Kaum haben sich die letzten Fans im Venue eingefunden, stürmen INFECTED RAIN um 18.50 Uhr die Bühne – allen voran Frontfrau Lena, die mit ihren kraftvollen Screams und Shouts das Set mit “Pandemonium” einläutet. Die Band tobt über die Bretter und vor allem Vidicks Dreadlocks peitschen bei jeder Bewegung durch die Luft wie Blätter im Wind an einem stürmischen Herbsttag.
Lena versucht immer wieder, das Publikum anzuheizen, was ihr auch gelegentlich gelingt, doch die meiste Zeit bleibt die Menge tiefenentspannt. Gegen Ende bildet sich ein kleiner Moshpit und hier und da wird zumindest im vorderen Bereich auch mitgesprungen. Musikalisch sind INFECTED RAIN vielleicht etwas zu Death-lastig für einen Abend mit AMARANTHE und DRAGONFORCE.
Letztere sorgen heute für das beeindruckendste Bühnenbild: zwei riesige Arcade-Maschinen an beiden Seiten mit Leinwänden sowie Aufgängen, um auf der Maschine zu posen, dazu leuchtende Dragonforce-Logos auf dem Drumkit, LED-Wände im Hintergrund, Schwerter an den Mikrofonen, diverse Moving Lights, Konfetti, Funkenregen und später zwei große aufgeblasene Drachenköpfe. Dagegen waren meine Kindergeburtstage traurig.
Doch der ganze Aufwand hat sich gelohnt, zu Konfettiregen und “Revolution Deathsquad” in Neon-Optik eröffnen DRAGONFORCE die Show und die Fans gehen von Anfang an steil, feiern jedes Lick der beiden Gitarrengötter. Das hymnische “Cry Thunder” wird nachgelegt und die ganze Halle grölt mit.
Es ist natürlich kein Geheimnis, dass DRAGONFORCE immer wieder ihre Lieblingsspiele musikalisch aufgreifen und so wurde im letzten Jahr die "Zelda"-Reihe in “Power of the Triforce” verewigt. Passend dazu hat Sänger Marc eine Quest für uns: Wir sollen einen großen Plüsch-Cucco (Huhn) durch den ganzen Saal tragen und unbehelligt wieder zurück auf die Bühne bringen.
“Wenn Link jedoch einen Cucco mehrmals angreift, wird der Cucco wütend und fängt an, sehr laut zu krähen, um seine Herde zu rufen, und gemeinsam greifen sie ihn an, indem sie aus verschiedenen Richtungen herunter fliegen und ihn zu Tode picken.”
Und so bahnt sich Cucco seinen Weg über die vielen Köpfe durch den Innenraum bis auf den Balkon und wieder zurück in die Hände von Marc, während es wieder Konfetti regnet und Herman und Sam die Bühne entern, um uns ihre Klampfen zu präsentieren.
Ohne Quest kommt dagegen der von Skyrim inspirierte Song “The Last Dragonborn” aus, der im Vergleich zu den anderen Titeln schon fast als Ballade durchgehen kann. Ansonsten bleibt die Show gewohnt aufgedreht und erinnert an die Gummibärenbande auf LSD. Das Celine Dion-Cover “My Heart Will Go On” funktioniert erstaunlich gut, während sich die beiden großen Drachenköpfe auf der Bühne erheben. “Wildest Dreams” von Taylor Swift hingegen gehört meiner Meinung nach zu den schwächeren Nummern des Sets.
Zum Abschluss gibt es ausgelassene Gitarrensoli, glückliche Gesichter im Publikum, noch eine Ladung Konfetti und eine persönliche Erinnerung an frühere Guitar Hero-Abende, an denen wir uns regelmäßig mit “Through The Fire And Flames” die Zähne ausgebissen haben.
Es folgen knapp 45 Minuten Umbauzeit, während der ganze Kram von DRAGONFORCE von der Bühne geräumt wird und schließlich AMARANTHE an der Reihe sind.
Die Schweden sind etwas pragmatischer und greifen mit kleinen Aufstellern und dem Backdrop das aktuelle "The Catalyst"-Design auf. Das neue Album wird aber eher weniger beachtet und so eröffnen AMARANTHE ihr Set mit "Fearless" und "Viral" vom letzten Album "Manifest". Die Songs sind also allen bekannt und so wird von Anfang an lautstark mit Elise, Nils und Mikael mitgesungen.
Das etwas härtere “Digital World” folgt, Dreiklang sowie Breakdown sitzen und lassen die Meute fröhlich eskalieren. “Damnation Flame” sticht mit seinem prägnanten Intro heraus und ist live einfach ein Brett. Im Gegensatz zu DRAGONFORCE knallen uns AMARANTHE einen Song nach dem anderen um die Ohren und halten sich mit Ansprachen und Anekdoten eher zurück.
Es folgt "Hunger" ein Klassiker vom Debütalbum, die Meute hüpft im Takt mit und gönnt sich bei “Strong” eine kleine Verschnaufpause, während Elise im Duett mit Nils einmal mehr zeigt, was für eine Stimmgewalt sie ist. Es folgen mit “PvP”, “Crystalline”, “BOOM!1”, “Amaranthine” und "Afterlife" einige Tempowechsel im Set. Während die Nummern alle problemlos zünden und für besondere Momente sorgen, wird das ruhige und harmonische Miteinander von “Amaranthine” durch “Afterlife” sehr plötzlich buchstäblich pulverisiert.
“The Nexus” bildet den ersten Abschluss und es geht schon in die Zugabe. Nach “Archangel” findet Nils noch Zeit, das deutsche Publikum im Vergleich zum amerikanischen der letzten Tour zu loben und lässt die anwesende Meute noch einmal ordentlich um die Wette grölen, denn Oberhausen hat natürlich das lauteste Publikum – Ehrenwort von Nils. We Will Rock ... äh ... “That Song" wird nachgelegt und "Drop Dead Cynical" rundet das aufregende Set der Schweden gekonnt ab.
Was bleibt, ist der Blick auf einen Abend mit drei hervorragenden Bands und einer erstaunlich guten Akustik für den sehr anspruchsvollen Sound von DRAGONFORCE und AMARANTHE. Das Publikum war durchweg begeistert wie ebenso unglaublich angenehm und entspannt. Ein rundum gelungener Konzertabend!