Geschrieben von Montag, 04 September 2017 16:40

Summer Breeze 2017 - Der Bericht

Nach über 600 Kilometern Fahrt, eingeklemmt zwischen Campingstühlen, Zelten und Trecking-Rucksäcken, erreicht unsere kleine Reisegruppe endlich das Gelände des Summer Breeze Open Air. Was tut man nicht alles für ein Festivalwochenende …

Mittwoch – Wikinger, Werwölfe und 99 Luftballons

Leider dauern Check-In und Zeltaufbau so lange, dass wir den THE ROCK`N`ROLL WRESTLING BASH verpassen. Aber wenigstens sind wir pünktlich genug für einige Surprise Acts. Angeblich sollen auch international bekannte Vertreter dabei sein. Da wir in unseren Reihen auch den Drummer von ENDSEEKER haben, der hier mit seiner Band auf der Camel-Stage spielen wird, können wir einen Blick in das Artist-Book werfen, in dem die Surprise-Acts abgedruckt sind. Mit POWERWOLF ist tatsächlich eine Band größeren Kalibers vertreten. Und auch die anderen Acts, KNORKATOR und AMON AMARTH, sind echte Großkaliber. Nur treten die nicht sowieso hier auf? Ja, tun sie. Die Überraschung ist in diesem Fall dann, dass man sich beide Bands zwei Mal anschauen kann. Hurra?!?

Aber hey, wir haben Bock auf Live-Musik und machen uns auf zur T-Stage, um uns die Wikinger von AMON AMARTH anzuschauen. Tatsächlich kann ich verstehen, dass die Fans in den vorderen Reihen geradezu selig sind vor Glück. Die Größe des Publikums ist überschaubar und dadurch bietet sich die Gelegenheit, sich die Melodic-Death-Metaller und ihr Holzschiff aus nächster Nähe anzusehen. Und wer dachte, dass die Schweden es sich leicht machen würden und einfach an beiden Abenden die gleiche Show abfeuern, der irrt gewaltig. Denn tatsächlich gibt es mit „Twilight Of The Thunder God“ nur einen einzigen Song, der in beiden Sets vorkommt.

Was wir am Folgetag leider verpassen, ist der Gastauftritt von der Grande Dame des Heavy Metal, DORO PESCH, die gemeinsam mit Johan Hegg und seinen Wikingern bei „A Dream That Cannot Be“ fleißig das Haupthaar schüttelt.

Amon Amarth

(Foto stammt von der Show am Folgetag)

Im Anschluss folgt die Überraschungs-Messe der armenischen Werwölfe von POWERWOLF. Wir sind bester Dinge, singen lauthals Lieder über Blut, Erektionen und Besessenheit mit. Sogar meine sich in einen Flummi verwandelnde Freundin Janina, die behauptet, sie hätte Attila Dorn und Co. noch nie zuvor gehört, ist nicht zu bremsen und johlt begeistert: „All we need is blood, blood ..."!

Powerwolf

Ich muss direkt wieder an das erste Mal denken, als ich POWERWOLF gesehen habe und ähnlich begeistert war. Die Songstrukturen und Hooklines sind extrem eingängig und setzen sich über Tage im Gehörgang fest. Und auch die Ansagen von Attila ("vielen Dankeschön", Knaller!) fand ich damals noch saulustig. Aber leider gehören die Saarländer zu den Themenbands, die sich nach zu häufigem Livegenuss abnutzen. Ein paar neue Ideen und Sprüche wären sicherlich hilfreich, um den Erfolg dauerhaft halten zu können.

Zum Abschluss werfen wir noch mal einen Blick in den Campside Circus, in dem gerade Karaoke auf dem Programmplan steht. Ein Konzept, das man bereits von anderen Festivals kennt: Eine Profiband, hier in die kürzesten Glitzershorts der Welt gepresst, begleitet mit ihren Instrumenten sangeswillige, betrunkene Festivalbesucher. Das ist mal mehr, mal weniger schön. Bei einer sehr lauten und schiefen Version von Nenas „99 Luftballons“ beschließen wir, den Heimweg anzutreten und uns in die Zelte zu begeben.

Großer Fehler. Wir konnten ja nicht ahnen, dass wir neben den asozialsten Menschen der Welt unsere Zelte aufgeschlagen haben. Gegen ein Wohnmobil mit Generator ist ja erst mal nichts zu sagen. Aber diesen dann, trotz mehrerer Beschwerden diverser Nachbarn, bis drei Uhr nachts laufen zu lassen, auf einem Zeltplatz, auf dem in erster Linie Leute schlafen, die hier arbeiten müssen, das ist schon maximal scheiße. Liebe Wohnwagen-Assis, falls ihr das hier lest, noch mal ein herzliches fickt euch!

Donnerstag – Erkundungen, Enttäuschungen und ein spätes Tages-Highlight

Punkt 9:00 Uhr küsst mich das wohlige Brummen des Generators wach. Wie sehr ich euch hasse! Nach einem kleinen Frühstück und einer wohltuenden Dusche, die die unruhige Nacht vergessen macht, starten wir Richtung Gelände und machen es uns in der Nähe der Breeze-Stage auf dem Boden gemütlich. Ja, richtig gehört. Man kann hier auf dem Boden sitzen. Als Wackengängerin bin ich von diesem Umstand geradezu verzückt.

Die Stimmung ist entspannt und es ist noch nicht sehr voll vor der großen Bühne, die in diesem Jahr übrigens ganz fantastisch aussieht und links und rechts von zwei imposanten Dämonenfiguren umrahmt wird.

Die erste Band, die wir uns am heutigen Tage angucken, sind WHILE SHE SLEEPS, die ein sehr gutes Gespür für die Zusammenstellung ihrer Setlist haben und direkt mit „You Are We“ starten. Beinahe hätten die Jungs aus Großbritannien gar nicht spielen können, denn auf dem Weg hierher wurde ihr gesamtes Equipment aus dem Bandbus entwendet. Instrumente und Technik im Wert von abertausenden Euro – einfach weg. Aber das Breeze hat schnell reagiert und es irgendwie geschafft, für alle benötigten Materialen Ersatz zu finden. So können sie ihre Show spielen und nach 30 Minuten mit ihrem Kracher-Song „Hurricane“ gut gelaunt von der Bühne gehen.

Nur wenige Minuten später sind dann WHITECHAPEL am Start. Die Death Metaller befinden sich gerade auf großer Festival- und Clubtour und jagen von Gig zu Gig. Von Müdigkeit ist heute nichts zu erkennen. Die Jungs versprühen ihre Energie, die sich bei „I, Dementia“ auch auf das Publikum übertragt und in einem Moshpit gipfelt.

Sehr müde hingegen scheint das Publikum beim Auftritt von LIFE OF AGONY zu sein. Obwohl Mina Caputo und ihre Jungs direkt mit „River Runs Red“ beginnen, und das eigentlich ein Garant für Partystimmung ist, passiert exakt nichts. Und auch bei „Weeds“ nicken nur vereinzelnd ein paar Köpfe. Irgendwas liegt hier im Argen. Auch Sängerin Mina entgeht das nicht. Sie erkundigt sich beim Publikum, ob es in der letzten Nacht zu wenig Schlaf hatte oder ob es vergessen habe, wie man tanzt. Die Reaktion fällt eher frostig aus und auch Mina selbst scheint keine sonderlich gute Laune im Gepäck zu haben. Die sonst meist so fröhliche Fronterin starrt geistesabwesend in die Reihen und wünscht sich wahrscheinlich gerade mit einem Glas Wein auf ihr heimisches Sofa. Man kann ihr die Erleichterung fast ansehen, als sie endlich von der Bühne gehen darf.

Life of Agony

Leider bleiben LIFE OF AGONY nicht der letzte missglückte Auftritt des Tages. Und als großer DEVIN TOWNSEND Fan bricht es mir fast das Herz, das sagen zu müssen, aber, lieber Devin, das war mal so gar nichts. Der verrückte Professor aus Kanada ist zwar wie immer bester Laune und strahlt die Euphorie eines Glücksbärchies aus, aber was er sich bei der Songauswahl gedacht hat, ist mir völlig schleierhaft. Keiner seiner Ohrwürmer ist dabei. Stattdessen jede Menge frikkelige oder komplexe Songs wie „Stormbending“ oder „Deadhead“. Ohne Frage sind das grandiose Songs, die in einem dunklen Club und vor einer Fancrowd wahrscheinlich wahnsinnig gut funktionieren, aber hierher mag es nicht so recht hinpassen.

Einen kurzen Moment des Glücks bekommt das Publikum geschenkt, als ANNEKE VON GIERSBERGEN zu „Supercrush!“ die Bühne betritt. Noch nie war es mir vergönnt, diese beiden großartigen Künstler im Duett zu hören. Wie sich schnell herausstellt: heute auch nicht. Denn Annekes Mikro ist entweder viel zu leise oder einfach komplett aus. Nur selten hört man überhaupt etwas von ihr. Und auch sie scheint sich nicht zu hören. Das verrät der häufige Griff zu ihrem InEar-Kopfhörer. Ganze vier Songs ist Anneke mit auf der Bühne. Doch leider kann der Sound in dieser Zeit nicht nachgebessert werden. So bleibt am Ende nur die Enttäuschung.

Devin Townsend

Den großen Auftritt von AMON AMARTH sparen wir uns heute. Die waren ja gestern schon da. Ja, mittlerweile weiß ich auch, dass es sich gelohnt hätte, einen Blick zu riskieren. Stattdessen gehen wir aber zur T-Stage und gucken uns die portugiesischen Vampir Metaller von MOONSPELL an. Recht schnell stelle ich fest: Auch das wird heute kein Highlight für mich. Dieses Mal kann die Technik aber nichts dafür. Der tiefstimmige Gothic Metal ist einfach nicht mein Ding. Stattdessen stelle ich mir Fragen wie: Warum sind diese Vampire eigentlich so sonnengebräunt und was passiert, wenn die Werwölfe von POWERWOLF auf die Vampire von MOONSPELL treffen? Könnte da bitte mal jemand einen Kurzfilm zu produzieren? Ich würd's gucken.

Apropos gucken: Auch wenn ich musikalisch nicht überzeugt bin, optisch passt hier alles gut zusammen und die langsamen, düsteren Melodien harmonisieren ganz hervorragend mit der rot ausgeleuchteten Bühne.

Mit den ARCHITECTS gibt es dann aber doch noch das so lang ersehnte Tages-Highlight. Sänger Samuel David Carter performed nicht nur grandios, sondern erobert die Herzen des – mittlerweile deutlich verjüngten – Publikums vor der T-Stage zusätzlich mit seinen emotionalen Ansagen. Sowohl zum 2016 verstorbenen Gitarristen, Songwriter und Gründer Tom Searle, als auch zum kurz zuvor verübten Terroranschlag in Barcelona findet er die richtigen Worte.
Die Briten beweisen eindrucksvoll, wie anspruchsvoller Metalcore heutzutage klingen muss. Sound, Spielfreude, Songauswahl und Show grenzen an Perfektion und die Menge frisst ihnen vom ersten bis zum letzten Moment aus der Hand.

Freitag – Die Erben des Deathmetal, deutsche Punks und Thrash-Ikonen

Wir nutzen den Weckruf des brummenden Kriegsgotts Genera-Thor und machen uns bereits am Morgen auf den Weg zum Gelände. Da heute nicht wirklich viel auf dem Plan steht, was uns interessiert, nutzen wir die Zeit, um die zahlreichen Shops zu erkunden und typische Festival-Must-Haves zu bestaunen: dusselige, obergroße Hüte, waffenscheinpflichtige High-Heels, witzige Nerd- und Musik-Shirts für Babies und Trinkhörner in allen erdenklichen Größen und Farben. Toll!

Aber wir sind ja nicht hier zum Shoppen, sondern wegen der Bands – und mit MEMORIAM steht gleich eine spannende Konstellation auf der Bühne. Denn die 2016 gegründete Band besteht aus ehemaligen BOLT THROWER und BENEDICTION Mitgliedern, die das Oldschool-Deathmetal-Erbe fortführen wollen. Doch er akustische Panzer läuft nicht rund und der Funke mag nicht überspringen. Lediglich die Die-Hard-Fans sind begeistert, während der Rest eher teilnahmslos herumsteht.

Memoriam

Auch bei den Deutsch-Punkern von BETONTOD schauen wir nur kurz vorbei. Ich kann leider herzlich wenig mit der musikalischen Ausrichtung und der Stimme von Sänger Oliver Meister anfangen. Aber da wir auf einem Festival sind und es bereits nach 15 Uhr ist, kommt die Nummer „Glück auf“ bei einem Großteil des Publikums sehr gut an und wird im schönsten Fußballstadion-Sopran mitgesungen. Ich zitiere: „Wir müssen aufhör'n weniger zu trinken, wir brauchen viel mehr Alkohol. Wenn wir nicht aufhör'n weniger zu trinken, dann werden wir heut' nicht mehr voll.“ In diesem Sinne Prost!

HATEBREED laden in den Abendstunden zum gewohnten Abriss ein. Es ist doch immer wieder schön, wenn man sich auf Dinge verlassen kann. Der Sound ist grandios und das aufgepeitschte Publikum schert sich einen feuchten Kehricht um mittlerweile aufgezogene Gewitterwolken und Sturmböen. Getreu dem Songtitels „I Will Be Heard“ keift Fronter Jamey Jasta sich die Seele aus dem Leib. Dabei liefern HATEBREED während ihrer einstündigen Show eine gut ausgewogene Mischung aus alten und neuen Hits. Mit ihrem neuen Track „Destroy Everything“ gehen sie schließlich von der Bühne. Ziel erreicht, Publikum kaputtgespielt.

Hatebreed

Als krönenden Abschluss des Tages schauen wir uns KREATOR an, die ein wahres Feuerwerk abliefern. Die deutschen Thrash-Ikonen machen von Anfang an klar, wer hier King im Ring ist und schmettern den begeisterten Massen direkt hintereinander „Phobia“, „Satan Is Real“ und „Gods Of Violence“ vor die Füße. Bam! Wenn das mal keine Ansage ist.
Auch das Bühnenbild kann sich sehen lassen. Neben jeder Menge Pyro, sind über der Bühnenrückwand Monitore und Videowände eingebaut, die bei jedem neuen Track passende Bilder projizieren und damit zusätzlich für Stimmung sorgen. Kein Wunder also, dass Mille und Co. bis zum letzten Moment gebührend abgefeiert werden.

Samstag – Buddha, Bullen und 'nen Korn!

Direkt nach dem Aufwachen – hach, alter Freund Brumm-Brumm, da bist du ja wieder – weichen Ärger und Müdigkeit augenblicklich der großen Vorfreude auf KORN. Wie sehr freue ich mich auf den Auftritt der Nu Metaller. Sie waren damals eine der ersten Bands, die mich für härtere Klänge begeistert haben und noch heute kriege ich Gänsehaut beim Klang der tiefergestimmten siebensaitigen Gitarren.

Nach dem Frühstück geht es aber erst einmal Richtung T-Stage zu THE NEW BLACK. Aufgrund der frühen Uhrzeit (12:00 Uhr mittags) ist es noch recht leer auf dem Platz vor der Bühne. Aber die Fans, die sich rechtzeitig aus ihren Zelten geschält haben, sind bereits in bester Feierlaune und spenden fleißig Applaus. Der charakteristische Sound aus schmutzigen Riffs, Blueseinflüssen und eingängigen Melodien kommt gut an. Nur beim neuen Track „Buddha“, den die sympathischen Herren hier zum ersten Mal live performen, bin ich etwas irritiert. Denn ein großer, dickbäuchiger … nun ja, Buddha mit goldener Maske betritt die Bühne, stapft von rechts nach links und wieder zurück und reibt sich den Bauch. Seltsam. Aber sie hatten meine Aufmerksamkeit. Insofern Promotionziel erreicht.

Eine weitere deutsche Band, die sich heute die Ehre gibt, sind die EMIL BULLS, auf die ich mich wahnsinnig freue, weil sie mich vor zwei Wochen auf dem W:O:A schier umgeblasen haben. Leider können sie das Niveau auf dem Summer Breeze nicht halten. Sänger Christoph von Freydorf, genannt „Christ“, wirkt schlecht gelaunt und behandelt die Fan-Meute ziemlich von oben herab. Seine charmante Aufforderung zum Mitsingen lautet: „Das werdet selbst ihr hinbekommen“ und auch der Dank nach dem beliebten Auf-den-Boden-setz-und-auf-ein-Zeichen-der-Band-aufspring-Spiel wärmt einem das Fan-Herz: „Für 30.000 Grobmotoriker gar nicht sooo schlecht.“ Sollte er diese Sprüche als Scherz gemeint haben, ist das zumindest bei mir nicht angekommen.

Abgesehen vom wahnsinnig unsympathischen Auftritt des Sängers liefern die EMIL BULLS aber solide ab und ich werde auch in diesem Festival-Bericht nicht müde zu erwähnen, wie unfassbar gut ich den Text von „Rainbows And Butterflies“ finde: „We don't give a shit about rainbows and butterflies, we fuck your elves and unicorns doggy style.“

Emil Bulls

Als der Abend einkehrt, füllt sich die Fläche vor der großen Bühne merklich. Viele versuchen sich bereits jetzt für KORN in die erste Reihe vorzukämpfen, aber auch die Interpreten, die als nächstes antreten, ziehen eine große Zuhörerschaft an: HEAVEN SHALL BURN. In den letzten Jahren haben sich die sympathischen Deathmetaller aus Thüringen zu einem der erfolgreichsten Genrevertreter ganz Deutschlands gemausert. Und wen wundert es bei Songs wie „Voice Of The Voiceless“ oder „Endzeit“.
HSB zeigen heute die ganze Bandbreite dessen, was sie können. Mal druckvoll, wuchtig und wütend bei “Hunters Will Be Hunted“, mal instrumental anspruchsvoll und komplex wie bei „Passage Of The Crane“.

Zur großen Überraschung und Freude der Fans kündigt Gitarrist Maik Weichert als Unterstützung für den letzten Song „Black Tears“ den schwedischen Tausendsassa Dan Swanö an. Man habe sich durch Zufall heute auf dem Zeltplatz getroffen und spontan entschieden, diesen Song gemeinsam zu performen. Da das Original von Swanös ehemaliger Band EDGE OF SANITY und aus seiner Feder stammt, eine logische Schlussfolgerung und ein würdiger Ausgang für einen mitreißenden Gig.

Nur noch zehn Minuten, dann kommt endlich die Band, auf die ich mich schon seit Tagen, ach was, Wochen freue! Der riesige Vorhang ist geschlossen und blaues Licht wabert im Rhythmus sphärischer Klänge. Mittlerweile ist so ziemlich jeder der 45.000 Festivalbesucher vor der großen Bühne angekommen. Ein Countdown zählt herunter: „10, 9, 8 …“. Bei „1“ flackern die Lichter auf und die ersten Töne von „Rotting In Vain“ sind zu hören. Nach weiteren, schier ewig andauernden Sekunden des Wartens reißt der Vorhang von der Decke, gibt nach einer riesigen Lichtexplosion den Blick auf die Bühne frei und KORN legen direkt mit voller Kraft los. Da sind sie endlich, die tiefgestimmten Gitarren und mein Körper weiß auch direkt was er zu tun hat: Zack, Gänsehaut.

Was KORN während ihrer Show abliefern, ist in einem Wort: unfassbar! Sie peitschen die springende, moshende Meute vor der Stage von Hit zu Hit. Abgesehen von kurzen Momenten zwischen den Songs, gönnen sie weder sich noch dem Publikum eine Ruhepause. „Y’all Want A Single“ folgt auf „Falling Away From Me“, folgt auf „Got The Life“. Ich weiß jetzt schon, dass ich am nächsten Tag die Nackenschmerzen meines Lebens haben werde, aber das ist es wert.
Auch das Bühnenbild überzeugt auf ganzer Linie. Eine ganze Armada von Moving Lights, Lasern und Pyros wird abgefeuert und erhellt den Nachthimmel bis weit über das Festivalgelände hinaus.

Nach „Did My Time“ gönnen die Kalifornier sich dann doch eine kleine Pause, damit Jonathan für "Shoots And Ladders" seinen Dudelsack holen kann. Trivia am Rande: Teile des Textes sind einem scheinbar harmlosen, amerikanischen Kinder-Reim entliehen, dessen Ursprünge aber auf die im Mittelalter wütende Pest, auch schwarzer Tod genannt, schließen lassen. Niedlich.

Korn

Ganz zum Ende folgt mit „Freak On A Leash“ noch mal ein würdiger Abschluss-Kracher. Und es kracht auch direkt im Anschluss, denn das Summer Breeze bedankt sich bei seinen Besuchern mit einem eindrucksvollen Feuerwerk, direkt an der Hauptbühne. Da wird man fast ein bisschen emotional.

Aber wir haben keine Zeit, uns der langsam aufkommenden Abschiedsstimmung hinzugeben, denn in wenigen Minuten wartet noch ein persönliches Highlight auf unsere kleine Gruppe. Ihr erinnert euch, dass ich am Anfang erwähnte, dass die Hamburger Oldschool Deathmetal-Bande ENDSEEKER auf dem diesjährigen BREEZE einen Auftritt bestreiten wird? Der Moment ist nun gekommen. Zu meiner großen, persönlichen Freude hat sich eine amtliche Menschenmasse vor der Camel Stage versammelt, als Lenny und Konsorten die Bühne betreten. Die Jungs bringen am 20. Oktober ihr lang ersehntes Album „Flesh Hammer Prophecy“ auf den Markt, haben sich aber schon mit ihrer 2015 erschienenen EP eine treue Zuhörerschaft erspielt.

Mit gewohnt kompromissloser Härte und voluminösem Klang feuern die Jungs alles ab, was sie haben und der Funke springt sofort über. Noch ein Mal sammelt das Publikum die Kräfte und gröhlt und mosht beim bereits bekannten Song „Consumed By Desire“ fleißig mit. Mit „Black Star Rising" und „Possessed by the Flame" haben die Vertreter der Schwedischen Schule auch zwei neue Tracks im Gepäck und beweisen damit ihre Vielseitigkeit. Denn während „Black Star Rising“ bretthart zuschlägt, ist „Possessed By The Flame“ überraschend groovy und im Mid-Tempo-Bereich angesiedelt. Den Leuten scheint es zu gefallen, und als ich mich am Ende des leider viel zu kurzen Gigs von der Bühne wegdrehe, stelle ich fest, dass sich die Größe des Publikums in etwa verdoppelt hat.

Nach diesem gelungenen Abschluss begeben wir uns ein letztes Mal zu unseren Zelten. Trotz Müdigkeit, kalter Duschen, dauernervendem Generator und den langsamsten Tresenkräften der Welt, wir würden noch länger bleiben. Einfach noch mal zum Anfang zurückspulen bitte!

Vielen Dank an Toni B. Gunner, die mir erlaubt hat, einige ihrer fantastischen Bilder zu nutzen.

Artikel dazu