18.3.07 - Erwartungshaltungen sind eine komische Sache. Konzerte, auf die man sich Monate lang gefreut hat, werden irgendwie nicht so besonders, und andere, zu denen man sich eher aus Langeweile und Pflichtbewusstsein gegenüber Bekannten bemüht, boxen einen unerwartet aus den Socken. So auch an diesem dunklen, nassen und inzwischen recht kalten Sonntagabend. Schnellen Schrittes trabte ich müde und etwas neben mir über die gepflasterten Straßen des Hamburger Schanzenviertels. Die Absage von RISE AND FALL würde sich wohl auf die Besucherzahl auswirken, doch sollte ich die Anhängerschaft der beiden spielenden Bands nicht unterschätzen. Nach meiner Ankunft in dem großen, vertrauten, noch recht schlecht besuchten und besetzten Haus folgten ein paar Gespräche und andere Maßnahmen, um die Geister der Erschöpfung zu bannen. Mit der Zeit wurde es wie erwartet doch noch einigermaßen voll, denn die üblichen Verdächtigen lassen sich so etwas selbst an einem Sonntag nicht entgehen.
Hätte ich mir HOODS UP entgehen lassen, hätte ich auch ein schlechtes Gewissen gehabt, ganz gleich wie gut oder wie schlecht der Auftritt auch gewesen wäre. Meine Stimmung und meine Erschöpfung besserten sich nach den ersten Takten der Hamburger Band. Die Wirkung der Musik lässt sich schwer beschreiben, denn wenn man sich an das Beschreiben der Musik macht, liest es sich nicht im Entferntesten so magisch, wie es sich anfühlt. Nach einer Einleitung folgte "Search For Light", und wo zuvor kalter Rauch, Schimmel und mattes Licht herrschten, flogen nun harmonische Arrangements, mit Nachdruck verkündete Statements zu Vegetarismus, Drogenfreiheit, Freundschaft, Respekt und Zeit - um nur ein paar wenige zu nennen - über das Scheppern des Schlagzeuges. "Sincere", "Best Of Times", "Eyes Wide Shut" und "Make It Through" waren mehr als nur vorzeigbar, und auch wenn ich natürlich schon viel wildere Konzerte erlebt hatte war das, was sich da für einen Sonntagabend zusammengetan hatte, zwar bewegungsarm aber nicht schlecht. Die Band und das Publikum waren jedenfalls sichtlich unterhalten, und das ist die Hauptsache.
VITAMIN X ließen nicht lange auf sich warten. Schnell, engagiert, authentisch und voller Spaß schleuderten sie den grinsenden Besuchern ihre etwa einminütigen Protesthymnen um die Ohren. Es wurde gesprungen, gehampelt, im Kreis gerannt, über die Besucher geklettert, zu viert oder fünft in das Mikrofon gebrüllt, und ich hatte meinen Spaß. Die Stücke waren einfach, wenig innovativ und zweckmäßig, doch wurden sie mit soviel Vergnügen, Elan und Kraft gespielt und geschrieen, dass jedes Klammern zwecklos war. Man wurde einfach mitgerissen. Die Niederländer kritisierten sehr scherzhaft die Themenschwerpunkte ihrer Vorredner und betonten, dass es wichtigere Themen auf dieser Welt gäbe. Globalisierung, Kapitalismus und Politik allgemein wurden von ihnen unter den Hammer genommen, ohne dabei aber in eine Resignation zu verfallen.
Höhepunkte waren auf jeden Fall die Stücke "Random Violence" und "Bad Trip" - ihreszeichen auch jeweils Namensgeber der dazugehörigen Alben - und ein Cover von dem Stück "Minor Threat", bei dem natürlich der Grossteil hörbar textsicher war. Wo hatte ich nur meinen falschen Schnauzbart, meinen Sombrero und meine Badehose gelassen?
Freunde von mir, die das sympathische Quartett letzten Dezember in Süddeutschland gesehen hatten, haben mir immer und immer wieder vorgehalten, dass ich mir dieses Konzert entgehen ließ. Ich war demnach auf viel gefasst, aber dass mich die Band restlos überzeugen würde hätte ich nicht gedacht.
Nach ein paar Zugaben verabschiedete sich die Band freundlich, gut gelaunt und sympathisch und wir machten uns bester Dinge auf den Weg durch den Schneeregen zur S-Bahn.
Fazit: Astrein!
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