Es ist ein relativ milder aber sehr nasser Sonntag im November, und daher freuen wir uns umso mehr, als wir um kurz nach 19 Uhr endlich Einlass ins Docks erhalten. Um 19:30 Uhr legen bereits die Hardcore Punks von THE GHOST OF A THOUSAND aus Brighton, UK mit ihrer mitreißenden und energiegeladenen Show los. Da Hardcore Punk nicht gerade meine Lieblingsmusikrichtung ist, gehe ich mit eher geringen Erwartungen an die Show der fünf Jungs heran, werde im Laufe des Sets dann aber absolut positiv überrascht. Trotz des rauen, leicht aggressiven Organs von Sänger Tom Lacey hat die Musik von TGOAT etwas angenehm Melodisches und die Spielfreude der Band ist absolut ansteckend. Das ist besonders Sänger Tom Laceys Performance zu verdanken, der den Hauptteil der Show mit den Fans im Pit verbringt, sie anspringt oder anschreit und auch sonst sehr unterhaltsam durch die Show führt. Allerdings wirken die Hamburger durch diese aufgeschlossene Art anfangs leicht irritiert, so dass Tom sie häufiger darauf hinweisen muss, nicht so schüchtern zu sein. Nach einer kleinen Wall Of Death taut dann aber auch der letzte Zweifler im Publikum auf. Ein wirklich gelungener Anfang für diesen Abend!
Weiter geht es um 20:10 Uhr mit FOUR YEAR STRONG aus Worchester, Massachusetts. Der poppige Punk der fünf fast durchweg bärtigen Amerikaner wird von Anfang an besser angenommen als der nicht ganz so leicht zugängliche Hardcore von TGOAT. Es gibt viel melodischen Gesang der beiden Gitarristen Dan O'Connor und Alan Day, die auf der Bühne auch eindeutig im Mittelpunkt stehen. Den lockersten Job der Band hat allerdings Josh Lyford, der nur ab und zu zum Einsatz am Synthesizer kommt und ansonsten für die wenigen gegrowlten Parts zuständig ist. Diese performt er dann aber auch gerne mal im Graben vor der ersten Reihe. Obwohl der Sound nicht ganz so klar ist wie bei der ersten Band, überzeugt mich auch der Auftritt von FOUR YEAR STRONG durchweg. Auch das kurz angespielte SLAYER Cover von „Raining Blood“ während des eigenen Titels „Prepare To Be Digitally Manipulate“ trägt seinen Teil dazu bei. Den Abschluss nach einer kurzweiligen halben Stunde bildet dann das sehr punkige „Maniac (R.O.D.)" vom aktuellen Longplayer „Rise Or Die Trying“.
Um 21 Uhr folgt mit ALEXISONFIRE mein Highlight und insgesamt auch der gefühlte Headliner des Abends. Fast genau drei Jahre nach ihrer explosiven, energiegeladenen Show im Hamburger Molotow und ihrem aktuellen, eher punkigen Release „Old Crows/Young Cardinals“ kann ich es kaum erwarten, die durchgeknallten Kanadier aus St. Catherines, Ontario endlich wieder live zu erleben. Und es hat sich absolut gelohnt.
Die lange Pause und diverse Soloaktivitäten der einzelnen Bandmitglieder – allen voran DALLAS GREEN mit seinem erfolgreichen Nebenprojekt CITY AND COLOUR – haben dem Zusammenhalt und dem Zusammenspiel von ALEXISONFIRE nicht im geringsten geschadet. Die Jungs um Frontmann George Pettit, der sichtlich einige Kilos und Barthaare zugelegt hat, wirken spielfreudig und frisch. Besonders der zappelige, stets gut gelaunte Bassist Chris Steele, der während der kompletten Show nicht einmal still stehen kann und wie aufgezogen über die Bühne springt, ist ein absoluter Hingucker und darf bei einer AOF Show auf keinen Fall fehlen.
Der Sound ist ebenfalls super, und es gibt sowohl für mich als auch für die meisten Leute im Publikum nur einen Kritikpunkt: dass der Schwerpunkt der Songauswahl zu sehr auf dem neuen Release liegt und einige alte Klassiker fehlen. Auf die Frage eines Fans nach dem Song „It Was Fear Of Myself That Made Me Odd“ reagiert Sänger George dann auch ein wenig pikiert, nach dem Motto “WINGER oder LIMP BIZKIT Songs spielen wir leider nicht”. Vielleicht hat er die Frage aber auch einfach nur falsch verstanden. Einige Klassiker haben AOF dann aber trotzdem in petto: Erst folgt das großartige „This Could Be Anywhere In The World“, bei dem alle mit DALLAS GREEN bei Textphrasen wie „The City, The City Is Haunted, By Ghosts (Ghosts) From Broken Homes (Homes)“ um die Wette trällern – und nach einer knappen Stunde gibt es als krönenden Abschluss noch das famose „Accidents“ – einfach herrlich! Ich hoffe sehr, dass uns AOF bis zur nächsten Show nicht wieder drei Jahre lang warten lassen.
Setlist ALEXISONFIRE:
Drunks, Lovers, Sinners And Saints
No Transitory
Boiled Frogs
Born And Raised
We Are The Sound
Old Crows
Keep It On Wax
Young Cardinals
This Could Be Anywhere In The World
Accept Crime
Accidents
Der Musik des heutigen Headliners ANTI-FLAG und auch ihrer Einstellung konnte ich bisher nichts abgewinnen, und auch der heutige Auftritt hat daran leider nicht viel verändert. Zwar muss ich zugeben, dass sowohl die Show als auch der Sound wirklich super sind, aber das lenkt nicht von der Tatsache ab, dass die Songs zu eintönig und einfallslos klingen, und Ansagen wie „This song is for those of you who hate their school or their job…“ einfach nur nerven. Ähnlich scheint es auch einigen anderen Fans zu gehen, denn im Laufe des Auftritts leert sich das Docks zusehens. Pluspunkte gibt es aber für das gelungene Cover von THE CLASHs „Should I Stay Or Should I Go“ und das Engagement der Band für den Klimaschutz. Für die Fans von ANTI-FLAG hat sich der heutige Auftritt sicherlich gelohnt – für mich leider nicht, aber das ändert aber nichts an der Tatsache, dass dies wieder ein fatastischer Konzertabend war!