Mögen alle Hater sagen, was sie wollen, 4 Lyn sind spätestens seit dem bärenstarken Album „Take It As A Compliment" eine ernstzunehmende Rockband. Auch beim letzten Interview entpuppte sich Sänger Braz als höchst sympathische Quasselstrippe, der clever genug ist, Lob und Kritik realistisch einzuschätzen. Also ab in den Prime Club und 4 Lyn live betrachten.
Ich habe 4 Lyn bereits zweimal gesehen, einmal als Support von Therapy? und das zweite mal bei Rock Am Ring diesen Sommer. Als Headliner allerdings zogen sie ein Bild um sich, das ich in dem Maße bei einem Rockkonzert noch nicht gesehen hatte: durchschnittlich 16 jährige Fans, 50 Prozent Busenträgeranteil und lautes Gekreische ließen viel Pop-Appeal aufkommen. Sogar zwei Mütter - wahrscheinlich als Aufsichtspersonen - standen stoisch am Rande des Publikums! Doch bevor 4 Lyn loslegten musste ich erst The Butterfly Effect aus Australien über mich ergehen lassen. Total belangloser Nu Rock mit langweiliger möchtegern-Deftones-Atmosphäre. Doch das schlimmste war, dass die Jungs aus Down Under sich übelst ernst nahmen und gepost haben wie die Weltmeister, besonders der Sänger. Also entweder hat die Musik dann auch Eier oder man nimmt den Supportslot bei 4 Lyn mit Humor. Dass das Jungvolk die Band trotzdem abfeierte, spricht nicht gerade für einen differenzierten Musikgeschmack bei den Nachwuchsrockern.
Genervt und pessimistisch, dass der nächste Anheizer, die Band Julia, genauso schlecht sein könnte, verzog ich mich in die benachbarte Kneipe, um mich mit einem kühlen Kölsch zu neutralisieren.
Beim Start zum 4 Lyn Auftritt sah ich wie der Mischmaschmann am Soundpult total verzweifelt versuchte einen einigermaßen ausgewogenen Sound hinzubekommen. Nix da! 4 Lyn mussten sich bis zum Ende mit einem ganz schwachen Klangbild begnügen. Echt Schade, aus Erfahrung weiß ich, dass die Hamburger normalerweise wesentlich tighter klingen. Macht aber nix, 4 Lyn haben mit ihren drei Alben inzwischen ein so großes Hit-Arsenal, dass von der ersten bis zur letzten Minute eine großartige Partystimmung herrschte. Den Bärenanteil daran hatten natürlich die Teenie-Fans zu verbuchen, die jeden Song frenetisch abfeierten (inklusive Gekreische natürlich), richtig süß durch den rappelvollen Club pogten, bei Aufforderung locker das ganze Lied lauthals mitsangen oder gleich die Leadvocals übernahmen. 4 Lyn waren sichtlich begeistert ob der ausgelassen Stimmung und der überwältigenden Resonanz. Gut gelaunt, fanfreundlich und sympathisch schmetterten sie einen Hit nach dem anderen durch die heißkalte Luft. Besonders die superschicken Tracks von „Take It As A Compliment" machten so richtig Freude und die Band ging (zum Glück) auch nicht gerade sparsam mit dem neugewonnenem Gold um: „Train", „Drama Queen", „Kisses Of A Strobelight", „Chikken Song", „Knukkohead", „Eobane", „The Good Life Period" und der Titeltrack kamen in einem fast schon überlangen Set noch locker unter. Natürlich gingen die Fans bei alten Hits der Marke „Whoo", „Lyn" oder „Pearls & Beauty" genauso steil. Auch die von Sick Of It All ausgeliehene Braveheart-Nummer bzw. die Wall Of Death zeigte das Junggemüse moshkompatibel - ein herrliches Bild, Respekt dafür!
Nach einer langen Zugabe - Braz und co. ließen sich zu einem weiteren Song „überreden" - war dann auch wirklich Schluss. Genau richtig. Überall wohin man Blickte (selbst bei den Müttern) sah man nur glückliche, geschwitzte Gesichter. 4 Lyn haben an allen Ecken und Kanten aufgetrumpht und bewiesen, dass weiter mit ihnen zu rechnen ist. Bei solch fanatischen Fans kein Wunder!