Geschrieben von Sonntag, 07 Juni 2009 19:36

Rock Hard Festival 2009 - Der Bericht


rockhard

Wenn man sich am späten Sonntagabend nach einem 3-Tages-Metal-Marathon mit einem (oder auch zwei) Tränchen im Auge von Freunden und Bekannten verabschiedet und bereits in diesem Moment weiß, dass man im nächsten Jahr garantiert wieder die Stufen des Amphitheaters Gelsenkirchen belagern wird, umgeben von Tausenden genauso positiv Verrückter - dann muss das hinter einem liegende Festival einige Sachen verdammt richtig gemacht haben.

Die 2009er Ausgabe des Rock Hard Festivals liegt hinter uns, und man kann den Organisatoren nur ein weiteres Mal applaudieren: Dieses Festival sucht nicht nur deutschlandweit seinesgleichen - selbst darüber hinaus dürfte es schwer fallen, eine solch perfekte Zusammensetzung von idealer Location, guter Organisation, friedlicher Stimmung und musikalischer Vielfalt zu finden.
Auch diesmal war für fast jeden metallischen Geschmack etwas dabei - allenfalls die Düsterfraktion war etwas außen vor, wurde jedoch von Götz höchstpersönlich aufs nächste Jahr vertröstet, wo wir uns dann also höchstwahrscheinlich auf ein oder zwei reinrassige Dunkelkapellen einstellen dürfen. Aber lassen wir die Spekulationen über das 2010er-Billing noch ein wenig ruhen (sie beginnen ohnehin vermutlich früher als später) und wenden uns dem zu, was hinter uns liegt.

FREITAG, 29.05.2009


Pünktlich um 2 Minuten vor (...nein, nicht vor Mitternacht) 15 Uhr eröffnet RockHard-Chefredakteur Götz mit dem Klassiker „Geht's euch guuuuut?" bei strahlendem Sonnenschein den metallischen Reigen. Ein Zustand übrigens, der sich auch die nächsten drei Tage kein Jota ändern wird - nicht eine Regenwolke verliert sich am gesamten Wochenende in die Nähe des Festivalgeländes, was zumindest die Getränkeverkäufer wohl zu Jubelarien verführt haben dürfte. So gab es dann auch bereits am Freitagabend die ersten Besucher, die optisch eher nach gekochtem Hummer als nach menschlichem Wesen aussahen. Wohl dem, der an Sonnenschutz in irgendeiner Form gedacht hatte.

Eröffnet wurde der musikalische Reigen dann von WITCHBURNER. Schnörkelloser Old-School-Thrash aus deutschen Landen böllerte den durchaus schon in ansehnlicher Zahl vor der Bühne versammelten Fans entgegen. Genau das Richtige also, um den Leuten die Ohren ordentlich durchzublasen und bereit zu machen für alles, was noch folgen sollte. Die Fuldaer wurden denn auch mit deutlich mehr als Höflichkeitsapplaus und sogar einem ersten kleinen Moshpit gewürdigt.
Zumindest namenstechnisch blieb man danach im selben Fahrwasser, als die NWOBHM-Urgesteine von ANGEL WITCH die Bühne enterten. Dass die Briten überhaupt in Gelsenkirchen aufspielten, war im Übrigen nicht auf den Bemühungen der Festival-Orga gewachsen. Im Gegenteil, die Anfrage kam hier von Seiten der Band selbst. Einen echten Gefallen hat man sich mit der Zusage allerdings nicht getan - ein wenig arg unambitioniert war der Auftritt und die Tatsache, dass das Gros der Zuschauer außer dem finalen „Angel Witch" nicht wirklich viel mit der Songauswahl anzufangen wusste, hielt sich die Begeisterung auf den Rängen doch deutlich in Grenzen.

Über keine andere Band auf dem diesjährigen Billing war im Vorfeld so viel diskutiert worden, wie über DESTRÖYER 666. Nach der Ansage, dass die Australier diesmal mit von der Partie sein würden, gab es im Rock-Hard-eigenen Forum ernste Zweifel an der lauteren Gesinnung der Mannen um K.K. Warslut, die erst mit einem spontan anberaumten Interview im Heft bei der überwiegenden Mehrheit der Leser ausgeräumt werden konnten.
Und das ist gut so, denn die Show, die die Jungs von Down Under abrissen, rechtfertigt ihre Verpflichtung allemal. Nach jedem Song gab es Sprechchöre und zu „Sons of Perdition", „Australian and Ant-Christ" oder „I am the Wargod" wurden ordentlich die Rüben vor der Bühne geschüttelt.
Die folgenden PRONG gab es für den ehrenwerten Schreiberling nur im Audioformat, denn erstens forderten Magen und Hitze ihren Tribut, zweitens schmeckt solch ein Schälchen mit (übrigens recht leckerem) asiatischem, gemischtem Irgendwas eben im Schatten noch besser, und drittens ist der Hardcore-lastige Sound der New Yorker nicht wirklich meine bevorzugte Baustelle. Nach dem, was mir nach meiner Rückkehr in den Backofen allerdings so zugetragen wurde, waren die Amis wohl einer der Gewinner des ersten Tages.

Mit einem stilistischen 180-Grad-Wechsel ging es dann in die heiße Phase des ersten Tages. Harry „The Tyrant" Conklin und sein JAG PANZER-Geschwader übernahmen die Regie. Wer Conklin schon jemals live oder auf Platte genießen durfte, der weiß - singen kann der Mann. Und das stellte er auch in Gelsenkirchen unter Beweis. Optisch allerdings gäbe es da durchaus die eine oder andere Verbesserungsmöglichkeit, aber wer will einem solchen Gott am Mikro schon sagen, dass er sich mal einen Stilberater zulegen sollte? Ich mit Sicherheit nicht, dazu war ich auch viel zu beschäftigt, meinen Schädel zu 1A Power-Metal-Perlen wie „Chain Of Command" und „Licence to Kill" kreisen zu lassen. Große Stimme, große Songs, großer Auftritt.

In den meisten Fällen hasse ich es, wenn die unkenden Stimmen im Vorfeld Recht behalten. Im Falle des Freitagsheadliners OPETH ganz besonders, denn man kann der Band noch nicht einmal einen Vorwurf machen, dass ihr Auftritt sich (neben den später noch zu betrachtenden UFO) als der Reinfall des Festivals entpuppte. Letzten Endes spielten sie ihre Mucke nämlich wahrlich nicht schlecht, und den anwesenden Opeth-Fans dürfte das Ganze auch gefallen haben. Aber Opeth sind keine Open-Air-Band und ihre Songs kein Sonnenschein-Festival-Material. Sowas genießt man bei einer guten Flasche Rotem im heimischen Wohnzimmer, aber ein Amphitheater bringt man damit leider nicht zum Kochen. Einer meiner Bekannten würde jetzt vermutlich sagen „Perlen vor die Säue", und möglicherweise hat er damit auch Recht. Was umso schlimmer für Opeth wäre.


SAMSTAG, 30.05.2009


Ich gebe es ja zu: Seitdem ich im Pott wohne, entwickle ich mich unaufhaltsam zu einem Weichei. Zumindest, was die Festival-Zelterei angeht, ziehe ich inzwischen das heimische Bett und die damit einhergehende Möglichkeit einer warmen Dusche am Morgen dem unruhigen Schlaf im Zelt, umgeben von schnarchenden Rübezahlen und Slayer bis 6 Uhr morgens, eindeutig vor. Was leider dazu führte, dass ich nicht rechtzeitig im heiligen Rund ankam, um EVOCATION, die erste Band des Tages, mitzuerleben. Mea culpa.

Bei GRAND MAGUS allerdings war der Sitzplatz eingenommen und das Metallerherz bereit für die erste Kelle Schwermetall. Spätestens mit ihrem aktuellen Album „Iron Will" haben sich die Schweden in die Herzen vieler neuer Fans gespielt, und ich war mehr als gespannt, ob der Stoner-Sound mit Doomschlagseite auch live ankommen würden. Um es kurz zu machen - ja, genau das tat er. Mit „Like the oar strikes the water" eröffnete das Trio seinen (leider zu kurzen) Auftritt, brachte das inzwischen wieder eintröpfelnde Publikum so langsam auf Betriebstemperatur und dürfte mit seinem Auftritt etliche neue Fans hinzugewonnen haben. Definitiv eine Band, mit deren Backkatalog man sich im Nachhinein auch noch einmal eingehender beschäftigen sollte.

Wie drückte es ein Freund in seinem persönlichen Festival-Resümee aus? „Wer Namen und Intro von Twin Peaks hat, kann kein schlechter Mensch sein." Wenn man das einfach mal so stehenlässt, hätten die Bedingungen für die nun folgenden AUDREY HORNE nicht besser sein können. Zumal auch etliche der Anwesenden, denen die Band bisher unbekannt war, gespannt gewesen sein dürften, wie sich ein Rock-Sideproject von sonst bei ENSLAVED und GORGOROTH unter Vertrag stehenden Musikern so anhören würde. Aber da skandinavische Düstermetaller mit eher rockigen Nebencombos scheinbar nie daneben greifen (man denke an CHROME DIVISION oder I), war auch das Gelsenkirchener Publikum sehr angetan von dem, was da so auf der Bühne präsentiert wurde. Schmissige Gitarrenmelodien, ein Stil, der sich zwar nicht so recht zwischen Hardrock, Prog und Düstermucke entscheiden konnte, aber insgesamt sehr angenehm anzuhören war.
Eigentlich hätte ich mir auch gern Martin van Drunen und HAIL OF BULLETS angesehen, aber was wäre ein Metal-Festival ohne die obligatorische Schlenderei über den Metal-Market und das Stöbern nach Schnäppchen und Devotionalien? Eben. Deshalb waberte die brachiale Death-Metal-Wand auch nur als Hintergrundbeschallung herein, während ich mich darin erging, die deutsche Wirtschaft ein wenig zu unterstützen, und den einen oder anderen Euro in die Geldbeutel der diversen Händler zu bugsieren.

Über die Powermetaller von DRAGONFORCE lässt sich mit Sicherheit eine Menge sagen, aber nicht, dass sie faul wären. Der Preis für die mit Abstand bewegungsfreudigste Band am Samstag ging jedenfalls eindeutig an die Engländer, die leider als einzige Band des Tages mit herben Sound-Schwierigkeiten zu kämpfen hatten und auf den Tribünen nur noch als Matsch ankamen. Der Laune der Band schadete es aber offensichtlich nicht, die auf der Bühne dermaßen chaotisch auf und ab sprang, dass man auf die Musik fast, aber auch nur fast, hätte verzichten können. Wir erlebten einen vor Energie explodierenden Keyboarder, den es kaum am Boden hielt, zwei Gitarristen, die sich aufführten wie Eiskunstläufer und einen synchronen Rittberger nach dem anderen hinlegten, und einen Sänger, der gut gelaunt mit Wasserflaschen, seinem Shirt und den vorderen Reihen spielte. Gut, letzterer hatte während der langen Soloparts auch mehr als genug Zeit dafür, und an dieser Stelle muss man sagen, dass gerade die technisch sicher großartigen Soli für die Stimmung etwas hinderlich waren. Beim letzten Song - dem durch das Konsolengame Guitar Hero bekannt gewordenen „Through the fire and flames" - war aber auch das egal, dann auf einmal standen die Ränge, und das Amphitheater rockte sich durch den scheinbar endlosen Song. Klasse Leistung, gerne wieder. (Kira)

Womit wir wieder beim Thema krasse musikalische Umschwünge angekommen wären, denn die danach folgenden FORBIDDEN hatten an solcherlei Spaßmacherei auf der Bühne kein Interesse. Hier hieß es „Voll auf die Zwölf" und zwar mit Anlauf. Was für ein mächtiges Soundbrett die Kalifornier entfesselten, zeigte sich (nicht nur) im mönströsen Circle Pit, der ab der ersten Sekunde vor der Bühne zu kreisen begann. Auch die Tribünen bangten sich die Seele aus dem Leib. Die Amis bewiesen, dass ihre zwei ersten Alben nicht umsonst als ewige Thrash-Klassiker gelten, und dass es mehr als gerechtfertigt ist, ihnen hier und heute nochmal die Bühne zu überlassen. Die alten Herren haben uns nämlich nochmal richtig gezeigt, wo der Hammer hängt.

Apropos „alte Männer". Nein, JON OLIVA´S PAIN sind nicht SAVATAGE. Wenn man diese Tatsache aber einmal akzeptiert hat, und auch, dass die Gelegenheit, Sava-Songs so zu hören, wie man sie idealerweise hören sollte, mit dem Tod von Chris Oliva oder allerspätestens mit den offiziellen Ende von Savatage unwiderbringlich vergangen ist - dann konnte man mit dem Auftritt von John Oliva sehr viel Spaß haben und hemmungslos in vergangenen Zeiten schwelgen. Und den verzückten Ausdrücken auf der Tribüne, den feuchten Augenwinkeln und auch den zu tausenden erhobenen Händen zufolge, die sich da in den Himmel über Gelsenkirchen reckten, taten das nicht wenige der Anwesenden in vollen Zügen.
„Believe", „Tonight he grins again" und natürlich das abschließende „Hall of the Mountain King" - garniert mit zwei Nicht-Savatage-Songs war die Setlist insgesamt ein Selbstläufer für den „dicken alten Mann", der nach den letzten Tönen dann auch mit dem wohl tosendsten Applaus des gesamten Wochenendes verabschiedet wurde. Da machte es dann auch nichts, dass John stimmlich nicht ganz auf der Höhe war - die Songs rissen einfach alles wieder raus.

Eine gebrochene Rippe bei einem Sänger und eine gebrochene Schulter bei einem Gitarristen sind beides Dinge, die man wirklich nicht gebrauchen kann. Beides vereint in einer Person sollte wohl zu dem Punkt führen, wo man einen Gig absagt. Haben CHILDREN OF BODOM aber nicht, und dafür gebührt ihnen Respekt. Zum Auftritt selbst sei gesagt, dass das Amphitheater ein Donnerwetter aus alten und neuen Songs vor die Rübe geknallt bekam, sowohl unten vor der Bühne als auch oben auf den Stufen sauber abgemischt, und dass man höchstens anhand der kleineren Pausen zwischen den Songs vermuten konnte, dass mit dem Frontman vielleicht nicht alles in bester Ordnung war. Technisch gesehen habe ich jedenfalls absolut keine Schnitzer entdecken können, und man hatte durchaus das Gefühl, dass die Band ihren Spaß bei der Angelegenheit hatte - ebenso wie die Meute, die sich im Rund vor der Bühne versammelt hatte. Natürlich glänzte Alexi nicht gerade mit einem umfassenden Vokabular - wer ihn schon einmal erlebt hat, weiß, was ich meine - aber das spielerische Hin und Her zwischen ihm und seinem Keyboarder war dennoch sehr erheiternd. (Keyboarder Janne in Richtung des Schlagzeugers Jaska: „ Da hast du nun zwei Techniker für deine Drums und spielst immer noch scheiße." Antwort von Alexi in Richtung Janne: „ Dafür hast du einen Hairstylisten und einen Makeup-Artist und siehst immer noch scheiße aus.")
Leider muss man sagen, dass die Finnen das Kunststück, das vor ihnen John Oliva gelungen war, nämlich auch die Ränge aufzutauen, nicht wiederholen konnten, obwohl die Leute wirklich dicht an dicht saßen. Schade eigentlich, denn als Headliner hätten sie wohl ein bisschen mehr Zuspruch verdient, den das den ganzen Tag über auffallend faule Publikum ihnen aber anscheinend nicht gewähren wollte. (Kira)


SONNTAG, 31.05.2009


Die ersten Gebrechen stellten sich Sonntagmittag ein, als ich ein letztes Mal die Stufen des Amphitheaters betrat. Das Sitzfleisch begann, langsam um Gnade zu flehen, die krebsrote Haut verlangte nach mehr Sonnenmilch (die ich natürlich klugerweise zuhause vergessen hatte) und die Kehle will eigentlich viel lieber direkt am Getränkestand geparkt werden, als sich den Opener des Tages anzusehen. Nix da, manchmal muss man auch hart gegen sich selbst sein.

Im Vergleich zum vergangenen Samstag scheinen nicht Wenige etwas schwerer aus den Schlafsäcken zu kommen, denn als TRACEDAWN die Show eröffneten, geschah dies doch vor noch sehr spärlichem Publikum. Aber das ist ja nicht erst seit gestern so, dass es wohl kaum einen undankbareren Spot gibt, als den Opener am letzten Festivaltag.
Verglichen mit dem geringen Zuschauerinteresse machten die Finnen ihre Sache allerdings recht ordentlich. Man bot technisch anspruchsvollen Death Metal, der hier und da ein wenig von ihren Landsleuten vom Lake Bodom inspiriert zu sein scheint, wechselte zwischendurch aber auch in ruhigere Gefilde, bei denen Sänger Antti sich dann auch auch im Klargesang versuchte. Mir persönlich gefielen die Brüllwürfel-Teile allerdings eindeutig besser.

Zum Thema FIREWIND muss ich mich jetzt (übrigens fast zum einzigen Mal während des gesamten Wochenendes) ordentlich gegen die Meinung sämtlicher Mitmetaller in meinem Umkreis stellen. Die fanden den Auftritt von Firewind nämlich (fast) durch die Bank drucklos, langweilig und „nicht Metal". Gut, die Setlist war nicht ganz ideal, Sänger Apollo hatte wohl auch nicht seinen allerbesten Tag, und über das „Maniac"-Cover kann man natürlich geteilter Meinung sein. Insgesamt gab es für meine Ohren aber immer noch einen mehr als anständigen Auftritt - und dass die Jungs spielen können, kann eigentlich auch niemand mit zwei gesunden Ohren ernsthaft bezweifeln.

Es gibt Bands, denen es völlig egal ist, ob sie vor fünf oder fünftausend Zuschauern spielen. BULLET gehören dazu. Die schwedischen AC/DC-Fans haben allerdings auch das Händchen, ihre Fans direkt am Bühnenrand abzuholen und bis zum Ende des Sets nicht mehr vom Haken zu lassen. Mit ihrem rotzigen Rock allererster Kajüte zeigten sie, dass die Lorbeeren, die ihre letzten beiden Scheiben in den Gazetten eingeheimst hatten, wahrlich nicht grundlos vergeben waren. Obwohl sie mir persönlich in kleinerem Rahmen noch mehr gefallen - denn eigentlich ist das Mucke für einen kleinen, verranzten Schuppen irgendwo in Bahnhofsnähe, wo das Bier billig ist und die Beleuchtung spärlich, und nicht für ein sonnenüberflutetes Open Air Festival. Nichtsdestotrotz waren die Ränge begeistert und feierten „Heading for the Top", „Turn it up Loud" und Co. ordentlich ab.

Bereits bei der Bestätigung der Dänen D-A-D freute ich mich diebisch auf deren Auftritt. Ich hatte die Band in all den Jahren nie aus den Augen verloren und sie in den letzten Jahren wieder in der alten Stärke live erlebt. Und die Mannen um die Gebrüder Binzer enttäuschen heute auch nicht. Mit einem irren Bühnenaufbau und mindestens genauso lustig-bescheuertem Outfit jagen sie sich gegenseitig von Song zu Song. Mit "Riskin It All" düsen Jakob mit Zylinder und Puck-die-Stubenfliege-Brille samt Stig Pedersen als dünne, schwarze Leder-Fledermaus los. Jesper als Sänger wie immer im schicken Blazer, heute mal in grellweiß. Besonders Stig, der gefühlte zwanzigmal seinen Zwei-Saiter-Bass wechselt (vom Raketen-Bass bis zu einem hölzernen Monster sind fast alle seine Kreationen dabei). Auf den Rängen rockt die Meute um mich herum immer begeisterter mit, selbst die Zuschauer, die vorher nicht allzuviel von D-A-D kannten, werden überzeugt. Meine Freundin und ich liefern uns Wettkämpfe beim "wer-fällt-wohl-als-Erste-von-den-Stufen" vor lauter Tanzerei.
Die Dänen sind schlau und spielen sich zum Großteil durch altes Material wie "Jihad" und "Rim Of Hell". Natürlich erwartet man auch gerne das mächtige "Girls Nation" oder "Laugh `n 1/2", aber die Zeit ist halt viel zu kurz für all die Hits, die die Dänen in den letzten zwanzig Jahren erschufen. Warum D-A-D nie großen Erfolg und Anerkennung erhalten haben, wird ein ewiges Rätsel bleiben. Vielleicht ändert sich das nach dem großartigen Auftritt ja bei einigen neuen Fans. Wir bibbern noch, ob Jesper "Ick will meine Haare nit snitzen" noch ansagt oder jedenfalls "It´s After Dark Now", aber nein. Letzteres passt auch nicht ganz zu dem grellgelben Satan über uns. Aber "Sleeping My Day Away" kommt natürlich noch (jetzt wird unser Gekreische exorbitant teenagerhaft), bevor sich die Jungs mit "Monster Philosophy" aus dem aktuellen Album verabschieden. Völlig heiser und sehr happy, dass Stig nicht den Hetfield machte und in eine der riesigen Pyroflammen gehüpft ist, sinken wir zu Boden. Bier her! (Kat)

Was folgte, war zum einen meine Auszeit des Tages - die dazu führte, dass ich HEATHEN kaum bis gar nicht wahrgenommen habe und daher auch nicht wirklich viel zu deren Auftritt sagen kann - und zum anderen die Enttäuschung des gesamten Wochenendes. Waren OPETH als Freitagsheadliner einfach nur deplaziert, so zeigten uns UFO, dass es da draußen durchaus einige Altherrenkapellen gibt, die sich ernsthaft überlegen sollten, ihre Freizeit lieber mit Rasenmähen und Schirmchendrinks zu verbringen, als sich dermaßen langweilig durch einen (eigentlich ohnehin schon recht kurzen) Auftritt zu quälen. Hier stimmte (abgesehen vom Sound) nichts. Keine Spielfreude, kein Spiel mit dem Publikum, kein überspringender Funke. Und wenn man dann noch freiwillig auf einige der absoluten Gassenhauer verzichtet - wo war bitteschön „Doctor, Doctor"? - und dafür lieber gefühlte 20-Minuten-Soli einbaut, dann darf man sich halt auch nicht wundern, wenn der Auftritt sang- und klanglos untergeht. Die Getränke- und Fressbuden dürften die einzigen gewesen sein, die es gefreut hat.

Als wollten die Metalgötter die Katastrophe UFO direkt wieder vergessen machen, schickten sich SACRED REICH an, den jetzt reichlich vor die Bühne strömenden Fans die Ohren wieder so richtig schon freizublasen. Und wie sie das taten. Heidewitzka, die Veteranen aus Arizona straften all die Unkenrufer Lügen, die im Vorfeld meinten, eigentlich müssten Phil Rind und Co. "ja nur Surf Nicaragua spielen und wieder gehen". Arschlecken Freunde, das hier war definitiv einer der besten Auftritte des gesamten Wochenendes. Allein die Art und Weise, wie Frontmann Phil zwischen den Songs mit dem Publikum umging, war die Spielzeit wert - von hammergeil runtergespielten Songs wie „One Nation", „Crimes against Humanity", dem BLACK SABBATH-Cover „War Pigs" und (natürlich) „Surf Nicaragua" gar nicht zu reden. Eine extrem tighte Show, welche die Massen zurecht ausflippen ließ.

Die Umbauarbeiten zum abschließenden Headliner wurden dann nochmal unterbrochen, um die drei Gewinner des Karaoke-Wettbewerbs zu präsentieren, der wie auch im Vorjahr schon in den Spielpausen auf der Partystage stattfand. Die Herren (und eine Dame) durften noch einmal vor großem Publikum ihre mehr oder weniger originalgetreuen Versionen von diversen Metalklassikern präsentieren, es gab auch anerkennenden Applaus, die meisten Zuschauer hätten aber wohl stattdessen doch lieber noch eine weitere Band gesehen (oder eben eine kürzere Pause zum nun folgenden letzten Akt des Abends gehabt).

Über SAXON muss man eigentlich gar keine Worte mehr verlieren. Die Briten sind ein solches Urgestein im Metalzirkus und mit einer Ausdauer permanent um den Globus unterwegs, dass eigentlich kaum jemand die letzten zwanzig Jahre ausserhalb einer Höhle verbracht haben kann, ohne das eine oder andere Mal das Vergnügen mit Biff und Co. gehabt zu haben. Dementsprechend bekannt waren die gespielten Klassiker, so dass weder „Dallas 1 P.M." noch „Strong Arm of the Law" oder einer der anderen Trilliarden Klassiker ohne wild mitgröhlende Massen auf den Rängen auskommen mussten. Etwas ungewöhnlich allerdings, dass man in einem explizit so angekündigten „Classic Set" ausgerechnet auf „Crusader" verzichtete.
Das tat der Qualität des Auftritts aber keinen Abbruch. Natürlich, Saxon sind keine Jungspunde mehr, die Originalität der Bühnenshow hielt sich somit in Grenzen, und vielleicht hat man die Band inzwischen auch einfach schon zu oft live gesehen, um noch wirklich hundertprozentig begeistert zu sein - die alten Haudegen zockten sich auf jeden Fall routiniert durch ihre alten und neuen Hits, und das Publikum bekam einen astreinen Rausschmeisser zum Sonntagabend geboten.

Fazit: Besser geht's kaum noch. Wetter top, Location eh fast unschlagbar, die Security immer freundlich und hilfsbereit, und von Jahr zu Jahr nimmt man sich der Sorgen der Fans auch an (z.B. durch die Einrichtung von Schließfächern für Wertsachen). Musikalisch war's ordentlich gemischt - die wenigen Lowlights ließen sich auch verschmerzen - und preistechnisch bewegte man sich sowohl bei Speis' und Trank als auch beim Merch in angenehmem Rahmen (von einzelnen Ausreissern wie Dragonforce-Shirts für 30 Öre mal abgesehen). Insofern kann man sich eigentlich nur über eine Sache beschweren: Dass wir jetzt ein Jahr aufs RHF 2010 warten müssen.

Fotos (c) by Dieter Dengel / metalstorm.de (mit freundlicher Genehmigung) 

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