Mit rund 450 Gästen ist der gemütliche Frannz Club voll, es ist eine der vielen ausverkauften Shows der laufenden BRUTUS-Tour. Das Publikum ist bunt gemischt: je eine Handvoll bis zum Rand tätowierte Hardcore-Leute und ebenso tätowierte Hipster, eine einzelne Metalkutte, einige Berlin-Frisuren (Vokuhila, Micropony). Die Bandshirt-Dichte liegt bei etwa einem Drittel, also sehr niedrig, und auch die Geschlechterverteilung ist bunt. Insgesamt ein auffallend wenig szeniges Publikum mit vielen Gästen, denen man den Musikgeschmack offenbar nicht unbedingt ansehen muss.
QUENTIN SAUVÉ wird freundlich empfangen
Die angenehm offene Stimmung kommt direkt dem Opening-Act zugute: QUENTIN SAUVÉ, Bassist bei BIRDS IN ROW, macht den Job heute alleine und gibt zu, nervös zu sein – vor so vielen Leuten spiele er normalerweise nicht. Prompt brandet unterstützender Jubel auf, den Sauvé aber auch für seine Songs bekommt: Gitarren, ein kleines Keyboard und vor allem eine Loopstation sind seine Instrumente. Dazu singt er, zum Tiel mit hinzugefügten Harmonien, sodass er sich selbst begleitet. Letztlich sind es nette, zurückhaltende Indiesongs, die aber durch Feedbacks und wummernde Sounds, die manchmal einen Beat ergeben, und plötzliche Noise-Ausbrüche Ecken und Kanten bekommen. Das Publikum findet’s gut und hört aufmerksam zu.
Jubeln, Klatschen, Singen, Tanzen: Alle lieben BRUTUS
Was tosender Applaus ist, werden aber erst BRUTUS erfahren. Schon der Eröffnungstrack ihres neuen Albums, der als Intro aus der Konserve kommt, hebt die Stimmung, und als das Trio dann auf die Bühne kommt, brandet lauter Jubel auf, der sich im Laufe des Abends noch steigern wird. Der Schwerpunkt liegt auf dem aktuellen Werk “Unison Life”, aber ausnahmslos alle Songs werden abgefeiert, bejubelt, beklatscht, oft mitgesungen. Vor der Bühne ist gut Bewegung und gegen Ende gibt es sogar einen Crowdsurfer.
BRUTUS: Eine Band auf der Schwelle zur nächsten Entwicklungsstufe
Man weiß nicht, wer sich mehr freut, Publikum oder Band. Gitarrist Stijn Vanhoegaerden ist eher der stille Genießer, lächelt aber beständig. Bassist Peter Mulders freut sich offenbar sehr über die euphorischen Reaktionen und bedankt sich gestenreich. Und Drummerin/Sängerin Stefanie Mannaerts ist sichtlich gerührt, bedankt sich, betont, dass ein so voller Laden nicht selbstverständlich sei.
Es ist spürbar, dass BRUTUS den Erfolg und die warmen Reaktionen auf ihr fantastisches Album genießen, aber vielleicht noch nicht ganz fassen können, was gerade geschieht – sie sind das Gegenteil von abgewichsten Bühnenprofis mit eingeübtem Stageacting, sondern vielmehr eine Band auf der Schwelle zur nächsten Entwicklungsstufe, die unverbraucht, echt und spontan wirkt.
Die Songs von “Unison Life”, das nicht nur bei uns heftig gelobt wurde, funktionieren auch live hervorragend. Die drei sind gut aufeinander eingegroovt, doch perfekt spielen sie nicht, was nur noch mehr auf die Emotionen einzahlt, die Songs wie “Victoria” oder “What Have We Done” transportieren.
Stefanie Mannaerts erledigt den Zweifachjob großartig
Klar, dass man Stefanie Mannaerts hervorheben muss – sie den Zweifachjob an Schlagzeug und Mikro alleine erledigen zu sehen, ist schon ein Genuss, doch dass sie ihren mitreißenden, auch in rauen Momenten gefühlvollen Gesang noch um eine Stufe intensiver abliefert, ist beeindruckend.
Nach einer guten Stunde ist Schluss mit dem Stück “Sugar Dragon”, das mit extremen Dynamikwechseln die brodelnde Menge etwas runterkühlt. Stefanie steht auf, gesellt sich zu ihrer Band, die drei sagen Tschüss. Im Anschluss teilen BRUTUS noch diverse Instastories ihrer Fans, bevor es weiter nach Poznan in Polen geht. Die glücklich erhitzen Gesichter des Publikums drücken Dankbarkeit aus für einen wundervollen Abend.