Als wir eintrafen, hatte gerade die Vorband LONG DISTANCE CALLING mit ihrer Show begonnen. Die fünf Lokalmatadore präsentierten wenige Wochen nach ihrer tollen Record Release Show (siehe BurnYourEars-Bericht) erneut Instrumentalrock vom Feinsten. Innerhalb einer Dreiviertelstunde gaben sie fünf ausgefeilte Songs plus verdienter Zugabe zum Besten und hängten sich voll rein. Vor allem Flo (einem der beiden Gitarristen, aber auch den anderen) sah man die Freude, vor OPETH zu spielen, deutlich an.
Schon im Interview hatten sie mir erzählt, wie heiß sie auf diesen Gig waren. Egal, ob die rifflastigen und so manchen zum Moshen verleitenden Songs wie „Metulsky Curse Revisited" oder ausgreifend-sphärische Psychedelic-Brocken wie „Jungfernflug": das progressive und immer rockige Material wurde vom Publikum so gut aufgenommen, dass kaum jemand draußen in der Sonne rumlümmelte. Im Gegenteil, schon früh wurde es vor der Bühne eng. Wie bei den meisten Instrumentalbands war die Interaktion mit dem Publikum naturgemäß eher eingeschränkt, aber der Applaus des Publikums und „Danke!"-Rufe der Band zeigten, dass man sich gegenseitig mochte. Nach der Zugabe gingen die fünf jungen Herren sichtlich glücklich von der Bühne und dürften viele Zuschauer auf eine ihrer Headliner-Shows neugierig gemacht haben.
Nach einer etwas mehr als halbstündigen Umbaupause betraten die heiß erwarteten OPETH um 21.20 Uhr die Bühne. Mit „The Baying Of The Hounds" konnte beim Einstieg in den Gig auch wirklich nichts schief gehen.
Während ich bei den ersten drei Songs (was bei OPETH etwa 20 Minuten bedeutet) mit Fotografieren beschäftigt war, schien das Publikum zumindest in den ersten Reihen abzugehen. Als ich mich danach (leider zwangsweise hinten) ins Publikum einreihte, kam in mir leise Enttäuschung hoch: OPETH brachten einen Kracher nach dem anderen, wie unter anderem „Godhead's Lament", „Deliverance" und das live extrem gut rüberkommende „Ghost Of Perdition" - und was tat das Publikum? Nix! Na gut: es applaudierte, aber sonst tat sich da einfach kaum etwas. Irgendwo konnte ich vereinzelte Mosher ausmachen, die irgendwie verdammt einsam wirkten.
Ich selber bin ja sicherlich kein dauermoshender Metalhead, aber als das Publikum so lahm war, kam ich mir auf einmal sehr komisch vor. Kann doch nicht angehen, dass ich mich in der vorletzten Reihe mehr bewegte als die Leute, die nur fünf Meter von der Band entfernt waren! Es war zwar voll, aber nicht so unglaublich voll, dass man Statue spielen musste! Bei den ruhigen, melancholisch- bis düster-romantischen Stücken im Mittelteil der Show zu kuscheln kann ich ja nachvollziehen, aber bei „Ghost Of Perdition"?!? Durchgehend?!?
Die einzigen, die richtig abgingen, waren ausgerechnet die nervtötenden besoffenden Gröhler vor dem Merchandise-Stand, für die ich mich extrem fremdschämte. Immerhin wurde fleißig applaudiert, gerade auch bei den Soli von Drummer Martin „Axe" Axenrot (laut Frontmann Mikael Åkerfeldt nichtidentisch mit Legolas) und Gitarrist Fredrik Åkesson, der nach meiner Wahrnehmung mehr abging als so ziemlich das ganze Publikum.
Während der etwas gemächlichen Pausen zwischen den Songs erzählte Åkerfeldt in seiner charmanten, augenzwinkernden Art manche Anekdote. Zum Beispiel darüber, wie er mit Axenrot während eines Chor-Konzertes eine der zahlreichen Münsteraner Kirchen besuchte, in der sie wegen ihres Aussehens eines der Kirchenschiffe fast für sich alleine hatten und er auf seine Ähnlichkeit mit Jesus angesprochen wurde.
Zwischendurch hatte Åkerfeldt, der sich selbst mit todernster Miene als „Mikael Hübsch" vorstellte und damit viele Lacher erntete, mit einigen Soundproblemen zu kämpfen. Das führte zu einer kurzen Unterbrechung, die leider den Fluss des Auftritts störte. Scherzhaft kündigte er als Ausgleich ein Konzert an, bei dem alle OPETH-Songs gespielt werden sollen. Grob überschlagen würde das einen mindestens achtstündigen Gig bedeuten ...
Ganz so lange dauerte dieser Auftritt nicht. Nach gut zwei Stunden einschließlich Zugabe (typisch OPETH: 1 Song = 15 Min.) war die Show einer fantastischen Band beendet, die es sich erlauben kann, weitgehend die in Härte und Sanftheit gleichermaßen raffinierten Songs für sich sprechen zu lassen und ansonsten sehr relaxt aufzutreten. Leider konnte das Publikum nicht mithalten. Vielleicht waren die Leute in Gedanken doch beim Grillen... oder es waren einfach nur Langweiler.
Links: http://de.myspace.com/longdistancecalling, http://www.opeth.com