Geschrieben von Donnerstag, 15 Juni 2023 21:36

Rock Im Park 2023 - Unser Bericht vom Festival bei Sonne, Staub und Seeblick

Es ist wieder soweit, die Festivalsaison beginnt. Den Auftakt machen traditionell Rock Am Ring und Rock Im Park im Doppelpack – und wir waren dabei!

Rock Im Park wird gerne als die verschmähte kleine Schwester des medial bald omnipräsenten Rock Am Ring Festivals auf der Asphaltpiste bezeichnet. Dabei bietet das Festival in Nürnberg das identische Line-Up in einer angenehmeren Atmosphäre: Sehr kurze Wege zwischen den Bühnen, Zelten mit Seeblick, eine entspannte Anreise mit der Bahn direkt zum Festival und eine Indoor-Bühne, um der Sonne zu entfliehen.

Wir hatten drei Tage ununterbrochenen Sonnenschein, der auch dafür sorgte, dass viele Fans noch spontan den Weg in den Park fanden. So konnte Nürnberg nach einem etwas durchwachsenen Vorverkauf am Ende über 75.000 Besucherinnen und Besucher begrüßen.

Freitag

So schlafen wir am Freitag erst einmal entspannt aus, um dann mit reichlich Sonnencreme eingeschmiert mit HALESTORM ins Festival zu starten. Diese beginnen etwas früher und legen gleich mit einem knalligen Doppel aus “I Miss The Misery” und “Love Bites” los. Vor der Bühne herrscht reges Treiben und Lizzy kann sich ein breites Grinsen kaum verkneifen. Bruder Arejay tobt sich gewohnt gekonnt am Schlagzeug aus und gibt sich alle Mühe, seiner Schwester die Show zu stehlen. Drumsticks werden durch die Luft gewirbelt und Grimassen geschnitten.

Nach einigen Songs lässt das Tempo der Show durch Lizzys manchmal etwas ausufernde Gesangs- und Gitarreneinlagen leider etwas nach und so drehen wir eine kleine Runde über das Gelände, bevor mit HOLLYWOOD UNDEAD das nächste Highlight auf der Bühne steht.

Die Nu-Metal-Truppe aus Kalifornien hat vor allem in den letzten Jahren enorm an Popularität gewonnen – und das zu Recht. Zu “Chaos” springen die fünf Bandmitglieder wild über die Bühne und lassen uns kaum eine Verschnaufpause. Vor der Bühne wird gemosht und die Band wechselt sich munter am Mikro und an den Instrumenten ab. Die Mischung aus Rap, Rock und treibenden Grooves geht mächtig ab. Die Band sprüht vor Spielfreude und heizt die Menge vor der Bühne immer weiter an, es wird getobt und Staub aufgewirbelt.

Auch wenn GOJIRA als nächstes auf der Bühne stehen, stolpern wir einmal über die Straße und finden uns vor der Utopia Stage wieder, um TENACIOUS D gebührend zu empfangen. Die gelungene Mischung aus Witz, Gefühl und Rock begeistert immer wieder aufs Neue. Mit “Kickapoo”, “Low Hangin’ Fruit” und “Rize Of The Fenix” starten gleich drei unfassbar starke Nummern. Es wird lauthals mitgesungen, Kyle und Jack albern hier und da gewohnt lässig herum und sind voll in ihrem Element.

Eine lustige Geschichte hier, “Saxaboom” da und ein XXL-Saxofon als Konter von Kyle, um Jack nach so vielen Jahren endlich mal wieder die Show zu stehlen. Vielleicht liegt es an JBs phänomenalem Vollbart, aber die beiden sind älter geworden (– das habe ich schon 2012 geschrieben). Die Auftritte sind etwas statischer als früher, aber immer noch voller Temperament, und es ist immer noch eine Freude, Jack beim Spielen und Performen zuzusehen.

Erneuter Bühnenwechsel, denn KIZ spielen auf der Utopia Stage und PAPA ROACH auf der kleineren Mandora Stage. So komme ich endlich in den Genuss, PAPA ROACH zum ersten Mal live zu sehen und nach der Show könnte ich mir in den Arsch beißen, dass ich so lange gewartet habe. Mit “Kill The Noise” und “Getting Away With Murder” eröffnet die Band mit zwei fetten Knallern, die die Menge vor der Bühne ordentlich in Bewegung setzt.

Staub liegt in der Luft, Pyros schießen auf der Bühne in die Höhe und die Securities versuchen, einen kühlen Kopf bei den zahlreich ankommenden Crowdsurfern zu bewahren. Absolutes Chaos bei bester Laune und definitiv einer der Höhepunkte des Festivals. “Firestarter“ von THE PRODIGY, “Lullaby” von THE CURE, “Still D.R.E.” von DR. DRE und “Swerve” zusammen mit HOLLYWOOD UNDEAD sorgen noch für die eine oder andere positive Überraschung und lassen die Show wie im Flug vergehen.

Auf den unserer Meinung nach schwachen Headliner des Abend KINGS OF LEON verzichten wir, nachdem wir uns die ersten Songs angesehen haben – das ist uns etwas sehr zäh.

Samstag

Weiter geht es am Samstag, der einige Metal- und Punk-Highlights verspricht. SPIRITBOX stehen als erste auf unserer Liste und scheinen technische Probleme zu haben, aber nach knapp 20 Minuten legt die Band um Sängerin Courtney los und kann mit ihrem melodischen Hardcore durchaus überzeugen. SUM 41 spielen nebenan eine ihrer letzten Shows und füllen bereits zur Mittagszeit den Platz vor der Utopia Stage und übergeben das aufgewärmte Publikum an NOFX. Das passt wie die Faust aufs Auge.

Gegen Abend stehen schließlich ARCH ENEMY auf der kleineren Mandora Stage und der interessante Teil des Samstags beginnt für uns. “Deceiver, Deceiver” und “War Eternal” ballern uns aus den Boxen entgegen und Alissa tobt wie ein Tier über die Bühne. Michael und Jeff reißen die Klampfen bei jeder sich bietenden Gelegenheit in die Luft und zaubern uns ein Lick und Solo nach dem anderen auf die Gitarren.

Danach übernehmen die ARCHITECTS und drehen den Bass erst einmal auf 11, die tiefen Töne spüren wir sogar in der Magengegend. Der Moshpit tobt vom ersten Moment an, während “Black Lungs” mit seinen treibenden und stampfenden Beats über uns hereinbricht. Die Band hält sich dezent im Hintergrund und überlässt Sam das Feld, der stimmlich leider nicht ganz auf der Höhe ist. Das tut der Stimmung aber keinen Abbruch, es wird gehüpft, gesurft, mitgesungen und geklatscht.

Wir machen uns auf den Weg zur Utopia Stage, um den Headliner des Abends zu sehen: DIE TOTEN HOSEN. Die Herren aus Düsseldorf gehören quasi zum Inventar des Festivals und spielen heute ihre mittlerweile zehnte Show. Viele Tagesgäste in DTH-Shirts schlendern schon den ganzen Tag über das Gelände und versammeln sich nun vor der Bühne. Nach einem viel zu langen Intro auf einer riesigen LED-Wand stürmen die Düsseldorfer endlich zu “Alle Sagen Das” die Bretter.

Die Menge singt fast lauter als Campino und die Band legt heute bald mehr Meter zurück als ich am gesamten Festivalwochenende. Kuddel, Andi und Breiti nehmen mit Campino die ganze Bühne ein und gehen auf Tuchfühlung mit dem Publikum. Fahnen werden geschwenkt, "Altes Fieber” und “Bonnie & Clyde” heizen die Stimmung weiter an und zehntausende Fans feiern gemeinsam, als gäbe es kein Morgen. Da wir nun wirklich keine DTH-Fans sind, packen wir für heute und freuen uns auf den kommenden Sonntag.

Sonntag

Der beginnt ungewohnt früh mit JINJER zur besten Mittagszeit auf der Utopia Stage. Die ukrainische Metalband um Sängerin Tatiana ist in den letzten Jahren mächtig gewachsen und dürfte mittlerweile auf so ziemlich jedem Festival gespielt haben. Dazu kommen zahlreiche gemeinsame Tourneen mit vielen Größen des Genres. Technisch anspruchsvoller Death Metal mit leicht groovigen Einflüssen und höllischen Growls von Tatiana – etwas schwerfällig für einen entspannten Start in den letzten Festivaltag. Aber vor der Bühne wird schon in kleinen Moshpits gefeiert.

Schließlich machen wir noch einen Abstecher zur Orbit Stage, um die Gewinner des Bandcontests FRIENDS DON'T LIE zu sehen. Die Halle ist brechend voll, die Jungs schmettern modernen Punkrock und bringen die Menge vom ersten Riff an zum Toben und Feiern. Damit haben sie den Contest verdient gewonnen und genießen sichtlich den großen Zuspruch des Publikums.

Zurück auf der Utopia Stage ist nun YUNGBLUD an der Reihe, der gerade einen kometenhaften Aufstieg erlebt. 2018 stand er noch vor gut 1.000 Leuten, heute ist das Infield brechend voll. Wie ein Duracell-Hase springt er über die Bühne, feuert die feiernde Menge immer wieder an und genießt jeden Moment der Aufmerksamkeit. Er redet viel mit dem Publikum, fordert immer wieder auf, Platz für den nächsten Pit zu machen und lässt die Menge einfach minutenlang jubeln.

Pyros schießen in die Luft, jeder Song wird lautstark mitgesungen, Yungblud geht immer wieder auf Tuchfühlung mit dem Publikum und nimmt die ganze Bühne in Beschlag. Von allen Seiten betrachtet er seine begeisterten Fans und bietet eine unglaublich energiegeladene Show – aber ich hätte gerne zwei, drei Songs mehr gehört und auf minutenlangen Jubel verzichtet.

LIMP BIZKIT sind unser letzter Pflicht-Act des Festivals und wie PAPA ROACH für mich der erste Live-Auftritt von Fred Durst und seiner Nu Metal-Truppe. Im blauen Overall und mit Vokuhila kommt Fred gut gelaunt zu “Dad Vibes” auf die Bühne getanzt. Die Band liefert eine tolle Show, Fred trifft die Töne, es wird viel Eigenes gespielt und die hüpfende Menge vor der Bühne kommt nicht zur Ruhe. “Break Stuff” lässt Erinnerungen an die "Woodstock '99"-Doku aufkommen und wird zusammen mit YUNGBLUD gespielt, und tatsächlich bringt dieser die Energie mit, die Fred Durst damals noch ausstrahlte.

Das Infield vor der Utopia Stage ist gefühlt noch voller als an den Vortagen – die FOO FIGHTERS laden zum letzten Tanz vor der Bühne ein. “All My Life” macht den Anfang und Dave Grohl schreit sich die Seele aus dem Leib. Der ganze Platz bebt und tanzt und wird mit einer Band in Bestform und einem unglaublich gut gemixten Set belohnt. Hits, Oldies und neue Songs wechseln sich ab, so dass keine Langeweile aufkommt und die Lieder uns gut durch den Abend tragen.

Die Songs von “But Here We Are” fallen kaum auf und fügen sich perfekt in das restliche Set ein. “The Pretender”, “Learn To Fly” und “Times Like These” sorgen für fröhliche Gesichter. Auch “My Hero” sorgt für das eine oder andere feuchte Auge, bevor die FOO FIGHTERS uns mit “Best Of You” und “Everlong” in die Nacht entlassen.

Was bleibt, ist ein unglaublich schönes und entspanntes Festival im Grünen mit Freunden, tollen Bands und ohne nennenswerte Zwischenfälle. Die Secus und das ganze Team waren immer gut gelaunt und kompetent. Nur die Bühnenaufteilung war an manchen Tagen nicht immer nachvollziehbar. Ein gelungener Start in die diesjährige Festivalsaison!

Cengiz

Seit 2012 bin ich mit Kamera und offenem Ohr für BurnYourEars unterwegs.

Mein musikalischer Horizont kennt keine Grenzen: Von synthlastigem Metal über Rap bis hin zu Screamo – Hauptsache, es groovt und hat Tiefgang.

Live-Konzerte sind meine Passion. Zahllose Gigs und Festivals später bin ich immer noch süchtig nach der Energie, die nur Live-Performances entfachen können. Denn egal wie brillant eine Platte klingt, erst auf der Bühne zeigt sich die wahre Magie einer Band.

Meine All-Time-Favourites? Machine Head, Heaven Shall Burn und Parkway Drive (bis "Reverence"). Aber meine Playlist ist so vielfältig wie ein Festivalprogramm – von Crossfaith bis Lamb of God ist alles dabei.

Wer einen Blick auf meine fotografische Reise durch die Musikwelt werfen möchte: Mein Portfolio mit Konzertbildern seit 2012 findet ihr auf fotocengiz.de.

Artikel dazu