Geschrieben von Mittwoch, 18 Dezember 2024 13:19

Rock Out Festival 2024: Ein heißer Ritt – Der Bericht

Abräumer des Abends: KISSIN' DYNAMITE Abräumer des Abends: KISSIN' DYNAMITE Fotos: Marcus Bendel

Zum Abschluss des Jahres haben sich die Macher der drei Hard Circle Festivals nicht lumpen lassen. BLIND GUARDIAN, KISSIN' DYNAMITE und GAMMA RAY, dazu noch H.E.A.T., DYNAZTY und AXXIS – ein Programm, das so gut wie keine Wünsche offen ließ. BurnYourEars war beim Rock Out 2024 in Augsburg mit dabei. 

13.12.2024 – Sechs Tage nach dem Pott Out in Bochum macht der Metal-Party-Zirkus in der Augsburger Schwabenhalle Station. Alles ist top durchorganisiert, die Preise sind halbwegs moderat und die Halle ist mit knapp 4.500 Besuchern gut gefüllt. Einziges „Manko“, wenn man es so sehen möchte: Es ist Freitagabend, und wenn einem gerade noch die Arbeitswoche in den Knochen steckt, kann es echt herausfordernd sein, acht Stunden Vollgas zu geben. Also Vitaminpillen eingeworfen und los geht's ...

AXXIS

Als Opener fungieren ab 17 Uhr AXXIS, die sich 35 Jahre nach ihrem Debut-Album „Kingdom Of The Night“ auf Abschiedstour befinden. Da bieten die Hard Circle Festivals eine tolle Gelegenheit, sich nochmal im größeren Rahmen zu präsentieren. Mit der hohen Stimme von Bernhard Weiß habe ich zugegebenermaßen immer ein wenig gefremdelt, doch live funktioniert das alles für mich äußerst gut. Die Songs sind melodisch, abwechslungsreich und gehen gut ins Ohr, so dass das Publikum zunehmend in Fahrt kommt. Ein sehr guter Auftakt!

Setlist AXXIS
„Little Look Back“ / „Coming Home“ / „Moonlight Bay“ / „Tales Of Glory Island“ / „Touch The Rainbow“ / „Heaven In Black“ / „Living In A World“ / „Kingdom Of The Night“ / „Little Look Back“ / „Higher“

DYNAZTY

Danach stürmen DYNAZTY die Halle – und das ist wörtlich zu verstehen. Das schwedische Power-Metal-Quintett um Sänger Nils Molin hat in den nächsten Jahren noch viel vor, das merkt man der Band zu jeder Sekunde an. Es gibt keine Metal-Pose, die die Jungs nicht draufhaben, dazu eine ausgefeilte Optik mit Star-Appeal und fetten Sound, der mächtig nach vorne peitscht.

Lediglich die ständigen eingespielten Beats wirken mir persönlich etwas zu dick aufgetragen. Ich hoffe, es nimmt mir niemand krumm, doch gerade bei den aktuellen, extrem eingängigen DYNAZTY-Songs „Devilry Of Ectstasy“ und „Game Of Faces“ schießt mir ein ums andere Mal der Begriff „Schlager-Stampf-Metal“ durch den Kopf. Aber muss mir ja auch nicht hundertprozentig gefallen – den Publikumsreaktionen nach zu urteilen, funktioniert das Ganze hier hervorragend! Im Frühjahr sind DYNAZTY mit neuer Scheibe auf Headliner-Tour durch Europa.

Setlist DYNAZTY
„Fortune Favors The Brave“ / „Game Of Faces“ / „Natural Born Killer“ / „Waterfall“ / „Devilry Of Ecstasy“ / „Presence Of Mind“ / „The Human Paradox“ / „Heartless Madness“

H.E.A.T.

Als Nostalgiker kann ich bei H.E.A.T., ebenfalls aus Schweden, schon deutlich enthusiastischer mitgehen – genau genommen sogar regelrecht ausflippen! Hier regiert kerniger Hardrock der guten, alten 80er-Schule, der jedoch absolut nicht angestaubt wirkt, sondern extrem energiegeladen und zeitgemäß rüberkommt. Mit Kenny Leckremo hat die Band einen stimmgewaltigen Sänger, der immer wieder an Joey Tempest von EUROPE erinnert und seine Stimmbänder zu keiner Sekunde schont.

Dazu springt Kenny unentwegt wie ein Gute-Laune-Flummi über die Bühne, lacht und kommuniziert dabei andauernd mit dem Publikum. Was für eine witzige Quasselstrippe! Den Kerl möchte man am liebsten direkt auf ein paar Bier am nächsten Getränkestand einladen – auch auf die Gefahr hin, dass man den Rest des Abends nicht mehr zu Wort kommt ... Ein wirklich bärenstarker Auftritt! Wer Hardrock mag und Songs wie „One By One“, „Back To The Rhythm“, „1000 Miles“ und „Living On The Run“ bislang nicht kennt, sollte diese unbedingt mal antesten.

Setlist H.E.A.T.
„Back To The Rhythm“ / „Rock Your Body“ / „Hollywood“ / „Downtown“ / „One By One“ / „Beg Beg Beg“ / „Living On The Run“ / „1000 Miles“ / „Dangerous Ground“

GAMMA RAY

Dass ich GAMMA RAY in diesem Leben nochmal live erleben würde, hätte ich bis vor kurzem nicht zu träumen gewagt. Insofern ist der Auftritt der Band, die Kai Hansen 1989 nach seinem zwischenzeitlichen (letztlich mehr als 25 Jahre andauernden) Ausstieg bei HELLOWEEN aus der Taufe gehoben hat, derjenige, dem ich beim Rock Out am meisten entgegengefiebert habe. Und das geht nicht nur mir so, wenn ich mir die Vielzahl an GAMMA RAY-Shirts im Publikum ansehe.

Leider, leider muss ich sagen, gelingt es der Band nicht, mich komplett abzuholen. Zwar ist es toll, Songs wie „Last Before The Storm“, „One With The World“, „Rebellion In Dreamland“ und „Heaven Can Wait“ live zu hören und mitsingen zu können, so richtig vermag der Funke während der 55 Minuten bei mir aber nicht überzuspringen. Das mag auch am etwas pappigen Sound liegen. Kai Hansen steht eindeutig im Mittelpunkt des Interesses, seine Rolle als Teamleader merkt man ihm allerdings kaum an. Bis auf ein paar nette Ansagen überlässt er die Bühne weitgehend seinem Co-Sänger Frank Beck.

Natürlich darf man nicht vergessen: Nach ihrer jahrelangen Pause haben GAMMA RAY lediglich eine Handvoll gemeinsamer Auftritte gespielt. Und vielleicht ist das der ausschlaggebende Punkt: Alle anderen Bands an diesem Abend präsentieren sich jeweils als perfekt eingespielte Einheit, die unzählige gemeinsame Gigs auf dem Buckel hat.

Wahrscheinlich habe ich einfach zu sehr gehofft, die GAMMA RAY-Vibes von vor über 30 Jahren erneut spüren zu können. Und nur zu gern würde ich hier ein paar euphorische Worte über die Rückkehr meiner alten Helden finden, so fühlt es sich für mich aber nun mal nicht an. Ich denke und hoffe jedoch, es gibt Fans, die dieses Konzert komplett anders erlebt haben. Und schön ist es ja schon, Kai Hansen nochmal außerhalb des HELLOWEEN-Kosmos erlebt zu haben.

Setlist GAMMA RAY
„Land Of The Free“ / „Last Before The Storm“ / „Empathy“ / „Master Of Confusion“ / „One With The World“ / „Induction“ / „Dethrone Tyranny“ / „Rebellion In Dreamland“ / „Somewhere Out In Space“ / „Heaven Can Wait“

KISSIN' DYNAMITE

It's party time! Unweigerlich muss ich daran zurückdenken, wie ich KISSIN´ DYNAMITE das erste Mal live gesehen habe, beim Rockavaria Festival 2015 in München. Die damals noch komplett in Schwaben beheimateten Jungs hatten gerade so das Stadium einer guten Schülerband hinter sich gelassen und durften am Nachmittag in der völlig überdimensionierten Olympiahalle ran, während zeitgleich draußen ACCEPT das Stadion rockten. Und obwohl sich nur ein paar Hundert Neugierige und Freunde der Band vor der Bühne eingefunden hatten, gaben KISSIN' DYNAMITE Gas, als wären sämtliche Ränge in der riesigen Halle bis auf den letzten Platz besetzt. Die Jungs um Sänger Hannes Braun waren „on fire“, das merkte man damals schon!

Neun Jahre später: KISSIN' DYNAMITE haben sich mit Akribie und unbändiger Leidenschaft zu einem der stärksten und unterhaltsamsten Live-Acts gemausert, die ich kenne. Aufblasbare Dynamitstangen, stetig wechselnde Backdrops, leuchtende Showtreppen, rumfliegende Riesenballons, „König“ Hannes mit Zepter und Thron – unentwegt wird auf der Bühne was für's Auge geboten, und dem Mitsingfaktor von Songs wie „Only The Dead“, „Raise Your Glass“ oder „Six Feet Under“ können sich wohl allenfalls die größten Miesmuffel noch entziehen.

Natürlich darf man KISSIN' DYNAMITE cheesy finden und sich fragen, was das Ganze mit Metal zu tun haben soll, doch die unglaublich sympathische und zugleich bodenständige Art der Band sowie die positive Energie dieser Rock-Show sind wirklich sensationell!

Die Halle feiert begeistert mit, und wenn Hannes während der Mitsing-Hymne „You're Not Alone“ zum Schlauchboot-Ritt über die Köpfe der Fans ansetzt, entsteht zwischen Band und Publikum eine außergewöhnliche Verbindung, um die KISSIN' DYNAMITE ganz sicher von vielen ihrer Musikerkollegen beneidet werden. Wirklich beeindruckend!

Es ist keine Frage: KISSIN´ DYNAMITE düsen locker und gut gelaunt als Gewinner dieses Abends durchs Ziel und dürften eine Menge neuer Fans hinzugewonnen haben.

Setlist KISSIN' DYNAMITE
„Back With A Bang“ / „DNA“ / „No One Dies A Virgin“ / „I've Got The Fire“ / „My Monster“ / „I Will Be King“ / „Only The Dead“ / „The Devil Is A Woman“ / „Six Feet Under“ / „Not The End Of The Road“ / „You're Not Alone“ / „Raise Your Glass“

BLIND GUARDIAN

Es ist 23.40 Uhr, als BLIND GUARDIAN endlich als Headliner dieses Festivals auf die Bretter dürfen – zu einer Uhrzeit also, zu der Hansi Kürsch und Co. vermutlich – wie wohl auch der Großteil des Publikums (der Altersdurchschnitt dürfte bei etwa 50 liegen) – normalerweise bereits in ihrer Drachenhöhle an der Matratze horchen. Da das auch mich betrifft, fühle ich mich inzwischen ehrlich gesagt ganz schön schlapp – mal schauen, wie es BLIND GUARDIAN gelingt, nach dem Triumphzug von KISSIN´ DYNAMITE und der darauf folgenden Umbaupause den Stimmungspegel oben zu halten.

Zum Glück haben BLIND GUARDIAN ausreichend Fans in der Halle, die vor allem ihretwegen hier und zudem bereit sind, sich bis zur letzten Sekunde auszupowern und jede Textzeile mitzusingen. Zum anderen ist ja bekannt, dass auch die Krefelder Metal-Institution immer präzise und dazu noch locker-sympathisch abliefert – egal, wie die äußeren Umstände auch sein mögen.

Mit einer aus meiner Sicht bunt gemischten Setlist, Hansis gewohnt charmanten Ansagen und alten Krachern wie „Imaginations From The Other Side“, „Banish From Sanctuary“ und „Majesty“ gelingt es BLIND GUARDIAN daher recht gut, die langsam abnippelnden Lebensgeister nochmal in Wallung zu versetzen. Für mich kein Jahrhundert- Auftritt, aber wie immer extrem stark. Erwartungsgemäß setzen „Valhalla“ und „Mirror, Mirror“ um 1 Uhr den Schlusspunkt unter dieses hervorragend besetzte Festival in Augsburg.

Setlist BLIND GUARDIAN
„Imaginations From The Other Side“ / „Blood Of The Elves“ / „Nightfall“ / „Banish From Sanctuary“ / „Violent Shadows“ / „Time Stands Still (At The Iron Hill)“ / „Bright Eyes“ / „Into The Storm“ / „The Bard's Song - In The Forest“ / „Majesty“ / „Lord Of The Rings“ / „Valhalla“ / „Mirror Mirror“

Der Vorverkauf für's Rock Out 2025 hat übrigens bereits begonnen – ich bin gespannt, welche Bands die Veranstalter im kommenden Jahr aus dem Hut zaubern.

Marcus

Als Kind geprägt durch die umfangreiche Plattensammlung meines Vaters, in der von BAP bis Motörhead alles vertreten war, sowie eine dauerhafte Infektion mit dem Kiss-Virus (seit 1979 nicht mehr abgeklungen), entwickelte sich äußerst früh meine Begeisterung für Rock, Hardrock, Metal und Konzerte. Und abgesehen von Paul Stanley und Co. gilt in meinem Fall: Je kleiner, desto feiner! Diese unglaubliche Energie, die ein Clubgig entfachen kann, ist für mich mit nichts zu vergleichen. Insofern ist es gar nicht hoch genug zu bewerten, dass es auch nach Corona und trotz bedenklicher Preisentwicklungen kleine Veranstalter und Locations gibt, die mit Herzblut dafür kämpfen, auch unbekannteren Künstlern eine Bühne zu bieten – das ist keine Selbstverständlichkeit! Insofern: Support your local clubs and bands!

Top 5 Studioalben

W.A.S.P. - The Crimson Idol (1992)
Dark Tranquillity - Haven (2000)
Helloween - Keeper Of The 7 Keys, Part I (1987) 
Savatage - Streets / A Rock Opera (1991) 
Fifth Angel - Fifth Angel (1986)

Top 5 Livealben

Kiss - Alive II (1977)
Blind Guardian - Tokyo Tales (1993)
Stratovarius - Visions Of Europe (1998)
Iron Maiden - Rock In Rio (2002)
Judas Priest - Unleashed In The East (1979)

Top 5 Konzerte

Kiss + Iron Maiden (Kassel 1980)
Helloween + Overkill (Fulda 1987)
In Flames + Dark Tranquillity + Sentenced (Nürnberg 2000)
Savatage (München 1996) 
Tailgunner (Selb 2024)

Rückmeldungen und Fragen sehr gerne per Instagram @bendelmarcus

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