Für HARAKIRI FOR THE SKY ist dieser Abend ein Grund zum Feiern, denn das sechste Album „Scorched Earth“ hat ganz passend zur kalten, grauen Jahreszeit das Licht der Welt erblickt. Und da es sich gemeinsam am besten feiert, wurde die Hamburger Metal-Gemeinde dazu veranlasst, sich im Kultur Palast zu versammeln und diese Achterbahnfahrt an Gefühlen gemeinsam zu erleben.
Der Einlass fand bereits um 19 Uhr statt, jedoch dachten sich vermutlich fast alle Fans, dass sich das frühe Erscheinen nur bedingt lohnt und es bildete sich etwa eine halbe Stunde vor Konzertbeginn eine recht lange Schlange, die sich aber recht schnell in Richtung Eingang bewegte. Da es auch mein erstes Mal im Kultur Palast war, wurde ich überrascht von der gut organisierten hübschen kleinen Location. Ein wenig unpraktisch gewählt ist der Ort der Garderobe, deren Eingang sich im Innenraum quasi neben der Bühne befindet, was im Umkehrschluss bedeutete, dass eine Menge sehr warm angezogener Menschen im ebenfalls sehr warmen Publikumsbereich Schlange stehen mussten.
Abgesehen davon bietet die Bühne mehrere Blickwinkel frontal oder auch von der Seite, was bei einem ausverkauften Konzert doch ganz praktisch sein kann, wenn man ein wenig später dazu stößt und eine seiner Körpergröße entsprechende Perspektive sucht.
HERETOIR
Einigermaßen pünktlich gegen 20 Uhr ging es dann auch schon los mit dem Support-Act des Abends. HARAKIRI FOR THE SKY haben sich für ihr Release-Wochenende die Blackgaze-Veteranen von HERETOIR eingepackt, die ihnen vom Sound nicht allzu unähnlich sind und damit gebührend den Kultur Palast einheizen konnten. Dass es bei den Fans der beiden Bands einige Überschneidungen gibt, war auch am Enthusiasmus messbar, mit dem Hamburg die vier Augsburger auf der Bühne begrüßte.
Wahlweise in düsteres blaues oder rotes Bühnenlicht getaucht, legten HERETOIR die melancholische Basis des Abends fest. Es wurden vor allem Songs aus dem aktuellen Album „Nightsphere“ gespielt, aber auch ein paar ältere Tracks. Die Aussage meines Nachbars, „Moshen will ich hier nicht, aber die Augen kann man ganz gut mal zumachen“, fasst den Auftritt eigentlich ganz gut zusammen, auch wenn dann doch in härteren Passagen zusätzlich die Köpfe mitnickten.
HARAKIRI FOR THE SKY
Nach einer kurzen Umbauphase konnten wir das schlichte Banner von HARAKIRI FOR THE SKY erspähen und kurze Zeit später betraten sie auch schon zu fünft die Bühne. Dem Anlass entsprechend wurden zunächst die zwei Single-Auskopplungen „Keep Me Longing“ und „With Autumn I’ll Surrender“ der an diesem Tag erschienenen Platte „Scorched Earth“ gespielt, auf die das Publikum bestens vorbereitet war. Ich war sehr erstaunt, wie viele Menschen die Texte komplett mitsingen konnten, doch das ist für mich die Magie von HARAKIRI FOR THE SKY: Viele können sich mit den düster-hoffnungsvollen Texten identifizieren und fühlen die Musik daher auf eine intensivere und expressivere Art und Weise.
Generell blieb Sänger Michael Kogler den kompletten Auftritt über wortkarg und ließ die Lieder für sich sprechen, was der Atmosphäre sehr dienlich war, da wir somit nicht aus unserer Hypnose geweckt werden konnten. Neben „Heal Me“ wurden aus dem neuen Album auch Tracks, wie „Without You I’m Just A Sad Song“ oder das RADIOHEAD-Cover „Street Spirit (Fade Out)“ mit gesanglicher Unterstützung von GROZA zum allerersten Mal auf der Bühne gespielt. Dank des exzellenten Sounds im Kultur Palast konnte man hören, dass die neue Platte auch für die Bühnenperformance perfekt sitzt.
Der absolute Lieblingstrack des Publikums war dann schließlich recht einfach identifizierbar, denn bei „Fire, Walk With Me“ der vorletzten Platte „Arson“ bebte zumindest der Bereich direkt vor der Bühne. Zu sehen, wie viele Menschen in der Musik aufgehen und mit der Melancholie und dem Schmerz verschmelzen, war wie ein magischer Sog – und die Freude darüber konnte man in den Gesichtern der Musiker beobachten, die hier ihr Herzblut gaben.
Da die meisten HARAKIRI FOR THE SKY-Tracks stolze acht bis zehn Minuten lang sind, konnten in der Summe zwar nicht viele Songs gespielt werden, aber ein erster Eindruck des neuen Albums wurde vermittelt und auch ältere heißgeliebte Tracks wurden zelebriert, was in der Summe eine sehr gute Mischung ergab. Nach ca. eineinhalb Stunden des Hauptsets verließen wir noch wie in Trance den "Backofen", der sich Kultur Palast schimpft, und konnten wieder die kalte Januarluft schnuppern.