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MELT! 2007 - Ich komm' in Neon! Mit dem MELT! Festival und mir war es in der Vergangenheit wie verhext: 2005 schrieb ich am Festivalsamstag eine Klausur, 2006 streckte mich eine Mandelentzündung im Vorfeld nieder, und auch dieses Jahr, zum zehnten Geburtstag des MELT!s, ließ der Gesundheitszustand insofern zu wünschen übrig, als dass ich leider nur den Samstag mitnehmen konnte.
Samstag, 14.07.07:
Ankunft in glühender Hitze. Kaum aus dem Auto gestiegen und auf dem Weg zur Shuttlebusstation, kommen einem bereits die ersten ausgelassenen Festivalmenschen entgegen. Es scheint wohl ein guter Freitag gewesen zu sein. In Bikinis und Badehosen pendelten die meisten zwischen See und Zeltplatz hin und her, um sich beim Baden, der scheinbar einzig vernünftigen Beschäftigung bei diesem Wetter, wenigstens für kurze Zeit eine Abkühlung zu verschaffen.
Nach erfolgreichem Zeltaufbau am wirklich bestmöglichen Ort, nämlich direkt 3m vor'm See mit Blick auf das entfernte Festivalgelände, und einem Kamerateam, das es anscheinend sehr lustig fand, wie in brennender Sonne eine Matratze aufgepumpt wird, ging es um 18.00h aufs Festivalgelände.
Direkt vor dem Gelände erstreckte sich der „Sleepless Floor", von dem bereits harte elektronische Beats herüberflogen und eine einzige Person sich auf der Tanzfläche verausgabte. Mit erstaunlicher Ausdauer, wie ich 12 Stunden später feststellte, als eben diese Person immer noch alleine dort tanzte.
Angekommen. Der erste Eindruck: umwerfend. Vor einer wirklich atemberaubenden Kulisse muss man erstmal stehen bleiben und sich die riesigen Bagger genauer zu Gemüte führen. Bis zu 40m hoch setzen sich diese mächtigen Stahlkolosse vorm Horizont ab. Selbst später bei Dunkelheit, wenn die visual effects beginnen und die Bagger angestrahlt werden, schaffen sie es immer noch, einen in ihren Bann zu ziehen und sich zu wundern, wie Menschen so was bauen konnten.
Nach der ersten Begeisterung ging es auf zur „Nokia Nseries Mainstage", die auch bis nach Mitternacht mein Zuhause blieb.
Die SHOUT OUT LOUDS spielten bereits und mein Eindruck, den ich von ihnen im Vorfeld hatte, zeigte sich als bestätigt. Irgendwie langweiliges Indiegedöhns. Unspektakulär war nicht nur der Auftritt, sondern auch die Songauswahl. Neben den einschlägigen Klassikern des Debüts wie „The Comeback" oder „Please, Please, Please" als Zugpferde, spielten sie viele Songs des zweiten Albums, die zwar unverschämt THE CURE-lastig klingen, aber letztendlich auch nichts reißen konnten.
THE RIFLES haben das schon besser gemacht. Nicht nur dass die Band optisch mehr hermacht, Lederjacke bei immer noch fast 28°C, konnten sie doch auch die Menge mehr für sich gewinnen. Mit gutem Sound setzten sie die Songs ihres „No Love Lost" Album erstaunlich präzise und gekonnt um. Spätestens bei „Repeated Offender" stand niemand mehr still. Auch den zwei Kleinkindern in Adidas-Trikots, die auf den Schultern ihrer vermutlichen Eltern saßen, gefiel es, und das gefiel den RIFLES, die ihnen daraufhin kurzerhand ein Lied widmeten. Mein Highlight Song war „Peace & Quiet", der perfekt die Stimmung bei den sommerlichen Sonnenstrahlen einfing. Mit „Local Boy" verabschiedete sich die Band nach absolut gelungenen 50 Minuten.
Da es immer noch verdammt warm war, nutzte ich die tribünenartigen Sitzgelegenheiten, die an der Seite der Bühne in die Höhe ragten und einem den Blick über die komplette Menge vor der Bühne ermöglichte, um auf die nächste Band zu warten. In der Zwischenzeit wurden Erkundungen bei Freunden über den vorherigen Tag eingeholt, denn das MELT! ist nicht nur Ort der Musik, sondern auch des Wiedersehens. So erfuhr ich, dass ein Bekannter einer Freundin bereits am ersten Tag eine Strafanzeige wegen Randalierens auf dem Campingplatz bekam, und er dies mit heruntergelassenen Hosen, somit unten komplett ohne, tanzend später auf dem Festivalgelände zelebrierte. So kann man's natürlich auch machen. Zumal er nicht der einzig nackte Mann auf dem Festival blieb, was später am Abend von einigen anderen noch anschaulich verdeutlicht wurde.
Um 20.30h betraten HOT CHIP die Bühne und man muss schon sagen, ein wirklich skurriler Anblick. 5 Typen hinter 5 riesigen Synthesizern, die im Takt wippen und ihr Set spielen. War schon interessant mit anzusehen, aber mir fehlte dann doch ein wenig die Bühnenshow, die man mit portablen Instrumenten hinlegen kann. Ansonsten konnten sie ihre Songs soundtechnisch gut umsetzen und sorgten für gute Stimmung.
TOCOTRONIC ging an diesem Abend an mir vorbei. Der Hunger trieb mich von der Bühne weg, weswegen ich die deutschen Urgesteine verpasste, schließlich wollte ich gestärkt meinem heimlichen Highlight des Festivals entgegentreten, dem BLACK REBEL MOTORCYCLE CLUB, der sein einziges Deutschlandkonzert auf dem MELT! gab. Dieser begann allerdings mit einer halben Stunde Verzögerung, da TOCOTRONIC überzogen hatten. Komisch eigentlich, da die Band ja nun nicht unbedingt für komplexe Songstrukturen und improvisierte Soli bekannt ist.
Dafür überzeugten BRMC umso mehr. Mittlerweile war es dunkel, als die drei Herren mit „Love Burns" ihr Set eröffneten. Die Countryzeiten zum „Howl"-Album haben sie hinter sich gelassen, was die Tatsache belegte, dass nur die damalige Single „Ain't No Easy Way" an diesen Abend den Weg auf die Bühne fand. Ebenfalls einen Weg fand eine Person unklaren Geschlechts, die die Band bei einigen Songs unterstützte. Mit zurückgewonnener Coolness legte das in schwarz gekleidete Trio eine souveräne Show ab. Eine gute Mischung aus alten und neuen Songs: „Whatever Happened To My Rock'n'Roll", „Spread Your Love", „Head Up High", „Six Barrel Shotgun", „Berlin", um nur einige zu nennen. Die für den BRMC typische Bühnenlichtshow (viel rot, viel weiß, etwas grün) wurde durch eine am Rand angebrachten Flammenshow, die in die Luft schoss, unterstützt und nur zu gerne vom Publikum, das relativ spärlich vertreten war, gewürdigt. Mit „U.S. Government" verabschiedete sich der Club und gab die Bühne frei für KELIS.
KELIS, diese R'n'B Trulla? Sie ist der typische Fall von Vorurteilen gegenüber Künstlern im Stil von: „Was will denn die/der auf so'nem Festival?" Nicht allzu oft wird man dann doch überrascht, wie gut etwas funktionieren kann, aber im Fall von KELIS? Ich find sie jetzt noch schlechter als vorher. Mit schlechter Songumsetzung und noch schlechterem Sound gab sich die Dame die Blöße. Mit platten Ansagen wie: „I don't wear underwear tonight" und „I love German porn" legte sie es penetrant drauf an, als heißestes Sexluder des Abends zu gelten. Das ging allerdings dermaßen in die Hose. Schwing deinen unbekleideten Hintern lieber an ein männliches Becken in irgendeinem R'n'B-Schuppen.
Kurze Verschnaufspause, bevor dann das Bandhopping begann. DIGITALISM legten auf der stockdunklen „Big Wheel Stage" auf. Die Jungs machten ihre Sache soweit ganz gut, allerdings hatte ich mehr als ein einfaches DJ-Set erwartet, so dass ich auch dem benachbarten Spielplatz die Beine hochlegte und nur zuhörte. Ein besonders spaßiger Zeitvertreib waren die Reaktionen der schlafenden Leute, die es sich im Sand um mich herum gemütlich gemacht hatten und von Sanitätern mit Taschenlampen unsanft geweckt wurden, um zu sehen, ob sie überhaupt noch atmen.
Von UNKLE auf der überdachten „Gemini Stage", die eine wirklich nette Bühnenbeleuchtung hatten, bekam ich dann nur noch zwei Songs mit. Die sehr RADIOHEAD-lastige aktuellen Single und ein mir unbekanntes Lied.
Es wurde auf mein zweites heimliches Highlight gewartet: der schnieke TIGA.
Leider konnte man schlecht erkennen, wie schnieke er wirklich war, denn er wurde von hinten beleuchtet, so dass sein hübsches Gesicht nicht erkennbar war. Zu schade, zumal mir sein DJ Set am Anfang auch nicht so gut gefiel, wie ich es mir erhofft hatte. Deshalb mal schnell rüber zu SIMIAN MOBILE DISCO, die meine Festivalüberraschung wurden. Geile Lichteffekte gepaart mit zwei DJs, die einen unglaublich guten Elektrosound kreierten, der die Menge ins Tanzen versetzte. Unterstützt durch ein Feuerwerk, das von einer benachbarten Bühne in die Luft geschossen wurde.
Langsam wurde es auch wieder hell, als es zurück zum TIGA ging, der immerhin zwei Stunden hinterm Pult stand. Schon wesentlich besser, legte er etwas tightere Beats auf, die nun mehr zum Tanzen animierte als vor noch einer Stunde.
Alles pilgerte wieder zurück zur Nokia Mainstage, denn die inoffiziellen MELT!-Könige DEICHKIND empfingen ihre Untertanen. Die Springtrampoline und Bürostühle ließen erahnen, was für eine Bühnenshow da kommen mochte. Durchgeknallt ging es dann auch los, und ich muss sagen, ich war enttäuscht. Mit dem Gefühl, dass krampfhaft versucht wurde, irgendeinen Unsinn zu inszenieren, nur um sich selber zu toppen und der Menge zu beweisen, wie verrückt und lustig sie doch sind, verließ ich bei soviel Geltungszwang das Gelände. Und seien wir mal ehrlich, wenn man DEICHKIND diesmal nicht gesehen hat, sieht man sie eben beim nächsten MELT!. Dann vielleicht auch mal mit neuen Songs, die man noch nicht zum hundertsten Mal gehört hat.
Das frühe Verlassen wurde allerdings auch belohnt mit einem fantastischen Sonnenaufgang über dem See als krönender Abschluss einer tollen Nacht. Glücklich ging es, untermalt von dem 90er-Song „No Limit" der DEICHKIND Gäste SNAP, den man weit über den See hinweg hörte, auf zum Zelt.
Der nächste Tag begann dann auch früh. Bei gefühlten 100°C im Zelt war an Schlaf nicht mehr zu denken. Deswegen kurz in den See hüpfen, Zelt abbauen und auf zur Shuttlebus Station. Als nach 20 Minuten immer noch kein Bus kam, wurde einem die brutale Realität bewusst: es werden wohl keine Busse mehr kommen. Somit bestand der letzte Spaß darin, beladen mit allem Krams ca. 1km in schweißtreibender Hitze zum Parkplatz zu laufen. Doch selbst dieser Krampf lag irgendwann hinter einem und konnte die gute Laune nicht drücken.
Ich blicke mit einem sehr zufriedenen Gefühl auf das schöne MELT! 07 zurück. Tolle Bands, bestes Wetter, freundliche Leute. Ich freu' mich schon aufs nächste Jahr (und dann hoffentlich mal das komplette Festival)!
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