Geschrieben von Sonntag, 08 September 2024 21:25

20 Jahre Hämatom - Unser Bericht vom Maskenball in Gelsenkirchen

Ausgelassene Stimmung beim Maskenball Ausgelassene Stimmung beim Maskenball Bild: Cengiz

Es ist Ende August, ich würde fast schon behaupten, der Sommer neigt sich dem Ende zu und die Festivalsaison ist weitestgehend gelaufen, aber nicht so in diesem Jahr. Die Sonne begleitet uns weiterhin stabil und HÄMATOM laden nach Gelsenkirchen zum zweitägigen Maskenball Festival.

Die Anreise zum Amphitheater habe ich leider etwas unterschätzt. Einzige Anbindung, abgesehen vom Auto, ist tatsächlich nur ein Bus, und so stehen wir im Amphitheater, als SCHATTENMANN ihr Set beendeten. 

Dafür wurde in Rekordzeit umgebaut und MISTER MISERY starten spontan eine Viertelstunde früher, lassen also kaum Zeit zum Durchatmen oder entspannten Ankommen. Die Schockrocker aus Schweden werfen sich ordentlich in Schale und wissen direkt zu überzeugen. Irgendwo zwischen ALICE COOPER und ICE NINE KILLS lassen sie ihr dramatisches und theatralisches Gitarrengewitter auf uns einprasseln. Die Ränge füllen sich zügig, während die Schweden ein buntes Potpourri aus ihren drei Alben zum Besten geben. Vor der Bühne feiert eine motivierte Traube tüchtig mit, während sich weitere auf den Treppen des Amphitheaters niederlassen und die Sonnenstrahlen zur Musik genießen.

Es herrscht ein buntes Treiben im Amphitheater. Freakz wuseln herum, fast alle tragen HÄMATOM-Shirts, weiter hinten stehen Zelte und Buden. Fans tauschen sich aus, posieren für Fotos und es herrscht eine unfassbar angenehme und familiäre Atmosphäre. Uns sind keine Suffköpfe oder anderweitig unangenehme Menschen begegnet, dafür viele Kinder und generell eine unfassbar bunte Meute.

Maschine führt uns heute auf der Bühne durch den Tag, ist sichtlich aufgeregt und freut sich über das große Familientreffen. Schließlich werden 20 Jahre HÄMATOM gefeiert und alles steht unter dem Motto aus 2019: "Wir sind keine Band, wir sind eine Familie". Gelegentlich wirkt es jedoch auch ein wenig wie ein Kult. 

Aber weiter im Programm: Die maskierten Biester DYMYTRY übernehmen und die Ränge werden merklich voller und voller. Die harte Traube vor der Bühne wird immer lauter. Es wird gehüpft und geklatscht und die Band hat sichtlich Freude auf der Bühne. Ihre guten Mienen verstecken sie jedoch gekonnt hinter ihren detailliert ausgearbeiteten Masken, nur der Drummer grinst fast durchgehend breit über beide Ohren.

Aber DYMYTRY und HÄMATOM teilen nicht nur die maskierten Auftritte, es wurde auch bereits ausgiebig gemeinsam getourt und Bassist Arthur hat nach Wests Tod für einige Gigs den Platz am Bass übernommen. Später macht sich Gitarrist Dymo noch auf den Weg ins Publikum, um mit der Meute gemeinsam weitere Songs zu rocken und schlägt auch noch einarmige Räder auf der Bühne. Da scheint jemand trotz Auftritt nicht ausgelastet gewesen zu sein. 

Maschine rundet das Ende der monströsen Show ab und macht uns schon mal heiß auf BEAST IN BLACK und den vor der HÄMATOM-Show stattfindenden großen Familienchor, bei dem alle gemeinsam "Wir sind keine Band" singen werden. 

Und nach so viel düsterer Monstrosität mit DYMYTRY und MISTER MISERY gibt's nun Kontrastprogramm mit Gute-Laune-Gummibärchen-Powermetal aus dem finnischen Bilderbuch mit BEAST IN BLACK. Genretypisch gibt die Truppe direkt Vollgas. Es wird jede erdenkliche Möglichkeit genutzt, die Klampfen in die Luft zu reißen, gemeinsam zu posen und die Meute anzustacheln.

Die Menge klatscht begeistert, springt im Takt und streckt die Pommesgabeln in Richtung Bühne. Wummernde Synthesizer, ausufernde Gitarrensoli und im Wind wehende Mähnen sorgen für ein mitreißendes Spektakel. BEAST IN BLACK lassen nichts anbrennen und sind der ADHS-wahrgenommene Fiebertraum eines jeden Powermetalfans. Es ist ein wenig bescheuert, etwas plump und sollte einfach nicht zu ernst genommen werden. Titel und Texte sind auch eher aus dem Metal-Generator gefallen, machen aber umso mehr Spaß. Ob das chaotische "Power Of The Beast" oder das vor sich herstampfende "Die By The Blade" – die Fans feiern gemeinsam mit der Band eine unterhaltsame Show. 

Die Sonne verabschiedet sich langsam, auf der Bühne wird in Rekordzeit umgebaut und um uns die Wartezeit zu verkürzen, wird, bevor es richtig losgeht, "Wir sind keine Band" angestimmt, welches die ganze Arena lautstark mitsingt und Teil des kommenden Albums sein wird. Nachdem uns ein Einhorn nochmal ordentlich eingeheizt hat und wir gemeinsam das Gummibärenbanden-Intro zum Besten gegeben haben, fällt schließlich der Vorhang und HÄMATOM legen fulminant los. Während am Freitag überwiegend Songs der ersten 20 Jahre auf der Setlist standen, sind es heute überwiegend Titel aus der zweiten Hälfte der Bandhistorie. 

Auf der Bühne wacht Wests Blick über die Show und uns alle, streckt uns den Mittelfinger und einen Strauß Rosen entgegen. Hinzu kommt reichlich Pyro, welche Nord am Freitag fast zum Verhängnis geworden wäre, hätte Ost nicht geistesgegenwärtig das Feuer gelöscht. Dazu noch reichlich Fahnen im Publikum, bunt blinkende Luftballons und Nord auf dem elektrischen Stuhl. Die Familienfeier erweist sich als Kindergeburtstag für Große, in 20 Jahren schauen COLDPLAY sicherlich ganz neidisch auf die Produktion von HÄMATOM.

Das Set entpuppt sich als wilde und bunte Mischung und zeigt sehr eindrucksvoll, wie wandlungsfähig HÄMATOM in ihrem Genre sind. Ob das synthielastige "GAGA", die entspannte neue Single "Scheiße kommt - Scheiße geht", "Tanz auf dem Vulkan" vom Berlin-Album oder eben die Voll-auf-die-Fresse-Nummern "Wir sind Gott" oder "Ihr wisst gar nichts über mich". So unterschiedlich die Nummern alle sind, so unproblematisch stehen die Titel nebeneinander und sorgen für eine runde Show.

Zusätzlich streuen HÄMATOM noch einige Coversongs ins Set wie "Bleib in der Schule" oder "I Want It All". DYMYTRY entern auch noch die Bühne, bringen hervorragenden Tankstellenfusel als Geschenk für ROSE mit und spielen gemeinsam "Behind The Mask".

Und nachdem gestern Drummer Süd seinen Moment in der Meute hatte, sind heute Nord und Ost an der Reihe. Auf einem kleinen Podest in der Menge spielen sie "Alte Liebe rostet nicht". Das große Finale läutet die Band dann selbstverständlich mit der Ballermann-Hymne "Es regnet Bier" ein. Die Crew und DYMYTRY entern die Bühne und lassen sich gemeinsam mit der Band nochmal ordentlich feiern. 

Einige genießen noch die angenehme Atmosphäre nach der Show, viele andere verlassen das Theater nun in die Nacht, und wir freuen uns über einen unfassbar angenehmen Tag mit vielen begeisterten Freakz, unfassbar starken Bands in einer der wohl schönsten Konzertlocations.

Cengiz

Seit 2012 bin ich mit Kamera und offenem Ohr für BurnYourEars unterwegs.

Mein musikalischer Horizont kennt keine Grenzen: Von synthlastigem Metal über Rap bis hin zu Screamo – Hauptsache, es groovt und hat Tiefgang.

Live-Konzerte sind meine Passion. Zahllose Gigs und Festivals später bin ich immer noch süchtig nach der Energie, die nur Live-Performances entfachen können. Denn egal wie brillant eine Platte klingt, erst auf der Bühne zeigt sich die wahre Magie einer Band.

Meine All-Time-Favourites? Machine Head, Heaven Shall Burn und Parkway Drive (bis "Reverence"). Aber meine Playlist ist so vielfältig wie ein Festivalprogramm – von Crossfaith bis Lamb of God ist alles dabei.

Wer einen Blick auf meine fotografische Reise durch die Musikwelt werfen möchte: Mein Portfolio mit Konzertbildern seit 2012 findet ihr auf fotocengiz.de.