28.10.06 - Herbstduft lag in der Luft, als ich nach den öffentlich-rechtlichen Nachrichten auf meinem Fahrrad in Richtung des Bahngeländes radelte. Das Konzert an diesem Abend fand im Rahmen des "Footloose"-Festivals statt. Zwar hatte der Vorabend auch einige wundervolle Bands im Angebot, konnte aber mit dem Paket an diesem Samstag nicht mithalten. Je nach Solidaritäts-Zuschlag variierte der Eintritt zwischen sieben und zehn Euro, was zwar für die mir sehr gut bekannte Lokalität extrem viel war, in Relation zu den spielenden Bands aber ein Spottpreis.
Als ich mich zu meinen Freunden und Bekannten stellte, hatten ANOMALIE schon einige Songs gespielt. Das, was ich von der ersten Band an diesem Abend aber mitbekam, überzeugte mich. Die folgenden zehn Minuten dominierte der Pathos und mit dem überraschend guten Sound machte das Dargebotene eine gute Stimmung für den Abend. Die Düsseldorfer erfanden zwar nichts Neues, aber kamen recht sympathisch rüber und so bedauerte ich es, dass ich nicht pünktlich auf der Matte stand.
Eine runde rasanter ging es nun mit THE FORCE WITHIN zu. Die Band aus Bonn versprühte leicht entzündliche Energie in halsbrecherischem Tempo. Das flotte, scheppernde Schlagzeug zog in jedem Song an und die Gitarre und der der Bass hetzten hinterher. Die alte Schule in Reinkultur, die der neugierige Zuhörer dort vernahm - aber kein bisschen Staub zu hören. Zugeben wurde die Abwechselung nicht unbedingt groß geschrieben, aber die Band machte das durch gute Laune, Spielfreude und druckvolle Songstrukturen wett, sodass ich nach der guten halben Stunde ziemlich gut aufgelegt war.
Auf TACKLEBERRY habe ich mich ganz besonders gefreut. Die "Power Ranger" hatten die vorderen Reihen auch von der ersten Minute an im Griff. "May The Fox Be With You" und das überragende "The Youngblooded", das von einer umwerfenden Ansage eingeläutet wurde, die auf die Albernheit kindischer Mitt-Zwanziger anspielte, verbreitete eine angenehme, familiäre Atmosphäre. Relativ hoch bellte ihr Frontmann die Texte und trotz der extrem hohen Geschwindigkeit sorgten eingängige Melodien und seltene, ruhigere Passagen für einen schönen Überblick. Ich war noch um einiges begeisterter, als beim letzten Auftritt vor ein paar Wochen, wo ich zwar ebenfalls hin und weg war, aber die Songs noch als schwer nachzuvollziehen empfand. Unter anderem kann man das aber sicher auch auf die recht gute Soundqualität schieben, die dem ohnehin gelungenen Auftritt noch die Krone aufsetzte.
Viel ruhiger war es um die Franzosen von SED NON SATIATA, die auf sehr ausladende, ruhige und instrumentale Einleitungen setzten. Die positive Partystimmung machte nun einer pastellfarbenen Melancholie Platz. Leicht und unkompliziert flatterten die langen, epischen Songs dahin, wussten aber an bestimmten Stellen mit rasanten Anfällen von weinerlichem Geschrei zu überzeugen. Eine sehr interessante Mischung und - jedenfalls für mich, da ich kein Französisch spreche - eine exotische Erfahrung, was die ausschließlich französischen Texte anging.
Etwas neben mir erwartete ich nun die Berliner von ZANN. Da im Vorfeld hohe Töne auf sie gehalten wurden, war ich sehr gespannt. Wertungsfrei überrascht war ich von der kompromisslosen Abgedrehtheit. Songstrukturen waren in dem wirren Brei aus Rasierklingen, die ohne Sinn, Verstand oder System kreuz und quer durch den Raum schossen, kaum mehr auszumachen, und ihre Erträglichkeit war eine Gradwanderung auf der Schmerzgrenze. Am Rande des Aushaltbaren wussten sie zwar auf irgendeine Art und Weise auch zu überzeugen, doch nach ein paar Songs hatten sie meinen Kopf soweit, dass er der Meinung war, es wäre die bessere Idee, mir ein Teller mit Essen zu organisieren. Interessant war das Dargebotene zwar alle Mal, doch war ich an diesem Abend wohl nicht in der Lage, mich in das anspruchsvolle und höchst experimentelle Zeug einstimmen.
I DEFY begannen ihren höchst klassischen und ebenso innovationslosen Stil unter die Leute zu bringen. Trotz der späten Stunde kamen sie recht gut bei den Angereisten an. Die Ansagen des kahlköpfigen Sängers gegen Tough-Guy-Gehabe, negative Attitüde oder über ein Haufen Belanglosigkeiten fingen leider recht schnell an zu nerven, und der Auftritt bekam einige Längen. Dennoch wussten die kraftvollen Songs vereinzelt zu überzeugen, und viele Besucher kamen offensichtlich voll auf ihre Kosten. Unangenehm fielen ein paar Betrunkene auf, die offensichtlich nicht ganz verstanden hatten, um was es ging, und sich lieber gegenseitig von der Seite anranzen wollte. Als wohl berühmteste Band des Abends wurde ihr mehr als eine Stunde Spielzeit eingeräumt, sodass ich bereits vor dem Ende ihres Auftrittes eine Portion Frischluft schnappte.
DAITRO begannen wie erwartet erst sehr spät mit ihrem Auftritt. Ein vorzeitiges Gehen kam für mich nicht in Frage, da sie der eigentliche musikalische Lichtblick an diesem Wochenende für mich waren. Verletzlich und tödlich scharf wetzte der ausnahmslos französische Gesang über die wilden Gitarren und ich bekam Gänsehaut. Besonders positiv fielen unter anderen die Songs "Nous Sommes D'ici" und " Laissez Vivre Les Squelettes" auf. Eine ätzende Schwere legte sich in die verrauchte Luft und die Authentizität der jungen Herren aus Lyon lähmte mich förmlich. Die Franzosen schlugen auch einen gelungenen Bogen zu politischen Themen, die in dem durchschnittlichen Gewinsel über das eigene Leid inzwischen in diesen musikalischen Sphären selten geworden sind. Bei ihrem letzten Auftritt in der gleichen Lokalität - damals noch auf der kleinen Bühne im Bar-Raum - verwendeten sie zwar wesentlich langsameres und sanfteres Material, wenn ich mich richtig erinnere, aber dieses Mal überzeugten sie auf eine andere Art. Die unkontrolliert glühende Energie machte sich hervorragend und etwas wehmutig war ich schon, als die Band sich zum Ende der durch die Zeitumstellung getilgten Stunde verabschiedete.
Etwas neben mir drückte ich mich durch die Bands und Besucher, die inzwischen zu schmerzhaft schlechten Ballermann-Disco-Hits ausgelassen tanzten. Benommen und ziemlich glücklich schwang ich mich auch auf mein Fahrrad und machte mich auf den Weg zurück.
Fazit: Ein wunderschöner Abend, der eine erlesene musikalische Vielfalt bot. So etwas würde ich mir häufiger wünschen, auch wenn dann wahrscheinlich die Magie irgendwann raus wäre.
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