Ich geb's zu: Nachdem im September etliche Rock- und Metal-Medien TURBOKILLS Zweitling „Champion“ über den grünen Klee gelobt hatten („Adrenalinschwangere Hits“, „Schnell, kraftvoll, gespickt mit Melodien“, „Vertonte gute Laune“, „Ein Power-Metal-Leckerbissen“ – so nur ein paar Zitate), war ich beim ersten Reinhören gar nicht sicher, ob ich die Begeisterung eher übertrieben fand und ob ich mit Stephan Dietrichs hohen Vocals hundertprozentig warm werden würde. Zumal ich zu diesem Zeitpunkt weder TURBOKILLs ersten Output „Vice World“ (2019) kannte, noch die Scheiben, die Stephan mit seiner vorherigen Band ALPHA TIGER (zwischen 2009 und 2015) veröffentlicht hatte.
Große Vorbilder
Aber seien wir ehrlich: Viele Alben, die mich irgendwann mal auf Anhieb begeistert haben, wurden mittlerweile im CD-Regal unter L wie „Langweilig“ einsortiert. Viel schöner ist es doch, wenn man einer Scheibe aus gutem Grund immer wieder eine Chance gibt und bei jedem neuen Durchlauf feststellen darf, dass sie einem zunehmend besser und besser gefällt. Selbst Klassiker wie „Defenders Of The Faith“ oder „Somewhere In Time“ haben einige Runden gebraucht, bevor sie vollends bei mir gezündet haben.
Im Fall von TURBOKILLs „Champion“ waren es zunächst catchy Songs wie „Tear It Down“ und „Go Your Way“, die mich für sich einnehmen konnten, später kamen dann Grower wie der Titelsong, „Mirage Mirror“, „Wings Of The Thunder Hawk“ oder die tolle Ballade „Shine On“ hinzu. Was allen Songs auf diesem Album gemein ist: Sie vermitteln eine positive Grundstimmung, sollen der Hörerschaft gute Laune vermitteln und rufen dazu auf, sein Leben und sein Glück selbst in die Hand zu nehmen.
Inzwischen kann ich den positiven Kritiken vollauf zustimmen: TURBOKILL ist als kleiner Band das Kunststück gelungen, mit „Champion“ eine enorme Bandbreite des klassischen Heavy und Power Metal abzudecken, ohne platt abzukupfern oder altbacken zu klingen. JUDAS PRIEST, HELLOWEEN, QUEENSRYCHE, MANOWAR, dazu Bands wie SCANNER und HEAVENS GATE – von all diesen Vorbildern bilde ich mir ein, Reminiszenzen herauszuhören. Unnötiges Füllmaterial sucht man auf dieser Scheibe mit der Lupe.
Dazu haben TURBOKILL mit Stephan Dietrich einen Sänger in ihren Reihen, nach dem sich andere Bands sämtliche Finger lecken würden. In vielen Reviews wird er mit Geoff Tate, Michael Kiske oder auch John Arch (Ex-FATES WARNING) verglichen, bringt aber definitiv seinen eigenen stimmlichen Charakter in die Musik mit ein. Ob „Champion“ nun ein gutes oder ein sensationelles Album ist, kann nur jeder für sich selbst entscheiden – fest steht für mich, dass so eine Platte vor 35 Jahren komplett durch die Decke gegangen wäre!
Furioser Auftakt mit ASCENDANCY
Entsprechend gespannt bin ich, als ich mich am 27. Dezember 2024, einem Freitagabend, in den Backstage Club in München begebe, um den Auftakt der TURBOKILL-Tour mitzuerleben. Was sofort auffällt: TURBOKILL haben keine Roadies am Start, sondern kümmern sich um alles selbst, vom Aufbau bis zum Merch-Verkauf – back to the roots eben. Als Opener fungieren ASCENDANCY, ein junges Münchner Quintett, das melodischen Speed Metal mit Thrash-Anteilen spielt und beim Publikum sehr gut ankommt. Mit „Archive Of Death“ haben ASCENDANCY 2024 ihr Debutalbum veröffentlicht. Live auf jeden Fall ein guter Einheizer!
TURBOKILL überzeugen auf ganzer Linie
Gegen 21 Uhr betreten TURBOKILL zu den Klängen des atmosphärischen Intros „Inner Calling“ die Bühne und legen mit „A Million Ways“ energisch los. Von Anfang an wird deutlich: Die Band besteht aus äußerst versierten und erfahrenen Musikern, die genau wissen, was sie tun. Das Gitarren-Duo Daniel Kanzler und Ronny Schuster harmoniert perfekt und macht aus seiner Bewunderung für das frühere JUDAS PRIEST-Doppel Tipton/Downing keinen Hehl. Unterdessen halten Basser Marco „Fox“ Grünwald und Drummer Kevin „Käfer“ Käferstein den Laden hinten zusammen und treiben die eingängigen, meist schnellen Songs kraftvoll nach vorne.
Im Mittelpunkt steht während des gesamten Sets Sänger Stephan, dem – wie auch seinen Bandkollegen – den ganzen Abend über kein einziger Schnitzer unterläuft, nicht einmal in den allerhöchsten Tonlagen. Die Band hat offensichtlich Spaß und geht auf der Bühne gut ab, was sich sofort auf das Publikum überträgt. Nur zu gern lassen sich die Fans immer wieder zum Singen, Klatschen, Tanzen, Fäusterecken und Headbangen animieren, ob nun beim älteren „Track N´ Spy“ oder der neuen Mitgröl-Hymne „Power Punch“.
Nach 15 Stücken, darunter der MANOWAR-Abgehnummer „Hail And Kill“, ist Schluss, und ich muss feststellen: Dieses tolle und kurzweilige Konzert hätte meinetwegen sehr gerne noch eine gute Stunde länger dauern können!
Tour bis Ende Januar
Das Einzige, das ich an diesem Abend ein wenig schade finde: Der recht kleine Backstage Club hätte besser besucht sein können. Und ich frage mich: Liegt es am zeitgleich stattfindenden Konzert von DOMINUM, MAJESTICA und HAMMER KING nur eine Halle weiter, war der Termin zwischen den Jahren vielleicht einfach ungünstig gewählt oder sind viele Metalfans mittlerweile so übersättigt, dass sie es nicht mehr als reizvoll erachten, eine unbekanntere, jedoch extrem starke Live-Band aus heimischen Gefilden zu unterstützen, die unzählige Mühen auf sich nimmt, um so einen Abend überhaupt erst möglich zu machen?
Das ist keinesfalls anklagend gemeint (ich schaffe es ja auch nicht, sämtliche Gigs zu besuchen, die ich gerne sehen würde), ich kann aber nur jedem, der ein Herz für ehrlichen, hervorragend gespielten klassischen Metal hat, empfehlen, sich die Chance auf einen TURBOKILL-Gig nicht entgehen zu lassen. Für schlappe 20 Euro Eintritt (die Shirts kosten auch nicht mehr) bekommt man ein mitreißendes Live-Event geboten, das einen gefühlt direkt ins „Golden Age“ des Heavy Metal zurückentführt und keine Wünsche offenlässt.
Für alle, die mehr über die Band erfahren möchten: Vor dem Auftritt im Backstage München konnte ich für BurnYourEars ein umfangreiches Interview mit TURBOKILL führen.
Folgende Städte wollen TURBOKILL auf ihrer Tour bis Ende Januar 2025 ansteuern: München (27.12.24), Kassel (03.01.25), Saarbrücken (04.01.25), Hamburg (10.01.25), Malle/Belgien (11.01.25), Hannover (17.01.25), Dresden (18.01.25), Osnabrück (24.01.25), Annaberg-Buchholz (25.01.25). Weitere Termine sind im Gespräch.
Setlist TURBOKILL:
„A Million Ways” / „War Thunder“ / „Time To Wake“ / „Champion“ / „Vice World“ / „Mirage Mirror“ / „Wings Of The Thunder Hawk“ / „Track N´ Spy“ / „Go Your Way” / „Sons Of The Storm“ / „Power Punch“ / „Tear It Down“ / „Turbokill“ / „Hail And Kill“ / “Overcome”