Und auf einmal überschlug sich alles: WATERDOWN haben einen neuen Sänger und da steht auch schon direkt das neue Album „All Riot“ in den Startlöchern, ohne dass ich vorher irgendwas geahnt hätte. Also Grund genug, sich mal davon zu Überzeugen, wie die Osnabrücker denn heute so zur Sache gehen und wie sich der neue Sänger macht. Drei Tage vor dem Konzert konnte ich mich auch von der neuen CD überzeugen lassen: WATERDOWN ARE BACK! Und wie! Aber kriegen sie da auch live so hin? Um uns davon zu überzeugen, haben wir am 21.01.06 unseren Wagen vollgepackt und sind zu Release-Show nach Ibbenbühren in die Scheune gefahren. Da das Rahmenprogramm mit SIGHT UNSEEN, THE COALFIELD und FIRE IN THE ATTIC auch recht attraktiv und der Eintrittspreis von vier Euro nahezu unschlagbar war, freuten wir uns auf einen Strauß bunter Melodien. Und vorneweg: Das auch zurecht!
Als wir um ca. acht Uhr in den Laden wollten, spielten SIGHT UNSEEN bereits. Da der Einlass etwas chaotisch organisiert war, verpasste ich den ersten Song, aber sei`s drum. SIGHT UNSEEN sind die Band, bei denen der neue WATERDOWN-Sänger „Zacken“ vorher sein Unwesen getrieben hat. Und die Band hat sich bereits einen guten Nachfolger an Land ziehen können! So bot die ebenfalls aus Osna stammende Band lupenreinen Emo mit viel Gesang über Frauen und ab und zu etwas Geschrei, wobei sich hier der Sänger für beides verantwortlich zeigte. Die Performance war noch etwas statisch und die Songs zeigten viele bekannte Merkmale typischer Emocore-Songs auf, aber die Band ist noch ja noch jung und im Vorprogramm von WATERDOWN (von denen sie als weltbeste Supportband angepriesen wurden) aufzutreten, hat man ja auch nicht jeden Tag. Das ist noch ne Menge drin, also: Auge drauf haben!
Die Scheune war bereits gut gefüllt und zog noch weitere Zuschauer an, als THE COALFIELD die Bühne betraten. Und diese Band sorgte für Verwirrung, Spaß und gnadenlose Ablehnung. Bereits vorher waren sie mir von Freunden als „totaler Mist“ beschrieben worden, und dadurch erst recht interessant, da die Empfehlungsgeber in diesem Fall nicht direkt für einen musikalischen Pluralismus bekannt waren. Und so war es dann auch. THE COALFIELD waren „anders“ (und damit meine ich nicht die leicht androgyne Art ihres Sängers) und zelebrierten dies auch. Gekleidet waren sie alle (bis auf den Drummer) mit dem gleichen Blitz-Shirt (ist das nicht von TURBONEGRO?) und ihre Musik war offensichtlich auf Tanzbarkeit ausgerichtet. Allerdings nicht in dem offensichtlichen Sinn wie z.B. bei FRANZ FERDINAND oder ähnlichen Bands, sondern etwas subtiler. Auch der gut portionierte Rotz, den die Band in die Songs legte, hob sie von diesem New Wave-Punk ab. Schön war auch zu sehen, wie sehr sich die Geister an dieser Band schieden: Bei den kleinen nervigen Deutschpunk-Kids (die einem trotz genügend Platz dauernd gegen das Scheinbein rannten) wurde auf Zuruf von der Bühne gepogt, bei mir und anderen ein Lächeln in´s Gesicht geschraubt und bei nicht ganz so offenen Ohren reine Verachtung hervorgerufen (z.B. durch die teilweise hohe Stimmlage des Sängers). Ein Auftritt mit Hindernissen also (unter anderem auch ein dauernd verrutschendes Schlagzeug und ein am Ende des Sets blutender Sänger, der sich und sein Shirt mit Blut besprenkelte), der aber einigen in der Scheune durchaus Spaß gemacht hat. Der Band selbst auf jeden Fall auch.
So langsam wurde es rappelvoll in der Scheune und ich habe mir sagen lassen, dass am Schluss auch nicht mehr alle rein gelassen wurden, die Eintritt begehrten. Nach einer weiteren kurzen Pause betraten FIRE IN THE ATTIC die Bühne, die Fans des Screamo/Punkrock-Genres nicht unbekannt sein dürften. Zum Sound muss ich sagen, dass einige der Songs fast schon schwer zu erkennen und einige Feinheiten ihres Albums nicht rauszuhören waren, aber dafür ging die Band direkt von der ersten Note an total steil! Die Gitarren und der Bass wurden von A nach B und wieder zurück geschwungen, der Sänger feierte Gesichtskirmes und gab sich charmant. Die stimmlichen Leistungen dieser Band waren allerdings auch jedem Zweifel gegenüber erhaben. Der cleane Gesang passte richtig gut und auch der gitarrenspielende Shouter brachte sein heftiges Organ einwandfrei unter. Meinen Lieblingssong haben sie zwar nicht gespielt, dafür aber mit Herz, Einsatz, einer Konfetti-Pistole und einem ordentlichen Arsch in der Hose gepunktet. Trotzdem wurde ich so langsam hibbelig und erwartete gespannt den WATERDOWN-Auftritt.
Und diesmal dauerte die Umbaupause etwas länger, aber hey, jetzt kam ja auch der Headliner! Und der machte dieser Bezeichnung alle Ehre! Begonnen wurde mit Stücken des neuen Albums, obwohl dies noch nicht im Laden stand – dafür war es ja auch eine Release-Party. Und Zacken, der neue Sänger, bewies, dass er live ein Tier ist und zwar in mehreren Belangen: zum einen ist dieser absolute Sympath eine ganze Menge Mensch für eine Person und zum anderen hat er ein wirklich überzeugendes Organ. Im Gegensatz zum alten WATERDOWN-Sänger schreit er nämlich auch noch – und fragt nicht nach Sonnenschein! Was für ein Organ! Der Band konnte man die eigene Begeisterung anmerken und die gute Laune sowieso. Sowohl der Basser als auch beider Sänger/Shouter stellten immer wieder Kontakt zum Publikum her und ließen es sich anmerken, wie froh sie waren, dass die Scheune so mitrockte.
Und meine Güte, die Band war wirklich in Spiellaune. Aber erst bei den alten Songs wie „Round Two“ (bei dem in der Scheune kein Kehle ruhig zu blieben schien), „Fortress“, „Impress Me“, „Bulletproof“ oder „Xerox“ konnte Zacken auch beweisen, dass er das ganze WATERDOWN- Repertoire beherrscht. Allerdings war das auch wieder eine strittige Angelegenheit. In Gesprächen mit anderen Konzertbesuchern habe ich mitbekommen, dass einige absolut angetan waren vom neuen Sound von WATERDOWN und vom neuen Sänger und andere dagegen eher unzufrieden waren, da sich die Band nun mal zwangsweise etwas verändert hat. In meinen Ohren knüpften neue Songs wie „Cut The Cord“, „Sleep Well“ oder „Moshpitt Etiquette“ allerdings nahtlos an die alten Gassenhauer an und die neu gewonnen Breakdowns (neu daran war eher das Drumming als die Riffs) fügten sich gut und nicht aufgesetzt in die Songs und brachten das Pitt einige male zum kochen. Und anstatt SLIME wurden heute SICK OF IT ALL („Scratch The Surface“) und als Zugabe noch „Rather Be Dead“ von REFUSED gecovert.
Und neben dem Verschenken von CDs auf der Bühne, dem Anleiern eines Stagediving-Wettbewerbs und einer Konfetti-Rakete (man wollte ja eine Steigerung gegenüber FIRE IN THE ATTIC haben) gibt es noch eine richtig schöne Anekdote: Gegen Ende des Sets wurde Ingo, der bereits bekannte Shouter, etwas ruhiger. Das ging soweit, dass er sich setzen musste, da er völlig aus der Puste war. Kurz nachdem er ankündigte, eventuell seinen Mageninhalt verlieren zu müssen, verließ er auch schon während des Sets die Bühne, um sich göbelnderweise „Ingo!Ingo!“-Rufe aus der Menge anhören zu können. So Sprang dann sogar für eine kurze und improvisierte Rap-Einlage der MOURNFUL-Sänger auf die Bühne, um sie kurz danach lachend wieder zu verlassen. Aber Ingo und das Publikum haben es mit viel Humor genommen: „Wenn ich der einzige bin, der wegen der Show heute kotzen musste, ist ja alles in Ordnung!“.
Nach kurzer Verschnaufpause brachten sie aber noch das Set zu Ende und hinterließen ein großteils begeistertes Publikum. Coole Show, guter neuer Sänger und sympathische Band - nächstes Mal gerne wieder! Allerdings kann und will ich keine schwarz gefärbten Emo-Scheitel mehr sehen!
Waterdown, Fire In The Attic, The Coalfield & Sight Unseen in Ibbenbüren/Scheune
Juchhu, WATERDOWN sind zurück! WATERDOWN waren eine der ersten Bands, die mich durch ihr Debut „Never Kill The Boy On The First Date“ mit der Verbindung von Punk- und Metalelementen bekannt gemacht haben. Die Split CD mit BY A THREAT und das Zweitwerk „The Files You Have On Me“ unterstrichen den Ausnahmestatus der Band, die bereits ihren ersten Longplayer weltweit via Victory-Records unter das Volk brachte. Auch live waren WATERDOWN immer einen Besuch wert, nicht zuletzt weil sie z.B. mit einer Coverversion von SLIME Puristen überraschten. Als 2004 der „Sänger“ (im Gegensatz zu „der Shouter“) die Band verließ, sah es nicht mehr so rosig aus. Neue Sänger wurden ausprobiert, aber nichts wollte so richtig klappen. Und so hatte ich sie das letzte Mal vor ca. 1½-2 Jahren auf der Deconstruction-Tour gesehen, wo sie mich mit einem Interimssänger leider nicht mehr so begeisterten. Danach hatte ich die Band bereits so gut wie abgeschrieben.