08.03.10 - "So who wants to live forever if these moments only come the once". Diesen Satz las ich auf der Rückseite eines T-Shirts. Eines T-Shirts einer Band, die kurz vor dem 30. Jubiläum steht. Na, und wenn die nicht wissen, woven sie reden? Doch will ich am Tag nach einem Ausnahmekonzert auch beim Berichten darüber eine Ausnahme machen, und ohne zu ausgiebige Vorrede zur Sache kommen.
Um etwa 21:20 Uhr ging im ausverkauften Saal das Licht aus, ein leises, für die in den Startlöchern zum Auftritt stehende Bänd so typisches Song-Intro war für einige Augenblicke zu hören, bevor sich die fünf Männer auf der Bühne formierten, um den Auftakt eines sehr, sehr geilen Konzerts zu geben.
Das Eröffnungsstück kannte ich nicht, egal, das neueste Album von NEW MODEL ARMY, welches meine bescheidene Sammlung ziert, ist von 1990... Und daraus legten sie direkt im Anschluss "Get Me Out" nach - aber wer wollte so früh schon wieder out of this place? Ein wenig die Jahre gekommen sah er aus, der etwas über 50jährige Justin Sullivan (der wie gewohnt mal akustische und mal E-Gitarre spielte), mit eher ausdünnender denn wallender Haarpracht. Auch klang er in kleinen Spuren vom Leben gezeichnet: die Stimme etwas rauher und tiefer als früher, doch schien er weder alles andere als schlecht gelaunt, noch hatte er im Geringsten etwas von seinem schier unglaublichen Charisma eingebüßt. Mit ehrlicher Hingabe wie eh und je, ebenso sehnsuchtsvoll wie nach wie vor wütend, sang und rief, sprach und spielte er sich mit seinen Mitstreitern durch das Set, dass es eine einzige, wahre, uneingeschränkte Freude war.
Sein Publikum nahm's dankend an, klebte ihm nicht nur während gelegentlich kurzer Ansprachen an den Lippen, tanzte, jubelte, pogte und wippte ausgiebig mit - der Raum erinnerte zeitweilig an eine unruhig aufgewühlte See im Wechsel der Gezeiten. Immer mal wieder amüsierte sich der Brite höchst sympathisch darüber, in einem Jazzkeller zu sein, und ließ die Bänd auch mal ein paar Takte - so von Herrn Sullivan genannten - Modern Jazz spielen.
Überhaupt, die Band, na klar, die war ja auch noch da... Und wie! Der Schlagzeuger trieb die Menschen auf wie vor der Bühne schonungslos an, spielte zeitweise fast tribal-artige Rhythmen, die anderswo bereits als Solo deklariert würden; hatte mit dem Bassisten einen ebenso unermüdlichen Motor zur Seite. Dann gab es natürlich Marshall Gill, den Leadgitarristen, dessen Spielfreude kaum zu bändigen war, welcher immer wieder mit ausgezeichneten Soli sowie wohl dosierten Soundspielereien heraus stechen konnte. Zur Linken des Drummers der Keyboarder, dessen sphärische Klänge gerne einen Hauch des New Wave mit ins Spiel brachten, wenn er nicht von Zeit zu Zeit auch mal mit einer weiteren Gitarre zu Werke war. Man kann also sagen, es hatten sich fünf Männer auf der Bühne versammelt, die ihre Insturmente vorzüglich beherrschten und dabei zudem mit einer ganzen Menge Freude und Herzblut zugange waren.
Präsentiert wurden Songs aus nahezu jeder Schaffensphase, wobei ich die neueren Stücke wie erwähnt nicht so richtig gut bis gar nicht kenne, doch fügten sich diese im ausgezeichneten Soundgewand des Sets sehr gut in die Reihe der Klassiker ein, so dass nirgendwo ein Schwachpunkt auszumachen war. Identifizieren konnte ich von jüngeren Werken lediglich "High" und "Today Is A Good Day", jeweils die Titelstücke des letzten bzw. aktuellen Albums. Höhepunkte gabs derweil einige, "Vagabonds", na klar, gegen Ende des regulären Sets, eingeleitet mit schön ausgedehntem, gitarrelastigem Intro, unmittelbar davor das zeitlos schöne "White Coats". Oder zu Beginn des Zugabenblocks - für mich eine kleine Überraschung - "51st State", von welchem die letzte Strophe fast komplett vom Publikum übernommen wurde. Und natürlich das für mich wohl herausragendste Stück des Abends, das herrlich dargebotene "Green And Grey", mit welchem eine Dame derart gerührt werden konnte, dass sie flugs die Bühne erklomm, erst dem Gitarristen, dann dem Sänger ein Küsschen auf die Wange drückte, um dann schnell wieder in der Menge Schutz zu suchen, bevor der gestrenge Ordner sie von Stage zu entfernen vermochte...
Nach diesem Stück sollte wohl Schluss sein, es war Punkt 23 Uhr, das Licht ging an, Konservenmusik ertönte sogleich aus den Lautsprechern. Ein Teil der Zahlenden verließ bereits den Saal, ein anderer applaudierte dessen ungerührt weiter, bis NEW MODEL ARMY nach einigen Minuten zurück kamen und uns noch mit "Poison Street" sowie "225" zu beglücken wussten. Im Nu war der nun etwas geräumigere Platz vor der Bühne neuerlich zu einem tosenden Meer aus tanzenden Menschen geworden. Derartiges durfte ich in dieser Lokalität bislang wahrlich noch nicht erleben!Wahnsinn!
Nach im Gesamten annähernd zwei Stunden höchst intensiver Darbietung, ging dann auch der definitiv letzte Moment des Konzerts zu Ende, mit welchem die Bänd einmal mehr ihren Ausnahmestatus in so mancher Hinsicht famos untermauern konnte. Abschließend möge man mir großzügig nachsehen, dass dieser Bericht weniger als kritische Rezension denn als Loblied daher kommt, doch was soll ich anderes mitteilen als das, was ich mit eigenen Sinnen gehört und gesehen habe?
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