Sepultura mit Cradle of Filth auf gemeinsamer Tour? Passt doch nicht! Das war auch mein erster Gedanke, als ich von diesem unbestreitbar geilem Package hörte. War es für Cradle Of Filth die große Tour zum neuen Album „Damnation and a Day“ und gleichzeitig der ersten Major-Veröffentlichung (Sony), so war es für Sepultura nur eine kleine Gelegenheit im Vorprogramm der Black Metaller dem europäischen Publikum zu zeigen „Wir sind noch da!“, zumal Ende Mai das neue Album „Roorback“ der Brasilianer erscheint, also reine Warm-Up Gigs. Die Band stand noch nicht mal auf den Tourplakaten.
Und eigentlich freute ich mich auch mehr auf meine alten Helden Sepultura, war aber im Vorfeld schon etwas skeptisch, wie sehr ein Auftritt im Vorprogramm von Cradle Of Filth die wahre Livepower von Sepultura repräsentieren kann. Die Skepsis wurde noch dadurch gestärkt, dass wirklich 90 Prozent der Anwesenden im mit schätzungsweise 2500 Nasen ausverkauftem E-Werk wegen dem Headliner da waren. Einige der wenigen Sepultura Die-Hard Fans sind sogar nach dem Auftritt! Für mich etwas unverständlich, dafür 22 Euro zu bezahlen. Die Frage, wie oder ob überhaupt Sepultura von der Meute (vielleicht etwas intoleranter?) Schwarzkuttenträger akzeptiert werden würde, wurde gleich nach dem heftigem Old-School Opener „Troops Of Doom“ geklärt. Die Exoten-Thrasher kamen gut an, bekamen zwar kein euphorisches, aber doch recht positives Feedback. Die Band präsentierte sich in guter Spiellaune, haute einen Hit nach dem anderen tight und brutal runter, ganz so wie ich es erwatet hatte. Klassiker wie „Chaos A.D.“, „Arise“ oder das von allen ungeduldig geforderte „Roots Bloody Roots“ waren natürlich die Sahnestücke einer durchweg guten Show. Aber auch unbekanntere Titel, wie die zwei Tracks von den letzten beiden leider kommerziell etwas erfolglosen Alben „Nation“ und „Against“ oder das U2 Cover „Bullet The Blue Sky“ von der kürzlich erschienen Cover-EP „Revolusongs“ führten zu keinem Qualitätsabfall. Sepultura sind einfach eine Bank, und das schon seit 1985. Egal ob mit oder ohne Max Cavalera. Gerade zum neuen Sänger hörte ich häufig viel Rumgenörgel. Klar, der Spirit ist verloren gegangen und mir wäre Sepultura auch mit Max lieber (dafür haben wir jetzt zwei geile Bands, siehe Soulfly!), aber auch der nicht mehr ganz so neue am Mikro Derrick Green konnte ohne Frage überzeugen. Nicht nur stimmgewaltig, sondern auch gewaltig in seiner Präsenz: mindestens zwei Meter groß, Arme so dick wie Conan, der Barbar und dazu der grimmige Blick. Furchteinflößender als jeder einzelne Black Metal Clown in der Konzerthalle. Für mich war die Show von Sepultura nach einer Stunde natürlich viel zu schnell zu Ende, für andere war der Auftritt wahrscheinlich überraschend lang. Ich muss die Jungs auf jeden Fall noch mal auf einer Headliner-Tour sehen, dass steht für mich fest, denn in diesem Rahmen war es schon ein wenig merkwürdig.
Das eigentliche Spektakel sollte ja noch kommen. Es war Zeit (obwohl halb zehn ist noch etwas früh für Black Metal, oder?) Cradle Of Filth. Ich war sehr gespannt, war es doch für mich mein erstes Konzert einer so extremen Metalband, außerdem sind die Engländer die wohl angesagtesten Blutwurstmucker der Düsterszene. Cradle Of Filth dürften wohl niemanden enttäuscht haben. Theatralisch, bombastisch und super heavy hauten die Mannen um Dani Filth einen Black-Metalkracher nach dem anderen runter. Was besonders auf den neueren Platten trotz aller Heaviness und Bombast noch sehr differenziert klingt, war live ein ultrabrutales Soundinferno der Sonderklasse (im positiven Sinne natürlich), was das Material noch um einiges heftiger rüberkommen ließ. Zu bemängeln war nur der Schlagzeugsound der während der ersten Hälfte des Sets etwas unterzugehen schien und die Snare nur bei den langsamen Parts zu hören war, was natürlich an der Anschlagtechnik liegt. Bisher hatte ich nie Bock mir diese blöden Ohrstöpsel reinzustecken, doch diesmal war mir, als würde der Deibel persönlich in meine Ohren schreien. Apropos Schreien, was ich nicht für möglich gehalten hätte, wurde mir das Gegenteil bewiesen. Nämlich, dass Sänger Dani live alle Schrei-, Keif- und Brüllfacetten ohne Aussetzer oder Schwächen rüberbringen könne. Nicht schlecht, was Herr Filth für extreme Laute aus seiner Lunge heraus zaubern kann. Das Auftreten der Band insgesamt war auch überzeugend. Unterstützt durch eine Sängerin wurde nicht nur der musikalische, sondern auch der atmosphärische Ton der Erfolgsalben wiedergegeben. Nur ein wenig mehr Intros, wie es auf den Studioalben der Mucker Gang und Gäbe ist, hätte ich schon erwartet. Einzig und allein das Intro vor der Show und das geilgemachte Star Wars Thema vor dem letzten Drittel des Sets konnten für ordentlich Spannung sorgen. Na ja, man war nicht des Gruselns wegen da, sondern wegen der Musik. Und hier ließen die sieben Hexer keinen Wunsch offen. Kein Album und kein Hit wurde ausgelassen. Songs wie „From The Cradle To Enslave“, „Dust And Her Embrace“, “Her Ghost In The Fog” und “Ebony Dressed For Sunset” trugen zu einer Art Best Of Programm bei.
Den Fans sollte es recht sein. Aber gerade in den Fans sah ich die wohl einzige wirkliche Enttäuschung bei diesem Black Metal Happening. Alle nur wegen ihrer Lieblingsband COF da, fast alle trugen ihre T-Shirts und ein nicht geringer Preis wurde für dieses Konzert ausgegeben. Ich hab erwartet, dass die Halle überkocht, im Kollektiv ein Massenheadbanging veranstaltet wird. Nichts davon war der Fall. Enthusiasmus kam immer erst dann auf, wenn es Dani Filth von seinen Jüngern mit einem „C’mon“ immer und immer wieder gefordert hatte. Sind wohl auch in der scheinbar so unkommerziellen Black Metal Szene viele Möchtegerns... Ist ja auch egal, mich persönlich hat die Show überzeugt und darauf kommt’s schließlich an. Kann mich jetzt gar nicht entscheiden, wen ich besser fand. Sepultura oder Cradle?
Alle Artikel zu