Geschrieben von Dienstag, 01 Mai 2007 17:40

Earthshaker Roadshock - Hamburg / Markthalle


Review

 

29.04.07 - Ob man diese Kombination an Bands gelungen nennen soll, sei dahingestellt, denn die sechs Bands hatten untereinander kaum etwas gemein. An diesem Sonntagabend zogen also alle Sorten Langhaariger zu dem Backsteingebäude in Bahnhofsnähe. In der noch nicht wirklich wärmenden Abendsonne schütteten die überwiegend jungen Leute Honigwein und Bier, alberten und warteten darauf, dass etwas passiert.
Ob sie den spitzen Plan hatten, sich die anderen Bands erträglich zu trinken, weiß ich nicht, doch war ich mir sicher, dass kaum einer der Anwesenden richtig Gefallen an allen Bands finden würde. Ich war trotzdem guter Dinge, bester Laune und mit hohen Erwartungen gerüstet, als ich mich in den Innenraum schob.

Von ALL ENDS bekam ich eigentlich kaum etwas mit. Die wenigen Sekunden, in denen ich einen Blick auf die Bühne werfen konnte, reichten kaum aus, um etwas zu der Musik zu sagen. Trotz der zwei Sängerinnen hatte ich nicht das Gefühl, etwas Besonderes zu verpassen, obwohl ich (wie erwähnt) eigentlich kaum etwas gehört oder gesehen habe. Die Euphorie seitens der Gäste hielt sich aber größtenteils stark in Grenzen.
Als ich dann zurückkehrte, waren MACHINE MEN bereits an ihrem letzten Stück angelangt, sodass ich auch zu ihnen kaum etwas schreiben kann. Noch bevor ich mir ein Bild machen konnte, waren die Finnen auch schon wieder auf dem Rückzug, sodass ich nicht weiß, ob ich die bombastischen Megahits einfach verpasst oder schon gehört habe.
Ob es schade um die beiden Bands war, wird sich irgendwann vielleicht noch herausstellen. Um eine Gelegenheit für diese Erkenntnis werde ich mich aber wohl kaum bemühen.

Mit TAROT schickte Skandinavien so etwas wie ihre nächste große Hoffnung ins Rennen. Trotz der mehr als zwanzigjährigen Bandgeschichte ließ der richtig große Wurf nämlich irgendwie auf sich warten. Das Urteil, ob es dafür nicht schon zu spät ist, überlasse ich anderen.
Die Instrumental-Passagen der rasant-schnellen Band, die eigentlich nicht gerade Tee nach meinem Geschmack kochte, gefielen mir sehr gut. Mehr blieb nicht hängen. Jedes Riff, jede Melodie, ja sogar irgendwie jedes Stück gab es so oder so ähnlich leider schon unzählige Male, und so hatte ich außer ein paar würdigenden Nickbewegungen nichts weiter für die Band übrig. Melodien, Geschwindigkeit und Keyboards gab es reichlich, und der bisweilen zweistellige Gesang machte das Ganze zu einem kitschigen, routinierten Farbenspiel.
Allgemein kamen die Finnen ganz ordentlich an. Niemand rastete vor Ekstase aus, und ich war sicher nicht der Einzige, bei dem sich Langeweile breit machte, aber die meisten Besucher schienen ganz ordentlich unterhalten. Um mich vor'm Kamin wegzulocken bedarf es aber etwas mehr.

Mit AFTER FOREVER verhielt es sich ähnlich. Ich will mich kurz fassen: Hervorragender Operngesang aus dem Mund einer im allgemeinen wohl als ansehnlich und schön beschriebenen, hoch gewachsenen Dame plätscherte über bombastische Keyboard- und Gitarrenberge aus triefend violettem Kitsch. Und ja: Obwohl ich mir wenig Abarten des Heavy Metals vorstellen kann, die mich noch weniger interessieren, beeindruckte mich zumindest das musikalische Talent der Niederländer.
Die Besucher weiteten die Bewunderung auf die optischen Reize der Frontfrau aus und glänzten durch vorpubertäre Sprüche, welche die Brünette wenig cool einsteckte. Ich hatte mehr Spaß als zunächst befürchtet, doch glaube ich nicht, dass ich mir das zu Hause noch einmal durch die Gehörgänge gehen lassen werde. Denn auch hier vermisste ich Einfallsreichtum, Innovation und Abwechselung - das Talent, das Können und die Bühnenpräsenz waren jedoch zweifelsohne vorhanden.





Jetzt wurde es auch endlich für mich richtig interessant. Zum dritten oder vierten Mal ließ ich mich von Blödelbarden, Oldies und Titelmelodien berieseln, während ich auf die vier Boten des Weltuntergangs wartete. Schlaue Füchse merkten schnell, dass es sich bei den Thüringern um eine fünfköpfige Band handelte, so bleibt die Frage: Wer ist der Milchmann?

DIE APOKALYPTISCHEN REITER
machten das Beste aus ihrer Spielzeit und schickten die Besucher auf eine turbulente Achterbahnfahrt, die von emotionalen Höhen wie dem eröffnendem "Friede Sei Mit Dir" bis zu den bitteren Tälern wie dem bewegendem "Unter Der Asche" reichte. "We Will Never Die", "Du Kleiner Wicht" oder "Riders On The Storm" brachten Pest und Hunger über die Kehlen, "Revolution" oder "Reitermania" Krieg und Tod für Tanzbein und Nacken. "Sehnsucht", "Wenn Ich Träume" und "Seemann" schoben sich ebenfalls in die knapp einstündige Vorstellung.
Musikalisch bewegen sie sich auf einem breiten Landstrich, der schwarze und tödliche Regionen mit mittelalterlichen Burgen, farbenfrohen Wäldern und granitharten Gebirgen verbindet. Grenzen verschwammen unter den Hufen der Reiter, während den Zuschauern der Schweiß und die Hitze in den Augen brannten, die Kleider an der Haut festklebten und sogar die Sicht trübten. Mir ist es ein Rätsel, wie eine Band scheinbar jedes Mal mit einer so unverschämt guten Laune, enormen Bühnenpräsenz und unbändiger Energie in die Startlöcher gehen kann. Weder nach meinen persönlichen Erfahrungen, noch in den unzähligen mündlichen und schriftlichen Berichten konnte ich ein Mal von einem Fehltritt hören, sodass diese Professionalität und Hingabe auf jeden Fall einer besonderen Erwähnung bedarf. 







Nass, erschöpft aber hervorragend gelaunt, warteten so die wohl fast ausverkaufte Markthalle und ich auf die lustigen Waldbewohner. FINNTROLL schnappten sich noch einmal das Publikum um ihm, ähnlich einem feuchten Handtuch, die letzten Reserven zu entlocken.
Gnadenlos, bester Dinge und voller Energie spuckten die garstigen, haarigen Trolle ihre Stücke aus. Pechschwarzer, pulsierender Metal mit elektronisch erzeugten Humppa-Melodien, die wie Lichtstrahlen durch ein Walddach schimmerten, mischte sich mit dem keifenden und vereinzelt klaren, schwedischen Gesang. Schwarze Ranken in den Gesichtern der Finnen schufen in der Kombination mit der oft in Grüntönen gehaltenen Bühnenbeleuchtung eine sehr stimmige Atmosphäre.
"Jaktens Tid", "Slaget Vid Blodsälv" und das über jeden Zweifel erhabene "Trollhammaren" waren wohl die Höhepunkte des schätzungsweise achtzigminütigen Auftrittes.

Mit wackeligem Gang machte ich mich während des letzten Stücks "Det Iskalla Trollblodet" durch die scheinbar weniger gewordenen Besucherreihen auf den Weg zum Ausgang. Zu guter Letzt gab es mit "Ursvamp" die erste Zugabe an diesem Abend, doch da war ich bereits fast weg.





Fazit: Zweimal keine Wertung, zweimal meinen Geschmack verfehlt und zweimal gepunktet. Mit Rücksicht auf den schwer beschreibbaren und ebenso schwer heilbaren Reiterwahnsinn macht das einen zauberhaften, wenn auch langen Abend.


http://www.allends.com/
http://www.machinemen.net/
http://www.wingsofdarkness.net/
http://www.afterforever.com/
http://www.reitermania.de/
http://www.finntroll.net/

http://www.earthshaker-roadshock.com/