Rockharz Open Air, 3. Juli bis 6. Juli 2024 – Nach 20 Jahren Wacken wollte ich die dortigen Zustände nicht mehr länger unterstützen. Daher lag es nahe, das Rockharz als Alternative zu wählen. Das Festival hatte ich schon länger beobachtet, weil auch einige Freunde dorthin gehen. Aus der Hamburger Region ist Wacken aber wortwörtlich naheliegender. In diesem Jahr war es dann aber soweit – und es hat sich gelohnt.
Die Anreise am Mittwoch Vormittag verlief völlig unspektakulär. Vorab herrschte eine gewisse Skepsis aufgrund einzelner Berichte über Anreisechaos am Vortag. Doch nach ca. drei Stunden Fahrt angekommen, hatten wir nach weiteren 15 Minuten unseren Wohnort für die kommenden vier Tage erreicht. Positiv gestimmt ging es an den Aufbau.
Wir hatten mehr als ausreichend Platz für fünf Zelte und einen dekadent großen Pavillon. Parken und Grillen am Camp ist erlaubt – für uns aber ohnehin eine zwingende Voraussetzung bei der Auswahl des Festivals. Also Grill an, erste Blechknolle auf und dann auf zum Bändchen holen.
Der Weg zum Infield ist von allen Richtungen recht kurz, weil die Campingflächen um das Infield herum angelegt sind und nicht nur in eine Richtung. Das fühlt sich alles so an, als hätte sich wer Gedanken bei der Planung gemacht.
Unsere Bändchen hatten wir am Mittag nach ca. 15 Minuten Anstehen. Die meisten dürften mittlerweile andere Verhältnisse gewohnt sein. Am späten Nachmittag war die Schlange zwar deutlich länger, aber viel länger als eine Stunde dürfte vermutlich keiner angestanden haben.
Vollständig ausgerüstet geht es direkt auf’s Infield: BROTHERS OF METAL warten natürlich nur noch auf uns. Als Fan von MANOWAR darf man sich die humorbesudelte Variante des True Metal natürlich nicht entgehen lassen. Ist eigentlich bekannt, ob sich die beiden Bands schon persönlich kennengelernt haben? Wie auch immer, wir wurden nicht enttäuscht. Die Band begeistert einfach immer wieder mit viel guter Laune. Ansteckend ...
... und macht Appetit auf mehr. Jener Appetit hat uns nach dem Konzert dann auch ein wenig das für die Anzahl der Besucher sehr geräumige Infield erkunden lassen. Direkt neben den zwei (einzigen) Bühnen befindet sich ein großzügiger Biergarten mit hunderten Sitzplätzen. Da kommen wir aber bestimmt später noch hin ... erstmal was zum Reinbeißen.
Es gibt eine große Auswahl an fester und flüssiger Nahrung und ausreichend viele Stände, die erfreulicherweise nicht in Einheitszelte im Ku-Klux-Clan-Stil gesteckt wurden. Die Getränkepreise sind moderat 0,4l Bier 4€. Fresschen teils etwas zu teuer, aber noch im Rahmen.
Dann geht's auch schon weiter mit CALLEJON. Die Jungs liefern gewohnt solide ab.
OOMPH! spielen direkt im Anschluss. Aber irgendwas stimmt da nicht. Ach so, seit einem Jahr gibt's einen neuen Sänger, wie er und Wikipedia in der Zwischenzeit verraten haben. Gar nicht mitbekommen. Gefühlt sind die besten Zeiten der Band leider auch schon so ungefähr 20 Jahre her.
Für den Höhepunkt des Tages brauchen wir eine Stärkung, also zunächst zurück zum Zelt – Dinge erledigen, die man halt am (nicht im) Zelt so macht. Nebenbei stellen wir fest, dass die prominenten blauen Boxen in der Zwischenzeit gekärchert wurden. Wie sich herausstellt, passiert das mindestens zwei Mal am Tag. Da staunt man nicht schlecht, weil wer rechnet denn mit so was? Damit konnten sich dann sogar die Metalheadinnen sehr gut anfreunden.
Die letzte Band unseres Abend ist AMORPHIS. Es ist immer wieder so erstaunlich welche Qualität sie abliefern. Immer und immer wieder. Einfach nur großartig und nicht ohne Grund einer der Favoriten ganz, ganz weit oben auf der Liste.
Nacht. Kalt. Arschkalt! 10 °C. Brrrrrr.
Am Donnerstag wird das Infield für uns erst am späten Nachmittag interessant. In der Zwischenzeit vergnügen wir uns mit einer ca. einstündigen und teils sehr kräftigen Dusche – von oben. Weiterer Regen scheint möglich. Der Erfahrung nach kann das ja lustig werden. Also alles Nötige eingepackt und auf zu RAGE.
Trotz des intensiven Regens muss man die erwarteten Schlammlöcher suchen bzw. es sind eher kleine Pfützen. Irgendwas muss an dem Boden hier anders sein, nicht ganz so heilig wie im hohen Norden oder so. Ich bin geneigt, wegen teilweiser Nichterfüllung der Leistung Geld zurück zu verlangen ;-) ...
Mein persönlicher Höhepunkt des Tages: Pain, PAIN, PAIN!!1elf!
Mehr oder weniger zufällig stehen wir nicht wie üblich im vorderen Drittel, sondern etwa in der Mitte. Ist auch gut so, denn bei PAIN!!1elf! Ist eine gewisse Bewegungsfreiheit von Vorteil. Schnell, mit Wumms, ein wenig Elektro. Also das Allerschönste, was Füße können, ist tanzen. "Party in my Head" ... ich werd verrückt ... das ist der Wahnsinn!
Zur Erholung gibt’s ein wenig HATEBREED auf die Fresse und weil das alles so anstrengend war, lassen wir den Tag mit Volksmusik im Stile von HAMMERFALL ausklingen.
Nacht. Kalt. 12 °C. Etwas weniger Brrr.
EM 2024. Passende Klamotte vergessen. Egal, Schwarz ist schließlich genug Farbe.
Das Spiel ist um 18 Uhr und im Biergarten steht mittlerweile ein großer Bildschirm. Wenn wir dort noch einen Platz haben wollen, sollten wir ca. zwei Stunden vorher dort sein. War geraten, passte aber ganz gut. Es bietet sich an, direkt vorher noch ein wenig a-capella von VAN CANTO zu genießen. Die machen so viel Spaß! Wie immer sehr unterhaltsam.
Kommentar zum Spielergebnis: <piep> <piep> <piep> Schiedsrichter <piep> <piep> <piep>
Aber der Abend ist ja noch nicht zu Ende. Pünktlich zum Ende des vergeigten Spiels spielen AMARANTHE. Die (lt. "Metal Hammer" – ich finde diese Beschreibung großartig) „Allesverwurster“ schaffen es, die Stimmung wieder deutlich nach oben zu bringen. Ich danke Elize, dass mir heute noch die Ohren klingeln!
Den Abschluss machen die Spaßvögel von ALESTORM. Leider konnte ich keines von diesen schönen großen Quietscheentchen ergattern, aber das wird sicher noch. Das war definitiv nicht das letzte Treffen. We are here to drink your beer *cheer*
Das EM-Spiel ist bis zu den Diskussionen am nächsten Tag zumindest vergessen.
Nacht. Weniger kalt. 13 °C. Nur noch bisschen Brr.
Nach dem Frühstück amüsieren wir uns über das obligatorische Interview eines Nachrichtensenders mit Zettel-Ewald. Es sollte mehr solcher Leute mit Sachverstand im Fußball geben.
Im Laufe des Tages droht ein Gewitter und das Infield wird am Nachmittag gesperrt, wodurch leider ein wenig des geplanten Programms ausfällt. Der angekündigte Weltuntergang fällt jedoch bekanntermaßen aus und wird dürfen zu ORDEN OGAN wieder antreten. Also los.
So langsam wird es auffällig, dass bei der Eingangskontrolle keiner so wirklich kontrolliert wird. Immerhin wird jeder freundlich begrüßt und die Ordner wünschen jedem stets viel Spaß. Hmmm ... das ist zwar nett, aber gefühlt leicht am Ziel vorbei.
Anschließend verwöhnen uns die langjährigen Helden von SOILWORK die Ohren. Glücklicherweise wieder mit Bjørn, der uns beim letzten Konzert im Grünspan (Hamburg) leider krankheitsbedingt abhanden gekommen ist. Mussten wir halt selbst singen.
Um 20 Uhr dann wie geplant Abreise.
Fazit
Es war ein tolles und völlig entspanntes Erlebnis und im positiven Sinne überhaupt nicht vergleichbar mit diesen Riesenveranstaltungen, die es in einigen Teilen des Landes gibt. Ganz offensichtlich sind wir alle viel zu lange in unserem Tunnel gewesen. Es ist eine Offenbarung, ein kleines sympathisches und echt großartig organisiertes Festival besucht zu haben. Wir werden im nächsten Jahr definitiv wieder dabei sein.
Das Rockharz Festival ist ein Ort zum Wohlfühlen. Hat sich schon mal jemand bedankt, wenn man Platz macht, wenn wer durch will? Erlebe ich selten, aber dort etliche Male. Bis auf sehr vereinzelte Ausnahmen war der Umgang immer sehr nett. Keine drängelnden Vögel, nicht ein „Müllcamp“ gesehen, stattdessen viel Hilfsbereitschaft gegenüber anderen. So soll es sein.
Auf dem gesamten Gelände gibt es keine Videowände. Keine (Pausen-) Werbung, kein Bullshit – großartig!
Bei allem Lob ist auch nicht alles perfekt und das betrifft leider die Kernkompetenz: Der Sound im Bereich direkt vor den Bühnen ist gelinde gesagt grottenschlecht. Völlig übersteuernde Bässe, wo man die deutliche Überforderung der Hardware bemerkt. Meistens waren insbesondere die Mikrofone viel zu leise, insbesondere die Snare des Schlagzeugs viel zu laut.
Im mittleren und hinteren Bereich ist das deutlich besser, wenn auch nicht richtig gut.
Keine Ahnung, was der Grund dafür ist, aber das war echt schade, weil bei den meisten Bands vorne nur ein Lärmbrei wahrzunehmen war.
Spoiler für nächstes Jahr: Heaven Shall Burn, Overkill, Powerwolf, Asenblut, ASP, Combichrist, Dark Tranquility, Die Kassierer, Gloryhammer, J.B.O., Kupfergold, Sodom, Vader, Versengold, Warkings – Wir sehen uns!