Kutten, Nieten und Patronengürtel: Wer an diesem grauen Sonntagabend in Hamburg Wilhelmsburg aus der S-Bahn steigt, sieht auf den ersten Blick, dass alles andere als Kuschelrock auf dem Programm steht. Mit LAMB OF GOD und KREATOR geben sich in der edel-optics.de Arena schließlich zwei unbestrittene Größen des Metals die Ehre. Dafür können sich die Konzertgänger:innen schon einmal in Schale werfen!
Nur die Location dämpft die Vorfreude. Während die Veranstaltungsagentur STP Hamburg Konzerte den Einlass einigermaßen fix geregelt bekommt, sorgt das ungewöhnliche Layout der Halle für die üblichen Querelen bei Garderobe und Bier-Betankung. Auch die Pyrotechnik muss an diesem Abend im Trailer bleiben – ob das eine gute Idee ist?
Municipal Waste
MUNICIPAL WASTE, die einzige Vorband des Abends, lassen sich von der Logistik jedenfalls nicht aus dem Konzept bringen. Vor halb gefüllter Halle liefern die amerikanischen Kult-Thrasher ein knackiges 35-Minuten-Set ab, wirken auf der großen Bühne aber stets ein wenig verloren. Den Anwesenden sagt das nicht sonderlich kreative, dafür aber intensive Riff-Feuerwerk dennoch zu. Nach "Born To Party“ werden MUNICIPAL mit ordentlich Applaus verabschiedet.
Lamb Of God
Auf den müssen auch LAMB OF GOD nicht lange warten, zeigen sich die ebenfalls aus den USA stammenden Groove-Ikonen doch von ihrer besten Seite. Drummer Art Cruz spielt präzise wie ein Uhrwerk, die Gitarrenfraktion präsentiert sich tight und Sänger Randy Blythe trifft nicht nur jeden gegrunzten Ton, sondern macht auch ordentlich Kilometer. Das Publikum bedankt sich mit brachialen Pits und steten „Lamb-Of-God“-Chören, die jede Pause zu einem kleinen Stadionbesuch werden lassen.
Nur die Setlist lässt an diesem Abend zu Wünschen übrig. Trotz der zwei nicht betourten Alben im Gepäck, das aktuelle „Omens“ ist hiervon ebenso betroffen wie das 2020er-Album "Lamb Of God“, verlassen sich die Amis vor allem auf Altbekanntes. Klar, Klassiker wie "Redneck“, "Vigil“ oder "11th Hour“ funktionieren live immer noch hervorragend. Dennoch zeigen die enthusiastischen Reaktionen auf "Resurrection Man“, dass sich mehr Mut bei der Songauswahl lohnen könnte.
Setlist
- Memento Mori
- Ruin
- Walk With Me In Hell
- Resurrection Man
- Ditch
- Now You've Got Something To Die For
- Contractor
- Omerta
- Omens
- 11th Hour
- 512
- Vigil
- Laid To Rest
- Redneck
Kreator
Derselbe Vorwurf ließe sich auch den Essener Thrash-Metallern von KREATOR machen, hätten diese nicht mit ganz anderen Problemen zu kämpfen. Nach dem intensiven Auftritt LAMB OF GODs will sich das Publikum bei den Openern "Hate über alles“ und "Hail To The Hordes“ nicht so recht regen. Nicht zuletzt angesichts des behäbigen Auftritts von Fronter Miland Petrozza wird schnell klar, dass KREATOR ihren Zenit längst überschritten haben.
Ohne die übliche Pyrotechnik wirkt das sonst so stimmungsvolle "Satan Is Real“ schmerzlich lächerlich, Petrozza beim (versuchten) Schwenken der KREATOR-Flagge unbeholfen. Reduziert auf ihre Musik sind KREATOR nur noch ein halber Gigant, der sich mit fragwürdigen Show-Einlagen selbst ins Bein schießt. Und dennoch: Hits wie "Violent Revolution“ oder "Pleasure To Kill“ funktionieren einwandfrei, das Publikum feiert seine Helden schließlich doch noch ab.
Trotzdem stellt sich abschließend die Frage, wie viel Nostalgie der Metal als Ganzes verträgt? Welche Relevanz haben Bands noch, die auf ihren Konzerten beständig altes Material wiederkäuen, weil es den neuen Stücken wahlweise an Qualität oder an Vertrauen mangelt?
Doch das sind die Worte eines Kritikers, der einen Fakt nicht leugnen kann: Die Stimmung war an diesem Abend grandios, die Gesichter beim Verlassen der Halle glücklich-beseelt von der Ekstase der letzten Stunden. Und ist das nicht Argument genug?