Geschrieben von Mittwoch, 12 August 2009 17:06

Wacken 2009 - Der Festivalbericht

woa09

Nach einem Jahr Wackenpause habe ich mich teils überreden, teils hinziehen lassen, das größte Metalfestival der Welt erneut zu beehren. Und zu meinem großen Erstaunen hatte ich einen Höllenspaß. Wenn auch mit weitaus zu wenigen Bands auf der Liste, weil ich mir dieses Gedränge einfach nicht mehr antun kann und will. Sorry, gegen Schiss kann man nichts machen. Aber dazu später mehr...

Mittwoch morgen, 1:30h. Kumpel Dean klingelt SEHR früh, und ich stolper aus der Haustür. Mehr oder weniger unwillig und praktisch auf einem Bein wieder bereit, umzudrehen. Wir düsen nach Wacken, suchen unsere Leute und erwarten auf dem Parkplatz beim Edeka den Sonnenaufgang. Ab 8 Uhr dürfen wir aufs Gelände, da wir reserviert haben und es vorher kein Raufkommen gibt. Los geht's. Quer durch Wacken, immer brav den Schildern "Camp R" folgend. Raus aus Wacken, rechts rum. Rein nach Gribbohm. Weiterweiterweiter... mir wird bänglich. Ah. Holstenniendorf ist zu sehen und - wuschplopp - da ist ja "schon" unser Camp. Das ist nicht euer Ernst? Wir haben reserviert und wohnen ZWEI DÖRFER WEITER? Der Rest der Truppe bleibt cool, die kennen das schon aus 2008...

Na, egal. Aufbau, Pavillons festzurren, Bier aufmachen. Es ist ganz gemütlich hier, und da wir auf einem Hügel hocken, erschrecken einen auch die Regenwolken nicht all zu sehr. Sollen die da unten in der Senke ruhig absaufen (was sie dann auch taten)... Gen Nachmittag laufen wir zum ersten Mal Richtung Festivalgelände. Für den ersten Tag braucht man ja noch keine Bändsel. Dachten wir. Das Presse-Check-In hat nämlich irgendein Vogel kurz hinter die Autobahnabfahrt verlegt und es macht auch erst morgen auf. Dachten wir...
Kurz gesagt: ohne Band kommt man dieses Jahr erstmalig nicht auf den Vorplatz (wohlgemerkt: Vorplatz!! ), es ist scheißegal, ob man da vielleicht pressemässig was zu tun hat (mehrere Bands angucken vielleicht?) oder dass der Check-In erst morgen aufmacht. Knurrend drehe ich mich um und sehe den Gründer der Victims Of Madness mit ...einem VIP-Bändsel vor mir. Der Check-In hat heute dann doch schon auf. Aber ich lauf jetzt ganz sicher keine 6 (SECHS!!) Kilometer hin und wieder zurück. Noch etwas lauter knurrend latschen wir zurück ins Camp, und ich bin um 20 Uhr im Schlafsack. Blöde Bande.


Nächsten Morgen sitze ich frisch wie der junge Morgen und noch besser duftend (die Duschen waren klasse!) im Camp, als zwei Bekannte mich zum Check-In mitnehmen. Es sind tatsächlich ganz genau 12,2 km hin und zurück. Wahnsinn... Packt den doch bitte wieder an die Sporthalle wie anno dunnemals, das war so schön!
Nach einigen Drinks und einem kurzen Abstecher ins Backstage um kurz nach 16 Uhr flitze ich zur Partystage, um meine geliebten Helden von D-A-D erneut zu betrachten. Angesichts des heftigen Windes tut mir der Soundmensch jetzt schon Leid. Die Herren aus Dänemark sind gut drauf, spielen aber eine etwas unschlaue Setlist mit recht vielen neueren Stücken. Wo sie auf dem RockHardFestival noch alles wegpusteten, werden sie heute wohlwollend, aber nicht begeistert aufgenommen. Mit "Sleeping My Day Away" wird es aber zum Ende hin dann doch noch einmal wild. Danke.

ANTHRAX
haben abgesagt, weil denen mal wieder ihr Sänger nicht passte (arme Orga), also wird die Secret Show vorgezogen. Als pinkfarbene Marshalls auf die Bühne rollen, wird klar, was eh schon jeder vermutet hatte: J.B.O. (War nicht so schwer: Riesenanzeige im Programmheft, Name auf dem Wackenshirt...) Leider ist nicht nur der Wind diesmal dran schuld, sondern auch ein viel zu leiser Sound, dass es heuer nicht so spaßig ist wie ´07. Egal, gucke ich sie halt auf dem Seaside nochmal. Nebenan spielt der W. Nein danke. Möchte ich nicht gucken.

Erstmal einen Besuch der Cocktailbar vorziehen, um dann fix wieder zur Partystage um die im Vorfeld online extrem ausgebuhten THE BOSSHOSS auf ihrem ersten Metal-Event anzugucken. Ich muss ein wenig grinsen: die Jungs haben augenscheinlich die Buxen voll bis oben hin, als sie auf die Bühne kommen. Aber sieh mal einer an, von wegen "die will doch keiner sehen". Der Platz ist voll bis hinten zum Eingang und die Menge beginnt schon bei den ersten Takten, eine ausgelassene Yiihaa-Party zu feiern. Feine Setlist, eine bestens aufgelegte Band und die Nervosität der ersten Sekunden ist bei den Berlinern wie weggeblasen. Hab ich doch gleich gesagt, dass die sehr wohl zum Wacken passen.

Nebenan beginnt derweil die Abschiedsshow von RUNNING WILD. Nach TBH gehe ich natürlich rüber, aber was die Herren um Rolf K. da abliefern, finde ich eher statisch. Rolf macht den Eindruck "je eher weg, desto besser..." und ist recht sparsam mit seinem Acting. Zu Beginn der Show gab es zwar noch eine Piratenshow mit Darstellern, aber das reisst es auch nicht so wirklich raus. Ich höre mehr zu, als dass ich hingucke, freue mich aus dem Off noch über "Jolly Roger" und denke, dass er sich das vielleicht hätte sparen können.

Aber nun: der kleine alte Mann des Metal samt den Kollegen von HEAVEN&HELL entert die BlackStage. Ich stelle mich gemütlich vor die leere TrueStage, da gibt es nämlich auch eine Leinwand und einen exzellenten Sound. Und habe Minuten später mal wieder Pipi in den Augen. Wäre der Boden nicht so eklig, ich würd mich hinknieen. Viermal habe ich H&H bisher gesehen, das hier toppt nochmal alles. Was für eine Stimme! Die Menge erweist sich als ein wenig deppert, als Dio "Heaven & Hell" anstimmt, wir gucken uns fremdschämend an. Blöde Eventtouristen immer. Kennen natürlich nix von den Songs und warten insgeheim immer noch auf Black Sabbath (die sie auch nicht so richtig kennen...). Wie dem auch sei: die Show geht rasend schnell zu Ende, glücklich aber halb erfroren wandere ich alleine zurück auf den R-Hügel.
Nachts wird es mal wieder sintflutartig, aber ich habe mein Wackenfeeling allmählich sogar wieder entdeckt. Danke, Ronnie!


Am nächsten Morgen (wie, wir haben schon Freitag?) schnattern vier Leute auf mich ein, ich müsste unbedingt mit zu VREID gehen. Die spielen um 11 Uhr. Na gut. Da ich eh ins Dorf will, schau ich sie halt mal an. Und bin schon kurz nach Showbeginn meinen Leuten mehr als dankbar, dass sie mich mitgeschnackt haben. Ein sehr, sehr tolles Konzert mit eindringlichen Melodien und tollen Folkeinsprengseln. Mächtig und glasklar. Tolles Erlebnis!
Kurz davor wollten wir noch rasch aufs Töpfchen und hockten auf den kostenlosen und blitzsauberen Wasserklos zwischen Black- und Partystage, als sich der Klocontainer plötzlich in einen Riesenvibrator verwandelte, weil nebenan NAPALM DEATH losdonnerten. Ist schon putzig, wenn man kaum noch das Papier erwischt, weil praktisch der gesamte Container hüpft.

Wir sind dann erstmal ins Dorf marschiert, der Bedarf nach Kreislauftropfen war dringlicher als der Bedarf nach UFO oder ENDSTILLE. Hätte ich geahnt, dass wir viereinhalb Stunden brauchen, wäre ich dann doch lieber zum Sani gelaufen. Zurück im Camp standen dann auch schon Freunde aus Harburg da und holten mich ab zum Partymachen mit AIRBOURNE. Schon wieder laufen *jammer*. Aber ich wollte ja eh Airbourne sehen, und wie immer machten die verrückten Zauseln aus Down Under eine Höllenparty. Dieses mal kletterte der Sänger noch ein wenig höher als sonst. Ehrlich gesagt wartete ich nur darauf, dass er zwischen den Hörnern des Wacken-Schädels auftaucht. Und das alles auch noch ohne Sicherung. Uns wurde schon beim Anblick kniezittrig, und zur Feier seiner gesunden Rückkehr auf den Boden gab es erst mal Bier. Herrliches, wildes, energiegeladenes Konzert mit einer johlenden Partymeute vor der Bühne. Und endlich Sonne, Herz was willst Du mehr?


Ich hatte mir fest vorgenommen, COHEED AND CAMBRIA zu sehen, aber ich brauchte nach dem ganzen Gerenne wirklich erstmal eine Bank. Und die bitte in der Nähe von Schatten und Cocktails. Erst zu MOTÖRHEAD war ich wieder am Start. Naja, was soll man zu Lemmy und seinen Jungs groß sagen. Sie rocken halt mächtig wie immer, Lemmy hatte augenscheinlich sehr gute Laune und triezte das Publikum mit (gerechtfertigten) Lästereien über dessen Alter. Weder auf DORO noch auf "Amon vom Mars", wie die Tochter einer Freundin sagt, hatte ich danach noch Lust. Also begann wieder der lange Heimweg auf den Hügel, begleitet von diesen oder jenen völlig verzweifelten Campern, die sich eventuell verlaufen hatten. Jedenfalls wusste nicht ein einziger, wie sein Camp hieß. Ich hab meins aber gefunden. Noch ein Bierchen oder zwei mit dem harten Kern, und mit Sonnenaufgang ging es dann doch mal ins Zelt.


Erst um halb zehn brannte der Lorenz wieder auf die Weiden und ich war halbwegs ausgeschlafen. Heute war ich dran mit dem Hochsitz von Jägermeister und musste mich dann zwischen IN EXTREMO und PAIN entscheiden. Aber erstmal besuchten wir ein zweites Mal die Medievial-Area, die ich sehr gelungen, liebevoll gestaltet und mit tollen Essbuden vorfand. Für schlappe einsfuffzich haben wir uns frischen, heißen Hering im Brötchen einverleibt, dem Wikingerblut gefrönt (aber nur ein Becher, das reichte) und uns Adorned Brood reingezogen. Zurück auf dem Festivalgelände klappte mit dem Hochsitz natürlich gar nichts. Kein Name verzeichnet, kein Platz mehr frei und alles Bitten und Betteln ging auch nicht. So ein Mist. Auch andere Kollegen hatten diesen Ärger. Das sollte eindeutig besser laufen, liebe Jägerfreunde!
Erwartungsvoll drehte ich mich dann zum Gelände um.. und erstarrte. Im Leben habe ich noch nicht diese Massen gesehen. Es war grade mal kurz vor 19 Uhr und hinter den Eingängen war schon kein Platz mehr. Weiter vorne an den Seiten wäre es sicherlich gegangen, aber so Leid es mir tut: ihr könnt nicht jedes Jahr die Campwiesen vergrößern, aber das Bühnengelände gleich groß lassen. Es werden ja nicht weniger Menschen (leider..). Also tat ich schweren Herzens, was ich leider tun musste: ich latschte betrübt zurück ins Camp. Und blieb da. Kein Volbeat. Kein Pain. Kein Saxon. Kein Korpiklaani.

Ich hätte natürlich vom Backstage aus reingehen können. Oder jedenfalls vom Wall aus zusehen. Aber ganz ehrlich? Ich wollte Wacken mal aus der Atmosphäre eines Nicht-VIP erleben. Und das Ergebnis war halt ein entsetztes "Im Leben nicht gehe ich DA rein!". Sorry.
Und wen treffe ich im Camp? So ziemlich alle Mitcamper. Alle genauso sauer bis enttäuscht. Man zahlt halt nur ungerne 130,- € Eintritt, wenn man dafür nur campen kann aber keine Bands mehr sieht. Einige sind später nochmal hinunter gelaufen, wir anderen haben dann Wache geschoben, damit uns keine Pyros oder diese bescheuerten Himmelslaternen auf die Zelte plumpsen. Hören konnte man aber immerhin alle Bands sehr gut, der Wind stand genau richtig. Besonders VOLBEAT müssen die heimlichen Headliner vom WOA 09 gewesen sein. Seufz. Gucke ich die eben auch auf dem Seaside!


Fazit: So wenig Band sehen können wie noch nie (außer 2005, aber da war ich privat da). Außerdem musste ich alleine schreiben. UND meine Kamera ist seit Wochen beim Doc. Alles etwas blöde Ausnahmen. Trotzdem: was hatte ich mich auf meine Favoriten gefreut. Aber ich bin einfach nicht bereit, mich in diese Massen zu stürzen, nur um dann von dummen ViolentDancern (man sollte eher Prügler sagen) verkloppt zu werden, die weder die Bands kennen noch wissen, dass dieser "Tanzstil" im Metal absolut nichts zu suchen hat.
Die Masse an Eventkids hat im Vergleich 07 zu 09 nicht weiter zugenommen. Uns da oben im Gebirge haben sie nicht gestört, und wer sich halt "Show me your Titts" -Schilder bastelt und nicht weiß, wie das wirklich geschrieben wird, mei, der geht halt noch mal auf die Weide, büschen Gras fressen. Dumm und überflüssig waren die Pyros, die Samstagnacht ihren Höhepunkt erreichten. Muss wirklich Taschenkotrolle eingeführt werden? Anscheinend..

Aber von diesen Punkten mal abgesehen: Lob! Ehrliches und ziemlich glückliches Lob an die Orga, die 5000 Helferchen, die Polizei und natürlich die Einwohner von Wacken. Es war logistisch einwandfrei organisiert, viele Kleinigkeiten erleichterten den Besuchern den Ablauf. Die Mittelalter-Area fand ich regelrecht entzückend. Sehr liebevoll und ein herrlicher Ruhepool im Wackenwahnsinn. Bei dem völlig überflüssigen Wrestlingzelt habe ich nicht einmal jemanden gesehen, das kann gerne wieder weg. Aber lasst die "Wackinger" bitte zum Standard werden!

Dusch- und Klosituation waren ausgezeichnet, Hut ab vor den Putzkolonnen da. Essen war im Mittelalterbereich erstklassig. Bierpreise wie gehabt, das Weizen im Biergarten ist halt saulecker und durchaus bezahlbar. Alles in allem war ich glücklich und happy, doch wieder zu "meinem" Wacken gefahren zu sein. Auch wenn euch die Zahl 77.000 nun wirklich gar keiner mehr glaubt *zwinker*. Ich düse in wenigen Wochen nochmal zum Ableger Wacken Rocks Seaside, mal schauen. Vielleicht kommt da ja wieder das alte Feeling auf, so wie anno ´97... ich werde berichten!
Kat