Geschrieben von Montag, 14 Januar 2008 22:00

Dead Soul Tribe & The Old Dead Tree - Hamburg / Marx


Review

 
04.12.07 - Ich kann mir nicht erklären, woran es liegt, doch will es mir einfach nicht gelingen, zur rechten Zeit am rechten Ort zu sein. Dies macht sich besonders immer dann bemerkbar, wenn ich auf ein Konzert gehe: Entweder bin ich zu spät und verpasse zumindest die Vorband, oder ich bin viel zu früh am Ort des Geschehens und stehe mir eine gefühlte Ewigkeit die Beine in den Bauch. Inzwischen keimt in mir fast schon der Verdacht, dass die Verantwortlichen fröhlich kichernd zusammensitzen und einfach willkürlich irgendeine Uhrzeit auf die Eintrittskarte bzw. ins Internet schreiben; denn dass die angekündigte Zeit auch mit dem tatsächlichen Beginn übereinstimmt, habe ich in letzter Zeit so gut wie gar nicht erlebt. Aber ich schweife ab, und wahrscheinlich liegt’s im Endeffekt auch einfach nur an mir und meiner über die Jahre hinweg antrainierten, chronischen Unpünktlichkeit.
Von einer Band war jedenfalls weit und breit noch nichts zu hören, als ich diesmal pünktlich (!) um kurz vor 20:00 Uhr das Marx betrat. Das sollte sich auch eine ganze Weile nicht ändern, denn die aus London stammenden KYRBGRINDER hatten anscheinend noch am gleichen Tag den Gig absagen müssen, und so waren Ablauf- und Zeitplan ein wenig durcheinander geraten.
THE OLD DEAD TREE
, die irgendwann mit einiger Verspätung begannen, baten dann auch gleich um besondere Unterstützung des Publikums, da sie um einige Zeit länger spielen würden, als es für eine Vorband üblich ist. Dass sie diese Unterstützung überhaupt bekommen würden, wagte ich anfangs angesichts der wenigen Besucher doch zu bezweifeln, wurde aber glücklicherweise eines Besseren belehrt: Die knapp 100 Anwesenden schäumten zwar vor Euphorie nicht gerade über, wagten sich aber immerhin bis knapp vor die Bühne, und auch der Beifall dürfte für die Band sehr zufrieden stellend ausgefallen sein. Den mochte man THE OLD DEAD TREE auch gar nicht verwehren, denn die Franzosen zeigten von Anfang an eine Menge Spielfreude und wussten mit ihrem verfrickelten Rock nicht nur mich in ihren Bann zu ziehen.
Auch wenn ich zu Beginn des Sets von dem sehr komplexen und verschnörkelten Sound ein wenig erschlagen wurde, machte es doch recht bald Spaß, der Arbeit der Franzosen zuzuhören. Ein wirklich klangvoller, cleaner Gesang untermalte das teils verträumte, teils daherstampfende Gitarrenspiel und die zahlreichen Breaks sorgten zusammen mit der angenehmen Stimmfarbe des Sängers für eine Eigenheit, welche den Wiedererkennungswert der Band spätestens nach dreimaligem Hören gesichert haben sollte. Einziger Wermutstropfen an der Musik von THE OLD DEAD TREE waren die hier und da eingeworfenen Growls: Da sie im Vergleich zum cleanen Gesang doch recht spärlich dargeboten wurden, und der Sound insgesamt einfach nicht “böse” genug war, entstand fast der Eindruck, die Band wolle hiermit zwanghaft in eine Richtung, die einfach nicht zu ihnen passt. Selbst der Death Metal-Fan in mir hätte sich fast gewünscht, der Fronter möge sie doch ganz weglassen - oder aber sie einfach häufiger verwenden, so dass nicht das Bild von nichts Halbem und nichts Ganzem entsteht. Im Großen und Ganzen gesehen waren THE OLD DEAD TREE jedoch wirklich hörenswert. Spieltechnisch hatten die Jungs auch eindeutig etwas zu bieten, und somit bleibt nur zu hoffen, dass sie eventuell das Verhältnis von cleanem und gegrowltem Gesang noch einmal überdenken.
Nach einer relativ kurzen Umbaupause betraten dann schließlich DEAD SOUL TRIBE die Bühne und legten ohne Umschweife und viel Gerede auch gleich los. Mit „Goodbye City Life“, „Further Down“ und „Psychosphere“ eröffneten sie mit gleich drei Songs des aktuellen Outputs „A Lullaby For The Devil“ das Set, und ich wurde an dieser Stelle recht positiv überrascht: Hatte das Album bei mir auch nach mehrmaligem Hören noch nicht wirklich gezündet, brauchte ich wohl diesen kleinen Anstoß, um den Wert von „Lullaby“ wirklich schätzen zu lernen.
Ohne es wirklich wahrzunehmen, kannte ich größtenteils sowohl die Texte als auch die Melodiestrukturen und fand die Songs plötzlich gar nicht mehr so unnahbar, was wohl das beste Zeichen dafür ist, dass die Mannen mit ihrem neuesten Album wahrlich nichts Schlechtes auf den Markt gebracht haben. Sphärisch-verspielt, frickelig-treibend oder einfach nur verträumt, der ganz eigene progressive Sound, der DEAD SOUL TRIBE auszeichnet, kam auch live bereits mit den ersten paar Songs hervorragend herüber.
Die Musiker an sich wirkten anfangs noch etwas verhalten (lediglich Roland hatte hin und wieder ein verschmitztes Grinsen auf dem Gesicht) und so folgte auch erst nach dem dritten oder vierten Song die erste „richtige“ Ansage des Herren Graves, in welcher er nicht nur den Titel des nächsten Songs nannte. Im Laufe des Sets taute der Mann am Gesang auch weiterhin merklich auf und wirkte zwar ruhig aber trotzdem unterhaltend. Ich kann auch nicht sagen, was genau ich erwartet hatte, sein leiser Humor und die angenehme Art, mit der er die Ansagen machte, waren für mich auf jeden Fall die zweite positive Überraschung des Abends. Weiter ging es dann mit „The Haunted“ und „Powertrip“ der 2002er-Scheibe „Dead Soul Tribe“, auf welche dann gleich vier Songs der „A Murder Of Crows“ folgten. Diese ist meine persönliche Lieblingsscheibe, und anhand der Reaktionen des Publikums konnte man erahnen, dass es nicht wenigen Zuschauern ähnlich ging. Das erste Mal an diesem Abend wurde wirklich bis in die letzten Reihen mitgewippt, gebangt und lautstark mitgesungen. Beim großartigen „Angels In Vertigo“ überlief wohl nicht nur mich ab und zu mal eine kleine Gänsehaut, auch meine Nachbarn waren eifrig am grinsen und starrten entrückt-verzückt auf die Bühne. Dass die Songs der „A Murder Of Crows“ nicht über das komplette Set verteilt, sondern am Stück gespielt wurden, war ein kleiner Wermutstropfen, die Herren werden sich aber wohl sicher etwas dabei gedacht haben.
Abermals folgten nun zwei Stücke der „Lullaby“, womit auch dieses Album für den Abend „abgearbeitet“ war – auch das eine merkwürdige Song-Verteilung... Auf der Bühne hatte sich mittlerweile eine fast fühlbare Heiterkeit ausgebreitet, und wenn auch deren Ursprung nicht ganz zu ergründen war, trug sie doch dazu bei, dass die Songs mit zunehmender Leichtigkeit gespielt wurden, welche sich auch positiv auf das Publikum übertrug. Etwa in der Mitte des Sets kündigte Devon Graves dann an, dass nun einige Akustikstücke folgen würden und Bass und Schlagzeug hierzu nicht gebraucht werden. Ratlosigkeit bei Adel: „Was soll ich so lange tun?“ – „Geh ein Bier trinken“ – „Was, wirklich?“, sprach’s und sprang dabei auch schon auf, eilte von der Bühne und verschwand an der Bar. Es folgte ein Schmunzeln vor der Bühne, während auf eben dieser von Rollz an der Rhythmusgitarre auch schon das erste der drei Akustikstücke angestimmt wurde. Hervorzuheben war hierbei „I Remember“ der PSYCHOTIC WALTZ-Überscheibe „A Social Grace“, die nahezu ein jeder im Publikum mitsang und bei mir sowohl für Freude als auch leichte Wehmut ob der nicht mehr existierenden Band sorgte. Adel und Roland hatten sich dann auch irgendwann wieder auf der Bühne eingefunden, und so folgten einmal mehr Stücke des Erstlings, als auch die einzigen beiden Songs der 2004er Scheibe „The January Tree“, um dann mit dem grandiosen „A Flight On An Angels Wing“ das vorläufige Ende zu finden. Die obligatorischen „Zugabe“-Rufe fielen dann für die doch recht wenigen Anwesenden nicht gerade leise aus, und so zockten DEAD SOUL TRIBE noch zwei Songs und beendeten ihren Auftritt dann unter großem Jubel ein zweites und auch letztes Mal. Dass mit „Skeletor“ gerade ein PSYCHOTIC WALTZ-Song den Abschluss bildete, erschien mir zwar ein wenig merkwürdig, da mich aber auch der Rest der Playliste so einige Male fragend dreinschauen ließ, machte ich mir darüber im Endeffekt doch keine großen Gedanken mehr.
Den Abend noch einmal kurz überblickt, boten THE OLD DEAD TREE einen sehr soliden Auftritt, der von eindeutigem Potential sprach, und auch DEAD SOUL TRIBE wussten zu glänzen und zauberten ihre Musik mit Leichtigkeit und Spaß daher, die Lust auf Mehr machte. Zu wünschen bleibt es beiden Bands, dass die Zuschauer in Zukunft etwas zahlreicher gesät sein werden, denn verdient hat es die Musik allemal.
Setlist DEAD SOUL TRIBE:
Goodbye City Life Further Down Psychosphere The Haunted Powertrip Angels In Vertigo Some Things You Can’t Return Feed Part I: Stone By Stone Feed Part II: The Awakening Lost In You Here Come The Pigs My Dying Wish Some Sane Advice I Remember Under The Weight Of My Stone One Bullet The Love Of Hate Cry For Tomorrow Spiders And Flies A Flight On An Angels Wing --- Into The Spiral Cathedral Skeleton


http://www.deadsoultribe.com
http://www.myspace.com/deadsoultribe
http://www.theolddeadtree.com
http://www.myspace.com/theolddeadtree
BYE Redaktion

Wenn Du Metal, Rock, Hardcore oder Alternative hörst und Szene-Polizisten für das Letzte hältst, was Musik braucht, dann bist Du hier zu Hause.