die Augen über, dem Historiker graust es irgendwie.
Klar, dass bei so einem Aufbau auch ordentlich geböllert wird. Zu "Ghost Divison“ wird eine Pyrobatterie nach der nächsten abgebrannt, während die Flammenfontänen in "Great War“ auch den letzten Sauerstoff aus der Halle verbannen. Es geht heiß her, auch bei den Fans, die jeden weiteren Song hingebungsvoll abfeiern. Der Schwerpunkt des Sets liegt dabei klar auf dem aktuellen Studioalbum "The Great War“, auch wenn Fanlieblinge wie "Night Witches“ oder "Primo Victoria“ an diesem Abend nicht fehlen dürfen.
Souveräne Show mit leichten Müdigkeitserscheinungen
Am Ende ist das aber irgendwie auch egal, schließlich funktionieren die Stücke immer nach demselben Prinzip. Was gespielt wird, ist eher zweitrangig – die Show verpasst allem die passende Würze. Und das ist auch bitter nötig, wirken die schwedischen Metaller heute ungewohnt müde und schwerfällig. Von der rohen Energie des Woodstock-Auftritts 2012 fehlt es an allen Ecken und Enden, Fronter Joakim Broden zeigt sich stimmlich nicht immer souverän. Die lange Tour scheint ihre Spuren zu hinterlassen.
An den Sympathien ändert das jedoch wenig. SABATON werden gefeiert und verdienen sich dies auch durch Fannähe, Bodenständigkeit und gute Einfälle. So verpassen die Cellisten von APOCALYPTICA dem finalen Teil des Hauptsets letztlich doch noch eine Prise musikalischen Glamour. Die famos performten "The Price Of A Mile“, "The Lion From The North“ und "Carolus Rex“ avancieren dank der finnischen Unterstützung zu echten Highlights. Zur abschließenden Zugabe entwickelt sich die ausverkaufte Sporthalle dank Hits wie "Primo Victoria“, "Swedish Pagans“ und "To Hell And Back“ in eine echt Partymeile.
Ja, damit gefallen SABATON beileibe nicht jedem. Am Ende sind es aber die zahlenden Fans, welche entscheiden, ob eine Band ihr Geld wert ist oder nicht. Und wer beim Verlassen der Halle in zahllose glückselige Gesichter schaut, muss zugeben, dass SABATON die Essenz ihres Handwerks mit Bravour meistern. Das Schlusswort gehört somit den Schweden: Make love, not war!